Rund 20 Jahre lang war es ein Schulversuch. Ab kommenden Herbst wird Ethik als Pflichtfach ab der Sekundarstufe II für alle Schülerinnen und Schüler eingeführt, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen. Das betrifft Jugendliche der neunten Schulstufe der AHS und BMHS. Das gab Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) bekannt.

Schülerinnen und Schüler, die vom Religionsunterricht abgemeldet sind, haben künftig statt einer Freistunde Ethikunterricht.
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Aktuell wird der Ethikunterricht an 233 Standorten als Schulversuch für Schülerinnen und Schüler angeboten, die ohne Bekenntnis oder vom Schulunterricht abgemeldet sind. In Zukunft wird er an 920 Schulen in den Regelunterricht Einzug halten; wie der Religionsunterricht soll auch der Ethikunterricht im Ausmaß von zwei Wochenstunden stattfinden. Die gesamte Ausrollung des neuen Unterrichtsfachs soll 2024 in den AHS, 2025 in den BHS abgeschlossen sein. Gestartet wird im Herbst mit den neunten Schulstufen, im Herbst 2022 folgen die neunten und zehnten Schulstufen.

Viele Fragen

Die Lehrpläne dazu werden am Montag kundgemacht, betonte Faßmann. Inhaltlich solle es nicht um die Vermittlung von Wissen gehen, sondern um die Reflexion gewisser Fragen. Die Lehrpläne für den neuen Unterrichtsgegenstand sind in drei Ebenen aufgebaut, die "Ich-Ebene", die "Ich-und-Du-Ebene" und die "Ich-und-die-Welt-Ebene". Fragen, über die in der ersten Ebene philosophiert werden sollen, sind etwa: Wer bin ich? Was sind meine Werte? Was will ich erreichen?

Im Bereich der zweiten Ebene sollen Fragen des Zusammenlebens diskutiert werden: Wie gehen wir miteinander um? Was ist fremd? Wie löse ich Konflikte? Zuletzt werden auf der dritten Ebene auch globale Fragen behandelt. Dabei soll es auch um die Bereiche Menschenrechte, Umwelt, Diversität und Diskriminierung oder Krankheit gehen.

Gemeinsame Erklärung

Außerdem sollen ethische Grundfragen auch in den Religionsunterrichts-Lehrplänen behandelt werden – eine entsprechende gemeinsame Erklärung haben Faßmann und Vertreter der Religionsgemeinschaften unterzeichnet. Bei der Beantwortung dieser ethischen Fragen würden religionsspezifische Sichtweisen dargestellt, aber auch die Sichtweisen anderer Religionen und die des staatlichen Ethikunterrichts.

Am Montag unterzeichnete Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP, 5. v. li.) gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern der Religionsgemeinschaften eine gemeinsame Erklärung zum Religionsunterricht.
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Man wolle Schülerinnen und Schüler, "zu verantwortungsbewusster gesellschaftlicher Mitgestaltung ermächtigen", heißt es in der gemeinsamen Erklärung. Diese unterzeichneten im Rahmen einer Presskonferenz die katholische, die evangelische und die orthodoxe Kirche, die israelitische Religionsgemeinschaft, die islamische und die alevitische Glaubensgemeinschaft, die buddhistische Religionsgemeinschaft sowie die Freikirchen.

Volksbegehren im Unterrichtsausschuss

Der Ethikunterricht wird auch am Mittwoch im Unterrichtsausschuss des Nationalrats Thema sein. Dort soll auch das Volksbegehren "Ethik für alle" behandelt werden. Die Initiatoren bezeichneten die Pläne Faßmanns in einer Aussendung als "Mogelpackung". Volksbegehren-Sprecher Eytan erklärte, es sei "ein Armutszeugnis für die gesamte Republik", wenn der Bildungsminister "gemeinsame Sache mit den Religionsgemeinschaften" machte und sich "gegen eine staatlich beaufsichtigte und nichtdiskriminierende Werte- bzw. Wissensvermittlung in Österreichs Schulen" ausspreche.

Das Volksbegehren hatte rund 160.000 Unterschriften erreicht. Es fordert die Einführung eines vom Religionsunterricht entkoppelten Ethikunterrichts als Pflichtfach für alle Schülerinnen und Schüler von der ersten bis zur letzten Schulstufe.

Auch die SPÖ forderte in einer Aussendung, Ethikunterricht und Religionsunterricht "nicht in Konkurrenz zueinander" zu stellen. Es brauche den Ethikunterricht für alle. Das Schulfach Ethik solle – wenn es nach der SPÖ geht – ein Wertebewusstsein schaffen und allen Schülerinnen und Schülern vermitteln, "wie man eigene Gefühle einschätzt, mit Wut und Aggressionen umgeht, die eigenen Grenzen und die des anderen akzeptiert oder wie sich Konflikte gewaltfrei lösen lassen". (Oona Kroisleitner, 7.6.2021)