Seit Mittwoch geimpft und am Freitag frisch getestet. So präsentierten sich Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) und die frischgekürte Geschäftsführerin der Österreich Werbung (ÖW), die aus Deutschland stammende Lisa Weddig, zum Interview. Die ÖW, die zu 75 Prozent vom Bund und zu 25 Prozent von der Wirtschaftskammer Österreich finanziert wird, spielt eine Schlüsselrolle bei der Wiederbelebung des heimischen Tourismus.

STANDARD: Jede zweite Auslandsnächtigung entfällt auf Gäste aus Deutschland, in Summe sind das deutlich mehr, als Österreicher in Normaljahren in Österreich Urlaub machen. Haben Sie deshalb mit Lisa Weddig jemand aus Deutschland zur Chefin der Österreich Werbung gemacht?

Köstinger: Ich wollte die Beste für diesen Job, Lisa Weddig ist diese Person. Noch nie war die Österreich Werbung so wichtig wie heute. Durch die Corona-Pandemie ist kein Stein auf dem anderen geblieben, und wir müssen uns im Tourismus und damit auch in der Tourismuskommunikation und -werbung vollkommen neu aufstellen.

Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) und die neue Chefin der Österreich Werbung, Lisa Weddig (re.)
Regine Hendrich

STANDARD: Und zwar wie?

Köstinger: Ein Teil davon ist es, in unseren wichtigsten Herkunftsmärkten sogenannte Österreich-Häuser zu etablieren, in denen wir Synergien nutzen. Von der ÖW über die Außenhandelsstellen bis hin zu den Botschaften.

STANDARD: Unter dem Dach der Außenhandelsstellen?

Köstinger: Das wird von Land zu Land unterschiedlich sein. Es soll einen One-Stop-Shop im Ausland für die Anliegen der Wirtschaft und des Tourismus geben.

STANDARD:Welches Bild Österreichs wollen Sie in die Welt tragen?

Weddig: Österreich ist eines der schönsten Urlaubsländer der Welt. Das Wichtigste ist, die Sichtbarkeit zu erhöhen. Wir stehen besonders jetzt in intensivem Wettbewerb mit anderen Ländern. Da wollen wir auffallen als Österreich.

STANDARD: Wenn da täglich politisch Unappetitliches nach oben apert, überlagert das das Bild vom schönen Österreich, dass Sie den Gästen schmackhaft machen wollen? Müssen wir uns für unsere Politiker und Politikerinnen genieren?

Köstinger: Ich glaube, das was die Menschen in diesem Land wirklich interessiert ist: wie kommen wir aus der Wirtschaftskrise, wie schaffen wir Beschäftigung, wie bringen wir wieder Gäste nach Österreich. Das ist das, was wirklich zählt. Dem ist auch der große Zuspruch vor allem zum Kanzler und dem Regierungsteam geschuldet. Die Betroffenen sehen, dass wir rund um die Uhr arbeiten. Dass wir eine Priorität in den letzten eineinhalb Jahren hatten, das Land und die Menschen durch diese Krise zu bringen.

STANDARD: Wolfgang Brandstetter hat ja eben entschieden, aus seiner Höchstrichterfunktion zurückzutreten. Ist das jetzt Anstand oder Flucht?

Köstinger: Wolfgang Brandstetter hat meinen höchsten Respekt. Es ist seine persönliche Entscheidung, die er getroffen hat.

STANDARD: Was macht die Politik, um dem Tourismus nach Monaten der Agonie wieder Leben einzuhauchen? Die Unterstützungszahlungen laufen ja mit Ende Juni aus?

Köstinger: Wir haben unterschiedliche Ausgangslagen. Ferienregionen boomen aktuell. Im Städtetourismus wird die Lage noch die nächsten Jahre angespannt bleiben. Wir wollen, sobald es wieder losgeht, zu den Ersten gehören, auch im Bereich der Kongresse und Veranstaltungen.

STANDARD: Und die Österreich Werbung schlägt noch lauter die Werbetrommel, oder gezielter?

Weddig: Ziel ist es, den schnellsten Neubeginn im Tourismus in Europa hinzulegen. Da hat der Bund gute Vorarbeit geleistet mit der Öffnung zum 19. Mai und der Fixierung weiterer Öffnungsschritte – das gab es so klar sonst nirgends in Europa mit den entsprechenden Teststrategien. Die österreichischen Betriebe haben mitgetan, 90 Prozent der Hotels sind geöffnet, in Mallorca beispielsweise sind es nur 40 Prozent. Wir investieren bis in den Herbst hinein 17 Millionen Euro in den Restart von Urlaub in Österreich.

STANDARD: Neid und Missgunst gibt es im Tourismus zuhauf, nicht nur zwischen Bundesländern, sondern oft recht brutal auch in ein und demselben Bezirk. Müssen Sie Mediatoren ausschicken, um die Konflikte zu kalmieren?

Ihre Sehnsucht gelte derzeit der Heimat, sagt Köstinger. Weddig soll selbige den Gästen im Ausland schmackhaft machen.
Regine Hendrich

Köstinger: Wenn man erfolgreich sein will, muss man Egoismen überwinden, das gilt für alle Lebenslagen. Unser Ziel ist professionellste Kommunikation nach außen. Wenn es vor Ort Schwierigkeiten gibt, müssen das die Beteiligten auch vor Ort lösen.

