Sektionschef Christian Pilnacek ärgerte sich über einen Staatsanwalt, der die WKStA auf nicht vorgelegte E-Mails von Pilnacek hinwies

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Was geschah innerhalb der Justiz nach dem Auftauchen des Ibiza-Videos? Diese Frage ist eines der Kernthemen des Untersuchungsausschusses. Dieser soll die Vorgänge anhand von Akten, E-Mails und Befragungen rekonstruieren soll. Auskunftspersonen dazu waren etwa Sektionschef Christian Pilnacek und Hans Fuchs, Leiter der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien.

Bei den Fragen der Abgeordneten im U-Ausschuss stellte sich bei einem ehemaligen Kabinettsmitarbeiter von Justizminister Josef Moser (von ÖVP nominiert) allerdings ein merkwürdiges Gefühl ein: Warum erwähnten die Abgeordneten jene E-Mails nicht, in denen Pilnacek ausrichtete, der Minister wünsche "keine aktive Rolle" der WKStA? Und warum widersprach niemand Pilnacek, als er angab, nicht vorab von der Hausdurchsuchung bei Öbag-Chef Thomas Schmid erfahren zu haben?

Nach der Veröffentlichung der Befragungsprotokolle von Pilnacek und Fuchs auf der Parlamentswebsite lieferte der einstige Kabinettsmitarbeiter, der nun wieder als Staatsanwalt tätig ist, diese Informationen an die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Die informierte wiederum die Staatsanwaltschaft (StA) Innsbruck, wo Ermittlungen gegen Pilnacek und Fuchs aufgenommen wurden.

"Ah... du verlässt die Justiz"

Chats aus dem Smartphone von Christian Pilnacek, die von der StA Innsbruck ausgewertet und an den U-Ausschuss geliefert wurden, zeigen nun, wie groß der Druck auf den Hinweisgeber aus der Justiz ist. Er ist beruflich ein alter Bekannter von Fuchs; man kennt einander aus der StA Eisenstadt, die Fuchs einst geleitet hatte; heute arbeitet der Hinweisgeber wieder dort. Fuchs soll sich einst bei einer Bewerbung für eine höhere Stelle gegen ihn ausgesprochen haben.

Rasch wurde justizintern bekannt, dass er Daten an die WKStA übermittelt hatte – er hatte dies auch unter seinem Klarnamen und als Beamter getan. Eine Vorgesetzte habe den Hinweisgeber gefragt, "ob er sich da richtig fühlt und nicht allenfalls das Gericht besser wäre", schreibt Fuchs an Pilnacek. Ein Kollege aus der Oberstaatsanwaltschaft Wien rief in Eisenstadt an und meinte: "Ah… du verlässt die Justiz". Diesen Anruf fand er "genial", kommentierte Fuchs. "So ein Depp", schrieb Pilnacek über den Hinweisgeber. Und: Ob dieser zur WKStA wolle, denn "das würde ich denen vergönnen". Mit dem "echten Blitzgneißer" wären die "Fantafour wieder komplett", kommentierte Pilnacek mit Blick auf jene vier Ermittler, die sich vor allem um die Causa Ibiza kümmern.

"A-Loch" Josef Moser

Schon vor der Weitergabe der nicht vorgelegten E-Mails war der Staatsanwalt dem Sektionschef ein Dorn im Auge gewesen. So warnte Pilnacek eine Ministeriumsmitarbeiterin vor dem Kabinettsmitarbeiter, weil dieser angeblich mit einem Oberstaatsanwalt der WKStA befreundet sei. Doch der Minister "erzählt ihm immer alles", antwortete diese.

Nach dem Auftauchen der E-Mails, über die STANDARD, ORF und Profil berichtet hatten, distanzierte sich der ehemalige Justizminister Moser von deren Inhalt. Er habe nicht vorgeschlagen, der WKStA "keine aktive Rolle" zukommen zu lassen, wie von Pilnacek ausgerichtet, sagte Moser. Dieser sei ein "A-Loch", schrieb der Sektionschef daraufhin an Fuchs. Öffentlich hieß es, die E-Mails hätten sich nicht auf die Ermittlungen, sondern nur auf die Medienarbeit bezogen. Dort sollte die OStA Wien federführend kommunizieren, die WKStA eben nicht aktiv. Dass Fuchs die Information über eine bevorstehende Hausdurchsuchung bei Öbag-Chef Thomas Schmid telefonisch an Pilnacek weitergab, habe dieser im U-Ausschuss vergessen, hieß es aus seinem Umfeld.

"Knackwatsche"

Die diesbezüglichen Ermittlungen wollte die StA Innsbruck offenbar rasch einstellen; eine "Knackwatsche für die WKStA", schrieb Pilnacek dazu. Monatelang wurde die Angelegenheit im Justizministerium geprüft. Laut einer parlamentarischen Anfragebeantwortung wurde gegen einen Beschuldigten eingestellt – vermutlich Fuchs; gegen einen anderen – vermutlich Pilnacek – wird per Weisung weiterermittelt. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Gegen Pilnacek sind noch weitere Verfahren anhängig: Er wird verdächtigt, Ex-Minister Wolfgang Brandstetter vorab Informationen über eine Hausdurchsuchung bei dessen Mandanten Michael Tojner verraten zu haben. Die Vorwürfe werden bestritten. Pilnacek hat sich am Wochenende für eine "unverzeihlichen" Chatnachrichten, über die er "entsetzt" war, entschuldigt. Der Sektionschef wurde wegen dieser Vorwürfe suspendiert; dagegen ist er rechtlich vorgegangen. Eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in der Angelegenheit ist zu Beginn dieser Woche zu erwarten, das Ministerium prüft wegen der Chats allerdings eine weitere Suspendierung, sollte Pilnacek Recht bekommen. (Fabian Schmid, 6.6.2021)