"Und was ist mit den Gesunden, die dürfen nicht rein?" Kecke Fragen wie diese kennt so gut wie jeder Wirt, der wie der Gasthof meines Vertrauens seine Gäste via Facebook freundlich auf die 3-G-Maßnahmen aufmerksam macht. Die provozierende Frage, ob denn "gesund sein gar nichts mehr wert sei", sie kommt wie das Amen im Gebet, es ist der derzeit populärste Kalauer, den die Querdenker-Blase im Oeuvre hat - und er ist alles andere als unpolitisch. 

"Gesunde" Politikerin pfeift auf 3-G-Regeln

Die freiheitliche Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch trat vor Kurzem in einem T-Shirt im Parlament auf. Vier Wörter waren darauf zu lesen: "Geimpft", "Getestet", "Genesen" in dünner Schrift und mit einem x, das Ablehnung suggeriert. Ein zustimmendes Hakerl befindet sich indes beim vierten Wort, das ganz oben steht und das fett geschrieben ist: "Gesund". Neben dem Wort weht die rot-weiß-rote Fahne. "Gesund" ist rot-weiß-rot, "getestet", "geimpft" und "genesen" hat kein Vaterland. Die Botschaft aus der FPÖ ist nicht sonderlich subtil, es ist ein Gruß an die Welt der Masken-, Impf- und Testmuffel, die viril, patriotisch und und zäh wie Leder durchs Leben ziehen und sich abheben. Von den Ängstlichen, Weicheiern und Rücksichtvollen, die im Wirtshaus Test oder Impfpass vorzeigen und damit ihren Beitrag zur Eindämmung einer Pandemie leisten. Gesundheit ist nicht mehr das, was man sich generell und Erkrankten in eventu wünscht, Gesundheit ist das, was sich die Bubble der Querdenker gegenseitig keck attestiert, was den Starken unterscheidet vom Schwachen. Die Ärztin Belakowitsch pfeift - wie der Großteil der FPÖ - auf die 3-G-Regeln, schließlich sei man "gesund".  

Belakowitsch lehnt Tests als "Diktat" ab

Im Jänner schlug die Politikerin sogar die Einladung zu einem Talk beim Sender Puls 4 aus. Sie hätte sich im Studio - zum Schutz der Mitarbeiter und der anderen Diskutanten - testen lassen müssen. Eine wie  Belakowitsch verzichtet da lieber auf die Sendung, sie unterwerfe sich nicht dem "Corona-Diktat" eines Fernsehsenders. Schließlich sei sie ja, Sie ahnen es bereits: "Gesund".  

Natürlich weiß die freiheitliche Ärztin, dass das Virus auch einen Österreicher von den Beinen holen kann, der sich bis zur Infektion pumperlgesund wähnte. Natürlich weiß sie, dass ein Test sinnvoll ist, weil auch symptomfrei Infizierte jemanden anstecken können. Doch darum geht es ihr nicht. Wer krank wird hat es in der Welt der demonstrativ Gesunden verdient, krank zu sein, und wer "gesund" ist, hat nicht einfach Glück, sondern der ist Teil einer Gruppe, die sich das auch verdient hat, weil sie verdammt tough ist. Dass die Gesundheit Belakowitschs auch ein Resultat der Rücksichtnahme anderer und strenger Maßnahmen sein könnte, das wird gekonnt ausgeblendet.

FPÖ TV

Wer mit Kickl marschiert, der muss ein ganz "Gesunder" sein

Der blaue Fraktionschef und künftige Parteiobmann Herbert Kickl brachte das Denken im März bei einer Querdenker-Demo wunderbar auf den Punkt. Bei der Rede Kickls im Prater drängten sich Tausende Menschen, die sich kurz zuvor offenbar alle einer Gesundenuntersuchung unterzogen und den Befund an Kickl geschickt hatten. Kickl schwärmte: "Wir alle haben ein intaktes Immunsystem und ein intaktes Immunsystem macht den Menschen stark gegen einen Virus. (...) Das war schon immer so, dass wir auf unser intaktes Immunsystem zählen können." Die Menge johlt zufrieden ob Kickls Kollektivattest. Bei einer blauen Corona-Demo sind offenbar nur vitale Rossnaturen zugegen. Was Kickl nicht erzählt: Unser so tolles Immunsystem muss auch trainiert werden. Das geht am besten mit einer Impfung. Darauf zu verzichten ist ähnlich sinnvoll, wie seine Kinder nicht zur Schule zu schicken, weil sie eh ein Hirn hätten. Das alleine reicht nicht, um Lesen, Schreiben und Rechnen zu lernen. 

Düringer flachst zum Thema Gesundheit

Auch der Kabarettist Roland Düringer macht sich seine Gedanken um die Gesundheit. Ende April trat er bei einer Querdenker-Kundgebung in Wien auf. Der Regierung richtet er aus: "Herr Gesundheitsminister, Sie sind nicht mehr für unsere Gesundheit verantwortlich." Der pseudolibertäre Kalauer kommt gut an bei den Kundgebungsteilnehmern. Dass ein Virus in einer Pandemie mit der vielbeschworenen "Selbstverantwortung" auch seine Freude hätte, das verrät Düringer nicht. Er denkt gerne über die Gesundheit, das Leben und das Sterben nach. Er ortet in der Gesellschaft "einen ganz, ganz schlechten Umgang mit dem Tod." Nicht zum ersten Mal bringt er das Beispiel mit einem Schiffsunglück. Dort hieße es immer, "Frauen und Kinder in die Rettungsboote," die Männer müssten "unter Deck und absaufen." Gegenwärtig ortet der Spaßmacher eine Umkehrung der Werte: "Kranke und Alte in die Rettungsboote." Das gefällt Düringer nicht, weil "das Leben anders plant" und man irgendwann "Platz machen müsse für das Neue". Schöner kann man die Verachtung, die "Gesunde" dieses Schlags für Kranke und Schwache übrig haben, nicht auf den Punkt bringen. (Christian Kreil, 14.6.2021)

Christian Kreil bloggt rund um Esoterik, Verschwörungsplauderei und Pseudomedizin. Soeben erschien sein Buch "Fakemedizin".