STANDARD: Sie hoffen also, dass der Druck von außen das Kirchturmdenken überwinden hilft?

Köstinger: Es geht nicht mehr und nicht weniger als um das Überleben des österreichischen Tourismus. Wer das heute noch nicht erkannt hat, hat die letzten 15 Monate verschlafen.

STANDARD: Die Österreicher sind patriotisch geblieben, greifen zu heimischen Produkten. Trotzdem weiß man nicht, ob beim Wirt das Schnitzerl aus Österreich kommt.

Köstinger: Wir haben erstmals im Regierungsprogramm eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung vereinbart und wollen an den großen Schrauben drehen. Das sind Fleisch, Milch und Eier in verarbeiteten Produkten. Wenn ein Wirt mariniertes Fleisch einkauft, hat er keine Angabe zu dessen Herkunft. Ich kann nicht beim Dorfwirt beginnen, wenn das große System nicht steht.

STANDARD: Unsere Gastronomen haben aber doch auch die umstrittene Allergenverordnung umgesetzt.

Köstinger: Gerade bei der Allergenkennzeichnung haben wir gesehen, was für ein Schuss ins Knie das war – extrem viel Bürokratie, und wenn wer Allergiker ist, wird er trotzdem immer nachfragen. Solche Kennzeichnungen dürfen niemals zum Selbstzweck verkommen. Eine Herkunftskennzeichnung, die bei den Betrieben und vor allem bei den bäuerlichen Produzenten nicht ankommt, wäre ein Riesenfehler.

STANDARD: Ein Wirtesterben ist aber ausgeblieben.

Köstinger: Wenn man durchs Land fährt, sieht man, dass durch Raucherregelung, Allergenkennzeichnung, Hygieneverordnung und andere Regelungen sehr viele aufgegeben haben.

STANDARD: Aufgeben tun jedenfalls viele Bauern – trotz der Unterstützungszahlungen. Ein Durchschnittsbauer bekommt vielleicht 5000 bis 10.000 Euro im Jahr, die AMA hat 35Millionen zur Verfügung. Fördern wir richtig?

Köstinger findet, insbesonders die Opposition müsse sich fragen, "ob die Politik der dauernden Anzeigen Schaden anrichtet."
Foto: Regine Hendrich

Köstinger: In Österreich fördern wir seit Jahrzehnten zielgerichtet die bäuerlichen Familienbetriebe. Die Tatsache, dass es in Österreich überwiegend kleinstrukturierte Familienbetriebe gibt, zeigt, dass das nicht so schlecht funktioniert. Wir haben das größte Umweltprogramm, wo wir seit langem auf ökologische Mehrleistungen abstellen. Die EU diskutiert erst jetzt das neue Ökoschema.

STANDARD: Apropos EU. Müssen Sie Imagepolitur betreiben angesichts des Umgangs mit der Pandemie in Tirol? Stichwort Ischgl.

Weddig: Wichtig ist, dass wir Vertrauen aufbauen konnten, dass man in Österreich sicher Urlaub machen kann. Das haben wir im vergangenen Sommer exzellent geschafft.

STANDARD: Stichwort Image: Sie haben den Bundeskanzler vehement verteidigt und gesagt, dass Sebastian Kurz auch im Fall einer Anklage wegen möglicher Falschaussage im Ibiza-U-Ausschuss Bundeskanzler bleiben kann und bleiben soll. Warum? Zumindest in Deutschland, dem wichtigsten Herkunftsmarkt im Tourismus, hat das für Irritationen gesorgt.

Köstinger: Ich kann mir nicht vorstellen, dass man in Österreich für etwas verurteilt wird, was man nicht getan hat. Insbesondere die Opposition muss sich fragen, ob die Politik der dauernden Anzeigen Schaden anrichtet.

STANDARD: Die Gäste werden trotzdem kommen? Wie soll Reisen im Sommer überhaupt funktionieren?

Köstinger: Wir bemühen uns, die Reisefreiheit wiederherzustellen. Wir werden Mitte Juni die Einreiseverordnung auf jene des Robert-Koch-Instituts (RKI) umstellen. Hier wird ein qualitatives Bewertungssystem angewandt, das bei einer Reisewarnung nicht mehr nur auf Inzidenzzahlen abstellt. Damit wird aktuell die Einreise nach Deutschland aus 110 Ländern ohne Quarantäne ermöglicht. Dasselbe übernehmen wir in Österreich. Damit sind auch Ankünfte aus den USA und den Emiraten wieder möglich.

STANDARD: Darf man als Tourismusministerin Urlaub im Ausland machen, oder traut man sich das wegen der möglicherweise negativen Reaktion im Inland nicht?

Köstinger: Meine Sehnsucht aktuell gilt — nach vielen Monaten in Wien im Büro – der Heimat.

STANDARD: Zu Österreich gehört ja auch die Löwinger-Bühne. Sie ist vor einigen Jahren wieder belebt worden – unter anderen unter der Mitwirkung von Löwinger-Nachfahren. Hat sich bei Ihnen jemand beschwert, als Sie den U-Ausschuss mit der Löwinger-Bühne verglichen haben? Das war ja immerhin ein heiteres Volkstheater.

Köstinger: Mir ist nichts bekannt. (Regina Bruckner, Günther Strobl, 5.6.2021)