Millionen Türkinnen und Türken verfolgen Sedat Pekers Videos.

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Wenn Sedat Peker spricht, tut er das mit Leidenschaft. Er fuchtelt mit den Armen, er stöhnt, schreit, spricht aber auch konzentriert und präzise. Seit Wochen verfolgen Millionen Türkinnen und Türken seine Videos, mit denen er immer Sonntagfrüh auf Youtube online geht. Peker spricht über die persönliche Bereicherung der führenden Familien aus dem Regierungsclan, über Korruption, kriminelle Machenschaften, Drogengeschäfte, Vergewaltigung und politische Morde.

Dabei ist er zunächst einmal nur ein Krimineller, wenn auch ein sehr schillernder. Der 49-jährige Peker zählt zu den bekanntesten Mafiabossen des Landes, er wurde mehrfach verurteilt, unter anderem wegen Bandenkriminalität und Mordes. Fast zehn Jahre war er in Haft, im Jahr 2014 kam er frei.

Doch wie manch andere Mafiosi auch gibt er sich als Wohltäter und hat als erklärter Panturkist eine große Fangemeinde im rechten, nationalistischen Spektrum. Das hat ihm auch viele Verbindungen in die Politik eingebracht. Unmittelbar nach dem Putschversuch 2016 erklärte er feierlich seine Unterstützung für Präsident Recep Tayyip Erdoğan und dröhnte, er werde "im Blut der Feinde Erdoğans baden".

Er wurde dadurch zu einem Insider, der vor allem die schmutzigen Deals der führenden Kader der regierenden AKP und Freunde Erdoğans mitbekommen hat.

Im November 2019 ging Peker auf den Rat von Innenminister Süleyman Soylu hin ins Ausland. Er solle sich ein wenig zurückziehen, sich unsichtbar machen, dann könne er nach einem Jahr zurückkommen, soll Soylu ihm gesagt haben.

Großrazzia auf Pekers Mafiaorganisationen

Stattdessen ließ der Innenminister im April dieses Jahres eine Großrazzia auf Pekers Mafiaorganisation durchführen und auch die Villa des Paten in Istanbul durchsuchen. Angeblich wurden dabei seine Frau und seine beiden Kinder bedroht. Peker fühlte sich verraten und war außer sich.

Anfang Mai startete er deshalb aus seinem Exil in Dubai eine Videoattacke auf prominente Mitglieder der Regierung und deren Familien. Peker wäscht öffentlich schmutzige Wäsche. Nicht nur Oppositionelle, auch der größte Teil der Wählerschaft Erdoğans hört zu, was Peker zu sagen hat. Die meisten glauben ihm mehr als der Regierung. Das könnte Konsequenzen bei den nächsten Wahlen haben. Nach Meinungsumfragen wollen rund 20 Prozent der bisherigen Erdoğan-Wähler dessen Partei zukünftig nicht mehr wählen. (Jürgen Gottschlich, 4,6,2021)