Public Viewing wird bei der Fußball-EM nur eingeschränkt möglich sein. Viele werden zu Hause mit Freunden die Spiele verfolgen. Die Nachfrage nach TV-Geräten und Beamern ist bereits gestiegen. Bierbrauer erwarten sich hingegen wenig Fußballglück.

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Berlin – Nicht nur der scheidende Bundestrainer Jogi Löw hofft auf ein gutes Abschneiden der deutschen Nationalmannschaft bei der Fußball-Europameisterschaft. Auch viele Händler und Gastronomen wünschen sich, dass die deutschen Kicker bei dem am 11. Juni beginnenden Turnier weit kommen – am besten bis ins Finale am 11. Juli im Londoner Wembley-Stadion. Denn ein neues Sommermärchen wäre gut fürs Geschäft: Ob Bier, Chips und Grillgut fürs gemeinsame Schauen am TV, neue Fernseher für ein besseres Bild oder ein EM-Trikot fürs Mitfiebern mit den Nachbarn: Viele Produkte könnten eine kleine Sonderkonjunktur erfahren.

TV-Geräte gefragt

"Wir beobachten ein zunehmendes Interesse vor allem an großformatigen TV-Geräten", heißt es beim Elektronikhändler Mediamarkt Saturn. "Und auch Beamer sind für viele Kunden eine echte Alternative, um die Spiele zu verfolgen – gerade wenn diese Corona-bedingt in diesem Jahr nicht öffentlich in größerer Runde angeschaut werden können." Das deckt sich mit einer Umfrage des Handelsverbandes Deutschland (HDE). Demnach erwarten 41 Prozent der Elektronikhändler höhere Umsätze dank der steigenden Nachfrage durch die EM. Diese Hoffnung ist nicht unbegründet, betonen die Marktforscher der GfK: "In der Vergangenheit haben wir gesehen, dass in den Promotionswochen direkt vor Beginn und nach dem Beginn der Turniere besonders große TV-Geräte nachgefragt werden, um beispielsweise die Stadionatmosphäre nach Hause zu holen." Andere Branchen können ebenfalls davon ausgehen, dass das sportliche Großereignis ihre Umsätze angekurbelt.

Snacks und Trikots

Jeder dritte Lebensmittelhändler hofft laut HDE-Umfrage auf mehr Einnahmen durch die EM, die erstmals verteilt in Europa ausgetragen wird. Bei Sportartikelhändlern sind es 18 Prozent. Viele Geschäfte hoffen zudem, dass das vierwöchige Turnier die Verbraucherstimmung hebt, die lange unter der Corona-Krise litt.

Der Sportartikelhersteller Adidas setzt auf ein Millionengeschäft: Ohne die EM oder die danach geplanten Olympischen Sommerspiele in Tokio würden ihm etwa 50 bis 70 Millionen Euro in der Kasse fehlen, sagt Vorstandschef Kasper Rorsted. Die drei Streifen des Weltkonzerns prangen unter anderem am deutschen Trikot. Außerdem stellt Adidas den offiziellen Spielball namens Uniforia und stattet Stars wie den Franzosen Paul Pogba oder Thomas Müller mit Schuhen aus. Konkurrent Puma rüstet vier Nationalmannschaften mit seinen Trikots aus, darunter Italien. Puma-Chef Björn Gulden erhofft sich davon zusätzlichen Schwung für den Absatz.

Kein Mega-Schub

Einen richtig starken Umsatzschub für den Handel erwartet der HDE allerdings nicht. "Da die Spiele weitgehend außerhalb Deutschlands stattfinden, hat das Event nur einen sehr begrenzten Einfluss auf das Geschäft des hiesigen Einzelhandels", sagt Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Ökonomen halten den konjunkturellen Effekt für sehr begrenzt. "Sportlich ist das ein Großereignis, gesamtwirtschaftlich aber nicht", warnt der Konjunkturchef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Stefan Kooths, vor zu großen Hoffnungen. "Die paar Tüten Chips, die jetzt zusätzlich verspachtelt werden, die machen den Kohl nicht fett – höchstens den Zuschauer."

Erfahrungsgemäß nutzen viele Menschen das Fußballschauen gerne zum gemeinsamen Grillen und zum geselligen Beisammensein – auch bei größeren Public Viewings. "Wenn all das aufgrund der Pandemie nicht möglich sein sollte, dann werden wohl auch die EM-Umsätze im Einzelhandel leiden", befürchtet HDE-Experte Genth. "Denn Grillgut, Fanausrüstung und Trikots werden natürlich besonders gerne für größere Anlässe eingekauft."

Bierbrauer schaumgebremst

Die Bierbrauer sorgen sich, dass ihnen Corona noch einen Strich durch die Rechnung macht. "Unser Geschäft läuft noch immer mit gebremstem Schaum", klagt der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes, Holger Eichele. "Gerade eine Fußball-EM lebt von Public Viewings, Straßenfesten und Grillpartys, die ohne kühles Bier nur schwer vorstellbar sind." In welchem Maße solche Treffen und Events in diesem Sommer möglich sind, ist aber noch offen. Die Gastwirte setzen derweil auf gutes Wetter. "Die Außengastronomie und Biergärten kommen sicher wieder in Fußball-Stimmung. Da die Menschen so lange nicht in die Stadien durften, vermissen viele das gemeinsame Fan-Erlebnis", sagt Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges vom Branchenverband Dehoga, räumt wegen der Auflagen aber ein: "Das Erlebnis ist sicher noch ein bisschen anders als vor der Corona-Zeit."

Viel hänge vom Erfolg der Nationalmannschaft ab. "Wir hoffen, dass Deutschland ins Endspiel kommt", sagt Hartges. Sollte Deutschland schon nach der Vorrunde in München gegen Frankreich, Portugal und Ungarn ausscheiden, verpufft der EM-Effekt schnell wieder. Dann bleibt die Hoffnung auf die nächste EM, die 2024 in Deutschland ausgetragen wird.

Besonders der Handel liebäugelt mit einer Neuauflage des "Sommermärchens", wie die Weltmeisterschaft 2006 im eigenen Land gern bezeichnet wird: Damals hatte er zwei Milliarden Euro mehr mit deutschen und ausländischen Fans umgesetzt. (Reuters, 4.6.2021)