Die Rohstoffkosten schießen auf dem Bau in die Höhe, der Markt ist Experten zufolge total überhitzt.

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Die Erzählungen klingen, als würde es um die Wall Street gehen. "Das sind Panikkäufe." "Der Markt ist total überhitzt." "Wir haben Angst, dass uns die Decke auf den Kopf fällt und die Preise wieder abstürzen." Tatsächlich stammen diese Sätze aber nicht von Tradern an der New Yorker Börse, sondern von Managern österreichischer Bauunternehmen, von Sägewerkbetreibern in Vorarlberg, Rohstoffhändlern in der Steiermark und Architekten in Wien.

Dieses Wording ist kein Zufall. Die heimischen Baupreise gehen in zahlreichen Segmenten durch die Decke. Vor allem das Tempo überrascht viele, und nicht immer sind rationale Kräfte am Werk. Aber wie ist es zu dieser Entwicklung gekommen, warum klingen Gespräche über den Baumarkt heute so, als würde es um Finanzmärkte gehen?

Die Preistreiber selbst sind schnell ausfindig gemacht. Die Kosten für die Errichtung eines Wohnhauses sind im Vergleich zum vergangenen Jahr laut Statistik Austria im Schnitt um 7,5 Prozent gestiegen. Einen ähnlichen Preissprung gab es zuletzt vor 13 Jahren, im September 2008, die Entwicklung verdient also das Prädikat ziemlich einmalig. Und nicht nur die Kosten im Wohnbau legten zu, auch im Brücken- und Straßenbau gibt es Preisausschläge.

Preisanstieg über das Wochenende

Ins Gewicht fällt vor allem die Entwicklung bei Stahl und Holz. Der Preis für Bewehrungsstahl, mit dem Stahlbeton für Wohnhäuser und Bürogebäude hergestellt wird, hat sich innerhalb eines halben Jahres etwa verdoppelt. Bei Holz ist die Tendenz ähnlich. Ein Meter unbearbeitetes Sägerundholz von der Fichte oder Tanne kostet mehr als 90 Euro. Das ist um ein Drittel mehr als vor einem Jahr. Auch bei Dämmstoffen und Aluminium gibt es Aufschläge.

Die Folgen für die Baustellen sind vielfältig. Architekten erzählen, dass es keine Preissicherheit mehr gibt. Wer bei einem Auftrag früher ein Anbot erhielt, das für ein halbes Jahr gültig war, hat heute Glück, wenn es ein paar Wochen hält, erzählt Andrea, Baumanagerin in einem Wiener Architekturbüro.

Sie lässt derzeit einen Edelstahlpool für den Wellnessbereich eines Salzburger Hotels errichten. Baubeginn ist im kommenden Sommer, das Preisangebot des Herstellers gilt aktuell nur für einen Monat. Es geht noch schlimmer, erzählt die Baumanagerin. Ein Zimmerer, der eine Vollholzdecke errichten sollte, habe ihr berichtet, dass er am Freitag von seinem Holzlieferanten ein Anbot erhalten habe, das dieser schon Montag zurückgenommen hat. Der Holzpreis war übers Wochenende stark gestiegen.

Viele Geschichten kursieren

Unzählige solcher Anekdoten kursieren derzeit. Und es geht nicht nur um Preise. Während Stahl ausreichend verfügbar ist und nur teurer wird, berichten Bauunternehmen bei Holz von mehrwöchigen Lieferverzögerungen. "Verspätungen von zwei bis drei Monaten kommen vor", sagt Hubert Wetschnig, Chef von Habau, einem der größten Bauunternehmen Österreichs.

Aber warum der Run auf die Materialien? Es ist so etwas wie der perfekte Sturm, der zusammengekommen ist. Im Inland ist die Auftragslage gut, es wird viel gebaut. Wer in den Außenbezirken Wiens unterwegs ist, sieht in fast jedem Viertel ein Großprojekt entstehen. "Die Nachfrage ist so gut, dass wir manche Aufträge nicht bedienen können", sagt Habau-Chef Wetschnig. Auch bei Privatkunden ist der Boom spürbar, sagt Andrea aus dem Architekturbüro. Die Pandemie nutzen viele Hausbesitzer dazu, ihr Eigenheim zu renovieren.

Eine der Großbaustellen in Wien
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Aber auch Unternehmen bauen wie wild, was mit der Investitionsprämie zusammenhängen dürfte. Mit fünf Milliarden Euro fördert die türkis-grüne Regierung Unternehmerinvestitionen, der Staat übernimmt sieben bis 14 Prozent der Ausgaben. Das hat den Bauboom befeuert, heißt es in der Branche.

