Werner Kogler und Sebastian Kurz bei einer Pressekonferenz letzte Woche.

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Es hat eine Weile gedauert, bis Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) klare Worte fand, wie es mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) weitergehen solle, wenn sich die Verdachtslage gegen ihn erhärtet, nun legte er sich fest: Die Grenze ist das Urteil.

Noch vor drei Wochen sagte er im Interview mit dem STANDARD auf die Frage, ob ein verurteilter Kanzler im Amt bleiben könne. Kogler damals: "Ich will zum jetzigen Zeitpunkt nicht die eine Schlagzeile produzieren. Natürlich gibt es Grenzen der Amtsfähigkeit und des politischen Vertrauens der Bevölkerung. Das wird schrittweise zu bewerten sein."

Nun ist Kogler offenbar bereit für die Schlagzeile: Im Interview mit Ö1 sagt er auf mehrmalige Nachfrage: "Also ein verurteilter Bundeskanzler ist eigentlich tatsächlich nicht vorstellbar." Was einen Strafantrag angeht, so bleibt Kogler weiter vage: Die Justiz habe nun erst einmal den Auftrag, ihre Arbeit zu machen, dann werde man "sehen, ob es zu einem Strafantrag kommt oder nicht".

Zurückhaltung beim Regierungspartner

Auch andere Grüne Regierungsmitglieder waren zuletzt eher wortkarg, wenn sie zu einem etwaigen Rücktritt des Kanzlers befragt wurden. So meinte etwa Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein, Parteikollegin und Justizministerin Alma Zadić sei doch ein "Garant, dass nix daschlogn wird".

Gegen den Bundeskanzler wird momentan ermittelt, weil er Ibiza-U-Ausschuss nur allgemein und ausweichend auf Fragen einging, es geht um den Verdacht der Falschaussage. Eine Anklage bzw. ein Strafantrag stehen bislang aber aus. Der Kanzler betont, dass er mit dem Vorsatz zum U-Ausschuss gekommen sei, die Wahrheit zu sagen.

Attacken der ÖVP auf Justiz und Parlament

Angesprochen auf die Attacken des großen Koalitionspartner auf die Justiz und auch das Parlament fielen Kogler Antworten ein wenig zurückhaltender aus. Ja, es gebe Zurufe und Querschüsse, die müsse man freilich zurückweisen, so der Vizekanzler, doch was zähle, sei das Ergebnis: "Das unabhängig ermittelt wird und das geschieht". Mit Zadić habe man eine Justizministerin, die "genau dafür sorgt, dass sich jemand mit vollem Elan vor die unabhängige Justiz stellt".

Kogler spricht in dem Zusammenhang von "seltsamen Verhaltensweisen der ÖVP", und davon, dass Pauschalurteile gefällt werden würden: "Das geht dar nicht". Aber: Kogler geht davon aus, dass "die ÖVP sich das wider abgewöhnen wird".

Kritik an den Aussagen Koglers folgte prompt von der SPÖ: "Seit die Grünen in der Koalition mit den Türkisen sind, haben sie nicht viel weitergebracht, waren aber stets bereit, die türkisen Fehltritte zu verteidigen", kritisiert SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch in einer Aussendung. Koglers Aussagen seien halbherzig: "Ich kann daran nicht erkennen, dass die Grünen die ehrliche Absicht haben, sich schützend vor die Justiz zu stellen." Die FPÖ hingegen ortet eine grüne Mauer, die Grünen würden nach Ansicht des blauen Klubobmanns Herbert Kick "auch weiterhin die täglichen Angriffe der Kurz-ÖVP auf den Rechtsstaat widerstandslos zur Kenntnis nehmen".

Jüngste Vorfälle

Die Liste der Attacken der ÖVP gegen die Justiz und die Opposition wird derweil immer länger: Erst am Freitag kam es zu einem heftigen Schlagabtausch zwischen Neos und ÖVP-Fraktionschef Andreas Hanger. Nachdem die Neos zugegeben haben, die vertraulichen Ausschussdokumente zu den Chats des suspendierten Justizsektionschef Christian Pilnacek mit Verfassungsrichter Wolfgang Brandstetter an Medien weitergegeben zu haben, warf Hanger ihnen "hinterhältige Politik" vor.

Außerdem unterstellte Hanger dem Journalisten Florian Klenk, er würde zusammen mit Ermittlern der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft in Unterlagen des U-Ausschusses schmökern. Jener Tweet Klenks, auf den Hanger sich damit bezieht, erweckt aber vielmehr den Eindruck, Klenk würde sich mit Unterlagen befassen, deren Gegenstand die Ermittler sind. Klenk spricht von einem "fiesen" Vorgehen, in dem "Erfundenes" verbreitet werden würde.

Kürzlich wurden darüber hinaus Chats bekannt, in denen sich Wolfgang Brandstetter, der von der ÖVP als Richter am Verfassungsgerichtshof nominiert wurde, mit Ex-Sektionsleiter Christian Pilnacek äußerst geringschätzig über das Höchstgericht und seine Organe äußert, Brandstetter legte daraufhin sein Amt zurück. (elas, etom, 5.6.2021)