Das türkische Marmarameer ist von einer durch Algen ausgelösten Schleimplage befallen.
Foto: AFP/Yasin AKGUL

Algen sorgen im türkischen Marmarameer derzeit für eine regelrechte Schleimplage, die vor allem das marine Leben bedroht. "Das Meer steht unter hohem Stress", erklärt Bayram Öztürk, Biologe bei der Türkischen Stiftung für Meeresforschung (TUDAV) und Professor an der Universität Istanbul. Der Höhepunkt sei aber trotzdem "noch nicht erreicht". Er und weitere Experten fordern daher ein rasches Eingreifen.

Algen und Abwässer

Der zähe grau-beige Schleim ist Ausscheidungsprodukt bestimmter Algenarten und treibt an der Meeresoberfläche, kann aber auch absinken. Über kurz oder lang setzt sich der "Meeresrotz" (englisch "Sea Snot") am Meeresboden ab. Die Algen vermehren sich vor allem durch höhere Temperaturen, sagt Ekin Akoglu, Meeresbiologe an der türkischen Technischen Universität des Nahen Ostens (ODTÜ). Begünstigt würde die Schleimbildung auch durch unbehandeltes Abwasser, das direkt ins Meer abgelassen wird. Die Küste des Binnenmeeres ist dicht besiedelt. An ihr liegen neben der 16-Millionen-Metropole Istanbul etwa Großstädte wie Bursa.

Auch im nordägäischen Meer und im westlichen Schwarzen Meer breite sich der Schleim aus, sagt Öztürk. Er warne schon seit den Achtzigerjahren vor dem Meeresschleim. Bewirkt habe das bisher nichts.

Durch den Schleim fällt nicht nur das Baden aus. Fischer können ihre Netze nicht auswerfen, weil die entweder kaputt gehen oder zumindest stark verschmutzt und unbrauchbar werden. Negative Folgen habe der Schleim vor allem für Organismen, die auf dem Meeresboden leben – wie etwa Muscheln, deren Wachstum verlangsamt wird, wenn sie unter einer Schleimschicht liegen, so Akoglu.

Luftaufnahme eines Hafens nahe Istanbul. Der Schleim behindert nicht nur die Fischer in ihrer Arbeit, sondern bedroht vor allem das marine Leben im Marmarameer.
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Massensterben droht

Auch weiche Korallen könnten von Schleim bedeckt nicht ihrer eigentlichen Aufgabe nachkommen, nämlich das Wasser zu filtern. Auf lange Sicht sei besonders der negative Einfluss auf das Zooplankton, von dem sich viele Fische ernähren, fatal. Nimmt dessen Menge ab, würden auch die Fischpopulationen weniger. Öztürk warnt sogar vor einem Massensterben der Meereslebewesen.

Auch der Regierung ist das Problem mit dem Schleim bewusst. Ein Aktionsplan wurde angekündigt. Von dem hält Öztürk allerdings wenig. Schon in der Vergangenheit habe es diese Ankündigungen gegeben. Nun brauche es schnelle und klare Schritte. Kurzfristig könne man den Schleim etwa mechanisch entfernen, sagt Akoglu. Auf lange Sicht brauche es neben einer globalen Klimapolitik, die dem Temperaturanstieg entgegen wirke, eine bessere Verarbeitung von Abwasser in der Türkei. Öztürk fordert zudem ausgewiesene Schutzzonen, durch die sich das Meer und seine Bewohner erholen könnten sowie mehr Forschung, um dem Problem auf den Grund zu gehen. (red, APA, 4.6.2021)