Klar, Flaschen auf Polizisten zu werfen ist kein Kavaliersdelikt. Doch es ist schon verwunderlich, dass nach einer Partynacht auf dem Wiener Karlsplatz prompt die Rede von organisierten Linksextremen ist, während in Monaten des offen zur Schau gestellten Antisemitismus auf Corona-Demos nur selten von Rechtsextremismus die Rede war.

Junge Menschen feiern nach fast eineinhalb Jahren Einschränkungen gemeinsam am Karlsplatz.
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Aber lassen wir das Gegeneinander-Abwiegen von einzelnen Gruppen oder Polizeieinsätzen. Betrachten wir die Szenerie an sich: Da sind junge Menschen und feiern. So weit, so gut. Es gibt zwar Obergrenzen, doch keine nächtlichen Ausgangsbeschränkungen. Ergo: Jeder Mensch ist frei in seiner Entscheidung, die Nacht zum Tag zu machen, solange daraus keine Großveranstaltung wird. Wenn im Lauf der Nacht Corona-Maßnahmen außer Acht gelassen werden, dann ist die Lage freilich problematisch. Aber: Das Problem ist nicht, dass das im öffentlichen Raum passiert, sondern es ist ein Resultat fehlender Aufklärung, von Unwillen oder von Überdrüssigkeit. Es geht darum, dem entgegenzuarbeiten, und nicht darum, den Ort, an dem das passiert, zu sperren.

Im Gegenteil: Gebt den Jungen mehr Raum! Sicheren Raum, an dem Platz ist, an dem kein Konsumzwang herrscht.

Das ist nicht nur Aufgabe der Polizei, das ist auch Aufgabe der Stadt und der Gesellschaft. Das sind wir alle ihnen nach fast eineinhalb Jahren härtester Einschränkungen schuldig. (Gabriele Scherndl, 6.6.2021)