Bild nicht mehr verfügbar.

Reiner Haseloff bei der Stimmabgabe am Sonntag. Er wird wohl Ministerpräsident bleiben.

Foto: Reuters/Mang

"Dr. Reiner Haseloff ist der Richtige in schwierigen Zeiten" – mit diesem Wahlaufruf warb die CDU in Sachsen-Anhalt noch am Wahlsonntag auf Twitter. Vielleicht brachte auch das noch etwas.

2016 hatte die CDU mit ihrem Ministerpräsidenten Haseloff in dem 2,1-Millionen-Einwohner-Land westlich von Berlin 29,8 Prozent der Stimmen erreicht, diesmal wurden es 37,1 Prozent. "Ein klares Profil der Mitte, das war ausschlaggebend", lobte Paul Ziemiak, Generalsekretär der Bundes-CDU, sofort nach dem Schließen der Wahllokale.

Wahlsieger Haseloff war selbst angesichts des Erfolgs verblüfft: "Es ist in dieser Deutlichkeit von mir nicht erwartet worden." Seine Erklärung für den deutlichen Wahlsieg: "CDU und CSU sind geschlossener aufgetreten. Das ist die Botschaft nach Berlin: Nur gemeinsam können wir gewinnen." Der 67-Jährige, der nun in seine dritte Amtszeit geht, erinnerte damit an jene Wochen, in denen CDU-Chef Laschet und CSU-Chef Markus Söder um die Kanzlerkandidatur gekämpft hatten. Haseloff hatte sich damals Söder gewünscht, aber Laschet bekommen.

AfD auf dem zweiten Platz

Mit ihrem Sieg entschied die CDU am Sonntag in Sachsen-Anhalt auch den Zweikampf mit der AfD für sich. Diese hatte vor fünf Jahren mit 24,3 Prozent eines ihrer besten Ergebnisse in einem deutschen Bundesland eingefahren. Stärker war sie danach nur noch einmal, nämlich 2017 bei der Landtagswahl in Sachsen mit 27,5 Prozent. Nun jedoch kam sie auf 20,8 Prozent. Größter Verlierer in Sachsen-Anhalt ist die Linke, die auf 11,0 Prozent rutschte, ihr schlechtestes Ergebnis in dem Bundesland seit der deutschen Einheit – 2016 waren es noch 16,3. Nach ihr folgen die SPD mit 8,4 Prozent, die FDP mit 6,4 Prozent und die Grünen mit 5,9 Prozent.

Vor der Wahl in Sachsen-Anhalt hatte die AfD die CDU in einer Umfrage bereits überholt, was nicht nur bei der Landes-CDU in Magdeburg, sondern auch bei der Bundes-CDU in Berlin zu höchster Besorgnis geführt hatte. Kurz vor der Wahl zog die CDU wieder auf Platz eins, die AfD lag allerdings nur vier Punkte dahinter, was die Nervosität bei der CDU nicht unbedingt verschwinden ließ.

CDU-Chef Armin Laschet war daraufhin noch einmal klar und deutlich auf Distanz zur AfD gegangen, die in Sachsen-Anhalt vom Verfassungsschutz beobachtet wird und als besonders radikal gilt.

Laschets Brandmauer

Nie und nimmer werde man mit der AfD koalieren, verkündete er und betonte: "Mehr Brandmauer geht nicht!" Doch in der Sachsen-Anhalt-CDU gibt es durchaus Kräfte, die bereit sind, auf die AfD zuzugehen. Die beiden Fraktionsvizes Ulrich Thomas und Lars-Jörn Zimmer fordern in einem Analysepapier: "Es muss wieder gelingen, das Soziale mit dem Nationalen zu versöhnen."

Fest steht: Der seit zehn Jahren regierende Haseloff hat nun mehrere Regierungsoptionen. Er könnte erneut eine schwarz-rot-grüne Kenia-Koalition bilden, aber auch eine Deutschland-Koalition aus CDU, SPD und FDP oder ein Jamaika-Bündnis aus CDU, Grünen und FDP. Möglich wäre laut Forschungsgruppe Wahlen für das ZDF auch ganz knapp ein schwarz-rotes Zweierbündnis. Haseloff, der nun auf seine dritte Wahlperiode zusteuert, ließ nach der Wahl keine Präferenzen erkennen. Entscheidend sei, was für das Land gut sei: "Wir sind nicht gut beraten, uns irgendwie instrumentalisieren zu lassen von Bundesthemen oder einer Bundestagswahl."

