Bottas und Perez.

Foto: AFP/DE MELO MOREIRA

Baku – Wer noch nicht verstanden hatte, wie außergewöhnlich schlecht dieser Sonntag für Mercedes war, der musste bloß einen Blick in die Statistik werfen – denn im Getöse von Baku ging eine Rekordserie zu Ende: Erstmals nach 54 Rennen, nach drei Jahren, verpasste Lewis Hamilton die Punkteränge. Wie muntert man einen Weltmeister auf, der kaum noch wusste, wie sich eine Nullrunde anfühlt?

"Wir haben ja noch Zeit bis zur Abreise", sagte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff am Sonntagabend, "wir werden einen trinken, bevor wir in den Flieger steigen." Mit einem kapitalen Verbremser zwei Runden vor Schluss hatte Hamilton den möglichen Sieg weggeworfen, das sei aber kein Problem, sagte Wolff: "Wir dürfen nicht vergessen, dass er so gut wie nie Fehler macht."

Zuverlässigkeit

In der Tat wird man sich bei Mercedes für den Rest des Jahres kaum um die Zuverlässigkeit des Engländers sorgen. Das Problem im Titelkampf mit Red Bull und Max Verstappen könnte eher auf der anderen Seite der Garage liegen. Denn so selten enttäuschende Sonntage für Hamilton sind, so normal sind sie mittlerweile für Valtteri Bottas.

In sechs Saisonrennen blieb der Finne dreimal ohne Punkte, er hatte dabei zweifellos auch Pech – oft fehlt aber schlicht das Tempo, und das nicht erst seit diesem Jahr. Sein Gegenüber dagegen, Verstappens "Schattenmann" Sergio Perez, gewann am Sonntag erstmals für Red Bull und punktete nur in einem Rennen nicht.

Warum?

Bottas kam in Baku, obwohl ohne gravierende Zwischenfälle, nur auf Rang zwölf ins Ziel – während Hamilton bis zuletzt um Platz eins fuhr. "Mein Abstand auf ihn war die ganze Zeit riesig, ich weiß nicht warum", sagte der Finne. Wolff nahm Bottas zwar in Schutz, das Auto sei nicht fahrbar gewesen, "und wenn das auf einem Stadtkurs so ist, dann verliert man das Vertrauen."

Dieses scheint Bottas allerdings schon seit einer Weile abhanden gekommen zu sein. Seit 2017 ist er bei Mercedes, und es gab durchaus Zeiten, in denen er ein starker Wingman für Hamilton war. Mittlerweile häufen sich aber die Rennwochenenden, an denen der Leistungsunterschied gravierend ist – und das kommt zur Unzeit, denn Mercedes hat nicht mehr das eindeutig beste Auto im Feld.

Die Stärke der Helfer

Ganz unmittelbar wirkt sich das auf die Team-WM aus, wo die Silberpfeile nun schon 26 Punkte hinter Red Bull liegen. Und auch die Fahrer-WM könnte in diesem Jahr durch die Stärke des Helfers entschieden werden. Hamilton und Verstappen begegnen sich auf derart hohem Niveau, dass die Nummer 2 zum großen Faktor wird: Sie gibt zusätzliche Strategie-Optionen an der Spitze des Feldes, und sie kann dem anderen Team wichtige Punkte wegnehmen.

Bei Red Bull erfüllt Perez momentan genau diese Rolle, die früheren Serienmeister haben im Winter offenbar alles richtig gemacht. Denn bewusst entschied man sich für einen Kurswechsel, setzte ins zweite Cockpit nicht mehr einen jungen Piloten aus dem eigenen Stall. Um endlich den Druck auf Mercedes zu erhöhen, musste ein weiterer Siegfahrer her.

Der Anfang?

Perez' erster Erfolg für Red Bull könnte nun tatsächlich erst der Anfang sein. "Das gibt mir riesiges Selbstvertrauen", sagte der Mexikaner, "es ist gerade erst das sechste Rennen, da kommt noch mehr von mir."

Mercedes steht damit vor der größten Herausforderung seit Jahren. "Wir müssen uns auf die Zehenspitzen stellen, um das zu schaffen", sagte Wolff. Und Bottas sollte mitmachen. (sid, 7.6.2021)