Das mit der hohen Nachfrage in Österreich ist aber nur ein Teil der Geschichte. Bei jedem Material kommen noch Besonderheiten dazu. Wer sie kennen will, muss dem Weg des Rohstoffs folgen.

Der Stahl für die Betonwände von Habau stammt zu einem guten Teil von der Marienhütte GmbH in Graz. Die Firma kauft Stahlschrott von der Recyclingindustrie, schmilzt diesen ein und erzeugt daraus die Eisenstangen für die Betonwände auf dem Bau. Schon auf ihrer Website schreibt die Marienhütte, dass die Schrottpreise wieder gestiegen sind. Deshalb werden die Eisenstangen teurer. Aber was treibt die Preise?

Diese Frage führt zur Recyclingindustrie, zu Firmen wie Schrott Waltner in Graz. Dieser Betrieb kauft industriellen Abfall, zerlegt ihn und verkauft den Stahlschrott, unter anderem an die Marienhütte.

Zerlegt wird der gleiche Industriemüll wie immer, nur ist dieser auf einmal international viel begehrter, erzählt Philipp Gressenberger, Geschäftsleiter bei Schrott Waltner.

Internationales Geschäft

Der Schrottmarkt ist international, die Recyclingindustrie verkauft dorthin, wo der beste Preis angeboten wird. Die Türkei ist einer der weltweit größten Schrottimporteure, dort werden die Weltmarktpreise wesentlich mitgestaltet. Aktuell kauft das Land viel ein, die Nachfrage der Industrie ist hoch. Dadurch steigen die Preise. Die hohe Nachfrage nach Schrott sei aber nicht nur der guten Auftragslage geschuldet, sagt Gressenberger. "Hier finden auch Panikkäufe statt."

Im Frühjahr 2020 stand die Industrie wegen der Pandemie still, es gab Lieferengpässe. Damit das nicht noch einmal vorkommt, haben viele Unternehmen mehr Stahl bestellt, als sie benötigen, so der Geschäftsleiter. Daher werde auch so viel Schrott gebraucht.

Die vielen Bestellungen hätten dazu geführt, dass manche Unternehmen sich erst recht auf Vorrat eindecken, um nicht leer auszugehen oder weil sie glauben, die Preise werden weiter steigen. Das Ganze hat auch etwas von einer Preisblase inklusive eines spekulativen Elements. "Wir sind schon in Preishöhen unterwegs, wo wir uns Sorgen machen", sagt Gressenberger von Schrott Waltner. Irgendwann kommt die Preiskorrektur. "Die Frage ist nur: Wer bricht als Erstes zusammen? Wer hat teuer eingekauft und kann nicht mehr verkaufen?"

Holz boomt

Bei Holz ist die Geschichte ähnlich komplex, wie Wolfgang Holzer erzählt, der für die Österreichischen Bundesforste den Verkauf abwickelt. In den vergangenen Jahren gab es aufgrund des Borkenkäfers einen hohen Schadholzanteil, der aus dem Wald geschafft und an die Sägeindustrie verkauft wurde. Dieses Holz ist nun weg. Dazu kommt, dass aufgrund des langen Winters der Baumschlag erst jetzt in Fahrt kommt.

Der Holznachschub ist also etwas knapper geworden. Parallel ist nicht nur die nationale, sondern auch die internationale Nachfrage stark. Österreich exportiert viel Schnittholz, vor allem nach Deutschland und Italien. Die Mengen sind zwar 2020 etwas gesunken, das Exportvolumen ist aber um zehn Prozent höher als noch im Jahr 2015.

Hamsterkäufe am Holzmarkt

Hinzu kommt, dass auch am Holzmarkt Hamsterkäufe stattfinden. Die Bauwirtschaft war es gewohnt, keine Lager haben zu müssen, weil Holz sehr schnell geliefert wurde, erzählt Holzer von den Bundesforsten. Weil es einige Lieferverzögerungen gab, wollen jetzt alle die Lager auffüllen. Auch hier wird also mehr gekauft, als akut benötigt wird, viele dürften versuchen, sich einzudecken, bevor die Preise weiter anziehen. Das treibt die Preise.

Hohe Nachfrage, befeuert durch staatliche Hilfsprogramme, Nachzieheffekte wegen der Pandemie, spekulative Elemente: Das sind einige der Zutaten für die Preissprünge.

Für die Kunden führt die Entwicklung dazu, dass ihre Verhandlungsmacht gesunken ist, erzählt Baumanagerin Andrea. Spielraum bei der Preisgestaltung gibt es kaum. Wem das nicht gefällt, für den gibt es wohl nur eine Alternative: später bauen. (András Szigetvari, 5.6.2021)