Die Umsetzung stärkerer Privatsphäre-Features im Sinne der Konsumenten scheint also nur langsam voranzuschreiten – und dennoch unaufhaltbar zu sein.

Foto: AFP/Josh Edelson

Seit etwa sechs Wochen können iPhone-Nutzer dank Apples App Tracking Transparency (ATT) entscheiden, ob Apps sie über mehrere Anwendungen hinweg verfolgen dürfen. Vor allem Facebook machte aus Sorge vor Beeinträchtigung des eigenen Kerngeschäfts Stimmung gegen das Vorhaben. Wie sich die neue Privacy-Funktion tatsächlich auf die Werbewirtschaft auswirkt, kann allerdings bis heute nicht gesagt werden. Ebenso unklar ist, welche Vorteile dadurch für Konsumenten bestehen – denn nur wenige kommen bisher in den Genuss des Features.

Bis heute sollen nämlich acht von zehn iOS-Nutzern noch immer keine Version der Software im Einsatz haben, die ATT tatsächlich unterstützen würde, berichtet "Digiday". Weniger als ein Fünftel der Werbeanfragen stammen laut dem Werbetechnologie-Anbieter Fyber also von kompatiblen iOS-Versionen. Bisher scheint Apple auch die schnellere Verbreitung ebendieser nicht zu forcieren:

"Apple mag die Verzögerung als 'Gnadenfrist' betrachten, um allen eine Chance zur Anpassung zu geben. Aber in Wirklichkeit nutzt sie niemand, um irgendwas zu tun", kommentiert Alex Bauer, Leiter des Produktmarketings und der Marktstrategie bei der Mobile-Measurement-Firma Branch die Lage. Viele Branchenakteure würden laut ihm glauben, es gäbe noch Spielraum und Unklarheiten in Apples Richtlinien.

Wenige Updates

Für Werbetreibende bedeutet das in Wirklichkeit, dass hauptsächlich "Early Adopter" in den Genuss der ATT kommen. Ein Großteil der Menschen haben hingegen noch immer ältere iOS-Versionen installiert, mit denen auch das Werbe-Tracking nach wie vor möglich ist.

Glaubt man diesen Informationen, dürfte es für Konzerne wie Facebook nach anfänglicher Sorge in Wirklichkeit weniger schlimm sein als erwartet, dass nur zwölf Prozent der betroffenen Nutzer dem Tracking zustimmen (DER STANDARD berichtete). Nachdem der Social-Media-Riese seinen Nutzern Anfang Mai noch auf Instagram und Facebook Hinweise anzeigte, dass man das Tracking aktivieren solle, um die Apps weiterhin gratis zu erhalten, scheint es seither sehr ruhig zu sein. Nur Twitter bat iPhone-User um die Erlaubnis der Nachverfolgung über mehrere Anwendungen.

"Schwankende" Ergebnisse

In einem Ende April durchgesickerten internen Facebook-Memo legte das Unternehmen noch dar, welche Auswirkungen mit der Änderung für Werbetreibende erwartet werden. Facebook sprach davon, dass die Ergebnisse von Kampagnen "schwanken" werden, sobald Nutzer ihre Geräte in den kommenden Wochen auf iOS 14.5 aktualisieren. Werber verlieren dann die Möglichkeit, eine Werbung mit dem geschätzten Zeitrahmen zu versehen, in dem es zu einer Conversion von iOS-Nutzern kommen soll.

Kurz vor Veröffentlichung des Updates warf außerdem eine Gruppe deutscher Verbände aus der Medien- und Werbewirtschaft Apple unfairen Wettbewerb vor. Acht von ihnen reichten eine Missbrauchsbeschwerde beim Bundeskartellamt ein. "Wir schauen sie uns jetzt erst einmal an", kommentierte dies ein Sprecher der Behörde.

Apple entgegnete auf die Beschwerde: "Wir glauben, dass Privatsphäre ein grundlegendes Menschenrecht ist." Die Daten gehörten den Nutzern, "und sie sollten selbst entscheiden können, wie ihre Daten verwendet werden und von wem". Man habe Unterstützung von Behörden und Datenschützern für die Funktion bekommen.

Nicht aufzuhalten

Trotz der scheinbar langsamen Verbreitung scheint Apple die App Tracking Transparency auf jeden Fall durchsetzen zu wollen. Zudem scheint Google dem Vorbild zu folgen und Android-Usern künftig eine Opt-out-Möglichkeit für das Werbe-Tracking bieten. Noch dieses Jahr soll ein entsprechendes Feature mittels Update für die Google Play Services zur Verfügung gestellt werden, berichtet "Bloomberg". Entscheiden sich Nutzer, dem Tracking nicht zuzustimmen, können Werbetreibende nicht mehr die für personalisierte Werbungen verwendete ID zugreifen.

Die Umsetzung stärkerer Privatsphäre-Features im Sinne der Konsumenten scheint also nur langsam voranzuschreiten – und dennoch unaufhaltbar zu sein. Während man von Apple in den kommenden Wochen und Monaten ein beschleunigtes Rollout der ATT erwarten darf, dürfte Googles Entscheidung Werbetreibenden die letzte Hoffnung auf das Fortbestehen von Werbetracking über Mobilgeräte nehmen. (mick, 6.6.2021)