Auf die Frage nach einer mit hauchdünner Mehrheit auch möglichen Koalition aus CDU und SPD sagte Haseloff am Montag in der ARD, man müsse genau überlegen, was gut sei und stabil halte. "Die Entscheidungen werden im Land gefällt. (...) Wir wollen keine Wackelpartie." Die CDU habe auch Stimmen aus anderen politischen Lagern erhalten. Die Wählerinnen und Wähler hätten jetzt die Erwartung, dass es Stabilität gebe – "eine starke, starke mittlere und in der Mitte verankerte Regierung". Deswegen sei es gut, wenn die CDU auf diese Konstellation setze. "Wir werden Angebote in all die Richtungen machen, die sich für uns demokratisch anbieten. Dann werden wir schauen, wo die größten Schnittmengen sind, und werden dann eigenverantwortlich im Lande entscheiden, wie eine Koalition aussehen könnte."

Regiert hat Ministerpräsident Haseloff in den vergangenen fünf Jahren in einer Kenia-Koalition – einem Bündnis aus CDU, SPD und Grünen, entsprechend den Farben auf der kenianischen Flagge.

Grüne in Regierung

Ausgesucht hat sich Haseloff diese Konstellation nicht. Doch nach der Wahl 2016 hatten CDU und SPD, erstmals in einem deutschen Landtag, keine Mehrheit aus eigener Kraft mehr. Haseloff musste, um die AfD und die Linken aus der Regierung draußen zu halten, noch die Grünen mit ins Boot holen.

Die Zusammenarbeit der Parteien war nicht immer einfach, gab aber den Grünen die Chance, sich als verantwortungsvolle Partei zu geben – gemäß dem Motto: Wenn CDU und SPD uns nicht hätten, gäbe es keine Regierung mehr im Land.

Nun bei der Wahl ereilte die Grünen wieder einmal jenes Schicksal, das sie schon von vielen Landtagswahlen kennen. Sie legten zwar zu, aber nicht so stark, wie die Umfragen es vorausgesagt hatten.

2016 schafften sie mit 5,2 Prozent gerade den Einzug in den Landtag und reisten gleich weiter in die Regierung. In Umfragen vor dieser Wahl war ihnen eine Verdoppelung vorhergesagt worden. Doch so viel fuhren sie dann bei weitem nicht ein, es wurden nach ersten Hochrechnungen nur rund sechs Prozent.

Im Osten haben es die Grünen traditionell schwerer als im Westen, in Sachsen-Anhalt gibt es noch dazu kaum größere Städte. "Landtagswahlen sind immer sehr landesspezifisch. Bei der Bundestagswahl geht es um etwas anderes: um die Erneuerung des Landes nach der Pandemie", sagte die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock. Sie räumte aber auch ein, dass die Grünen im Osten den Fuß nicht wirklich auf den Boden bekommen: "Klar ist, wir haben im Süden, Westen und Norden stärkere Hochburgen."

Enttäuscht ist auch die SPD. Sie sackte vom schwachen Ergebnis von 2016 (10,6 Prozent) auf acht Prozent ab. "Die Landesthemen haben im Vordergrund gestanden", betonte Norbert Walter-Borjans, der Chef der Bundes-SPD.

Auch die Linken haben verloren, sie sanken von 16,3 auf rund elf Prozent. Die FDP hingegen freut sich nach zehn Jahren über den Wiedereinzug in den Landtag. Parteichef Christian Lindner sieht darin ein "Signal" für die Bundestagswahl.

Mit versteinerter Miene mussten die AfD-Granden Alexander Gauland und Björn Höcke ein ernüchterndes Ergebnis zur Kenntnis nehmen. (Birgit Baumann, 6.6.2021)