An einen blauen Montag war für die freiheitlichen Granden zu Wochenbeginn nicht zu denken: Schon ab 8 Uhr beriet man in der Bundesgeschäftsstelle in der Wiener Innenstadt wegen des raschen Abgangs von Norbert Hofer als FPÖ-Chef, ob tatsächlich Klubchef Herbert Kickl mit seinem rabiaten Oppositionskurs den Parteivorsitz übernehmen soll.

Bei ihrem Eintreffen in aller Herrgottsfrüh ließen immer noch zwei Länderchefs ihre Skepsis durchklingen. Der Oberösterreicher Manfred Haimbuchner, der nach dem Sommer zu Hause als Vizelandeshauptmann Wahlen zu schlagen hat und dort mit der ÖVP koaliert, erklärte zu den anstehenden Beratungen kurz und knapp: "Ich werde eine bestimmte Meinung äußern."

Guter Mann, aber ...

Ebenfalls als Anhänger eines gemäßigteren FPÖ-Kurses, der Regierungsoptionen ermöglicht, gilt der Steirer Mario Kunasek. Er lobte den übernahmewilligen Kickl zwar als "guten Mann", erklärte aber im selben Atemzug: Es gebe "auch andere Optionen". Dann verschlossen sich für lange Stunden die Türen.

Kurz vor Mittag, konkret um 11.30 Uhr, berichtete die "Krone", Hofer, mittlerweile Altparteichef und zuvor wochenlang von Kickl selbst während seines Reha-Aufenthalts attackiert, habe die Präsidiumssitzung verlassen – am Hintereingang wartete angeblich schon sein Chauffeur. Schon im Vorfeld hatte Hofer klargestellt, dass er sich bei der neuen Obmannkür nicht einmischen werde. Und nein, gegenüber Kickl hege er keinen Groll: Denn er sei "keiner, der irgendwem besonders lange böse sein" könne.

Harald Stefan, interimistischer FPÖ-Chef, ortet eine geschlossene Stimmung sowie ein Bedürfnis nach Einigkeit in der Partei. Er gab am Montag bekannt, dass Herbert Kickl zum Parteichef designiert worden ist. Er soll am 19. Juni gewählt werden.
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Einen früheren Abgang machte auch Haimbuchner, der sich zu Hofer bis zuletzt als loyal erwiesen hat. Dabei deutete er an, dass er mit Kickl als neuem Chef leben können werde, denn: "Kritik darf man üben, aber man muss zusammenhalten und zusammenarbeiten."

Erst um 14.30 Uhr war es dann so weit: Da trat Kickl an die Öffentlichkeit – und zwar mit Harald Stefan, der als dienstältester Parteivize kurzfristig zum Interimschef aufgestiegen war, und Generalsekretär Michael Schnedlitz.

Ersterer betonte in seinem Statement gleich mehrmals die gemeinsame Verbundenheit in der Partei und wie geschlossen doch die Stimmung in der Sitzung gewesen wäre. Danach gab man bekannt, dass Kickl zum neuen Bundesparteiobmann designiert wurde, was bei einem Bundesparteitag am 19. Juni von den Delegierten abgesegnet werden soll.

Lobeshymne vom General

Danach hob General Schnedlitz zu einer Lobeshymne auf Kickl an, der soeben einstimmig gewählt worden sei. Was auf Journalistenfragen hin von dem blauen Trio erst später eingeräumt wurde: Neben Haimbuchner war auch Vorarlbergs Landeschef Christof Bitschi bei der Abstimmung rund um den neuen FPÖ-Chef gar nicht mehr dabei – auch er musste weg, zurück ins Ländle.

Davon unbeeindruckt schwadronierte Schnedlitz lieber minutenlang über die FPÖ-Karriere des neuen Chefs. Dabei spannte er den Bogen von der Ära unter Jörg Haider, dessen Redenschreiber, Stratege und Wahlkampfmanager Kickl einst war, über dessen angebliche glorreiche Zeit als Innenminister unter Türkis-Blau (hatte "immer ein Ohr für die Polizistinnen und Polizisten") bis hin zu dessen klaren Linie als Klubchef nun in Oppositionszeiten – gemeint war wohl Kickls stets unerbittlicher Konfrontationskurs mit Türkis-Grün in Sachen Corona-Management.

Hoffte auf weißen Rauch, und er stieg quasi auf: Herbert Kickl, bisher bloß Klubchef.
Foto: APA / Georg Hochmuth

Kickl, der neue FPÖ-Chef in spe, lächelte zu alledem verschmitzt – und hob dann selbst zu einer erstaunlich langatmigen Rede an. Anders als sonst im Parlament ließ der bisherige blaue Chefrhetoriker an diesem Tag aber jegliche Pointen vermissen.

Denn fürs Erste trug Kickl am Montag zunächst Demut zur Schau: Das letzte Wort zu seiner neuen Rolle habe der Souverän der Partei, also die Delegierten beim Parteitag, versicherte der 52-Jährige.

Nach einigen Schachtelsätzen rief Kickl dann aber doch kurz und prägnant den bisherigen und künftigen Hauptgegner seiner Partei aus: Die türkise Volkspartei sei verantwortlich für "das größte Blendwerk der Zweiten Republik", wetterte er, sie sei "eine politische Showeinrichtung, die die Menschen zu lange getäuscht hat". Zu seinem bekannten "Kurz muss weg!" bei Demonstrationen rang sich Kickl in der Bundesparteizentrale aber nicht durch.

Wien ist nicht Linz

Dafür gelobte er, die "Verbindungslinien" mit den anderen Parteien in der Opposition zu pflegen, denn es gehe hier nun "um eine Realkoalition mit vielen Menschen im Land". Und Kickl versprach: Schon bei der Wahl in Oberösterreich im September werde der neue Erfolgskurs der FPÖ "Früchte tragen". Denn es sei kein Geheimnis, dass das, was für Linz richtig sei, in Wien falsch sein könne.

Auf welches Ergebnis er hoffe, nachdem Hofer einst mit 98 Prozent bestätigt wurde? Auch hier war Kickl ungewohnt schmähstad – er werde dazu sicher keine Prozentzahl nennen, erklärte er. (Jan Michael Marchart, Nina Weißensteiner, 7.6.2021)