Die Gefahr, dass Firmen ganz in Steueroasen abwandern, besteht im Zuge der Einführung eines Mindeststeuersatzes.

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Wien – Der Präsident des Instituts für Weltwirtschaft, Gabriel Felbermayr, bezeichnet die Einigung der G7 auf globale Mindestsätze bei Unternehmenssteuern von 15 Prozent als historisch. Sofern die Vorschläge nicht verwässert werden, werde dem "Unterbietungswettbewerb" ein Riegel vorgeschoben, sagte Felbermayr am Sonntag dem STANDARD.

Die Details der Einigung, die im Juli dem kritischen Blick der G-20, also den wichtigsten Industrie- und Schwellenländern, standhalten muss, werden von Ökonomen durchaus als herausfordernd beschrieben. Mit mindestens 15 Prozent besteuert werden sollen nicht die Umsätze, die Amazon beispielsweise in einem europäischen Land macht – das würde das Steuersystem auf den Kopf stellen. "Das System sieht eine andere Verteilung der Erlöse aus der Gewinnbesteuerung vor", sagt Felbermayr.

Wo die Konsumenten sind

Das Paket bestehe aus zwei Säulen: der Mindeststeuer und der neuen Verteilung von Steuereinnahmen nach dem sogenannten Marktprinzip.

Gemäß Marktprinzip sollen die Erträge der Unternehmenssteuer zumindest teilweise dorthin fließen, wo die Konsumenten sind, nicht wie derzeit an das Produktionsland. "Eine solche Umstellung bevorzugt Länder, die mehr konsumieren als sie produzieren, also Nettoimporteure wie die USA, und sie benachteiligt Länder, bei denen das Gegenteil gilt, wie zum Beispiel Deutschland", führt der designierte Leiter des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo aus.

Aufzwingen kann man Irland und anderen Niedrigsteuerländern die Mindeststeuer nicht. Aber der Druck, die Unternehmenssteuern zu erhöhen, steige, sagt der designierte Wifo-Chef Gabriel Felbermayr.
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Darüber hinaus sei zu unterscheiden zwischen Ländern wie Deutschland, die vor allem Güter exportieren und Dienstleistungen importieren, und Ländern wie den USA, in denen es andersrum läuft. "Die Profitabilität im Dienstleistungssektor ist viel höher als in der klassischen Industrie, man denke an Google versus Volkswagen."

Auch Nettoexporteure profitieren

Profitieren könnten Nettoexporteure wie Deutschland oder Österreich von der Verschiebung von Besteuerungsrechten trotzdem, ist Felbermayr überzeugt. Wohl blieben beide zwar auch unter einem Mindeststeuerregime Höchststeuerländer, aber der Abstand zu den Niedrigsteuerländern würde kleiner. "Das sollte den Druck, Steuern aus standortpolitischen Gründen abzusenken, ebenso verkleinern wie den Vorteil, Unternehmen zu verlagern. "Es gäbe dann eine Chance, dass echte Investitionen in die Standortqualität wichtiger würden als das einfache Absenken von Steuern", sagt der künftige Wifo-Chef.

Das Finanzministerium in Wien erwartet aus der Mindeststeuer mindestens drei Milliarden Euro an Mehreinnahmen für den Fiskus.

Der Teufel steckt im Detail

Aber noch sind viele Fragen offen, und der Teufel steckt im Detail. Für welche Unternehmen gelten die neuen Regeln? Wie verhindert man Doppelbesteuerung? Wie erfolgt das Apportionment, also die Zuteilung von Besteuerungsrechten, genau und auf Basis welcher Bemessungsgrundlagen? "Ein statutarischer Steuersatz von 15 Prozent kann ganz schnell zur Farce werden, wenn man die Bemessungsgrundlage durch Dinge wie Patentboxen sehr klein rechnen kann", warnt Volkswirt Felbermayr.

Auslandsgewinne

Wie werden Niedrigsteuerländer wie Irland oder Luxemburg reagieren? "Aufzwingen kann man die Mindeststeuer Irland natürlich nicht", sagt Felbermayr. Aber hier gehe es vor allem um die Besteuerung der Auslandsgewinne von Tochterunternehmen. Diese dürften im Sitzland der Konzernmutter zusätzlich besteuert werden, bis die gesamte Steuerlast dem Mindeststeuersatz entspricht ("income inclusion rule").

Hinzu kommen Regeln, die es einem Staat erlauben, Töchter im Inland stärker zu besteuern, wenn die Mutter in einer Steueroase sitzt ("tax on base-eroding payments"). "Es läge dann im Interesse Irlands, die Steuer von 12,5 Prozent auf 15 Prozent anzuheben." (Luise Ungerboeck, 7.6.2021)