Nachdem die EMA den Impfstoff Comirnaty auch für Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren freigegeben hat, beginnt man sie auch in der EU zu impfen – so wie hier in Italien.

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Nachdem die europäische Arzneimittelbehörde EMA den Impfstoff Comirnaty der Firmen Biontech und Pfizer für Personen ab zwölf Jahren freigeben hat, vergeben einige Bundesländer bereits Impftermine für Kinder und Jugendliche. Eltern stellt das vor eine schwierige Entscheidung: Lasse ich mein Kind impfen, obwohl es eine geringe Wahrscheinlichkeit hat, schwer zu erkranken?

Das Nationale Impfgremium hat sich noch am Tag der EMA-Entscheidung der Zulassungsbehörde angeschlossen und die Impfung für alle ab zwölf Jahren empfohlen. Anders ist das in Deutschland: Dort steht eine Entscheidung der Ständigen Impfkommission (Stiko) noch aus.

Ihr Vorsitzender Thomas Mertens hat aber bereits angedeutet, dass das Gremium keine generelle Empfehlung für Kinder aussprechen wird. Es fehlten noch Daten, um das Risiko einer Covid-19-Erkrankung bei Kindern gegen das Risiko einer Impfung genau abwägen zu können. Zudem sei der Beobachtungszeitraum zu kurz, um Langzeitfolgen abzuschätzen. Erwartet wird deshalb, dass die Stiko nur eine eingeschränkte Empfehlung abgeben wird – etwa für Kinder mit Vorerkrankungen.

Eine von 1.000 Infektionen verläuft schwer

Wie häufig Kinder und Jugendliche schwer an Covid-19 erkranken können, ist noch nicht abschließend geklärt. Laut einer kürzlich veröffentlichten Untersuchung der US-amerikanischen Zentren für Krankheitskontrolle und -prävention (CDC) waren stationäre Aufnahmen von Personen im Alter von zwölf bis 17 Jahren aufgrund von Covid-19 zwar selten, aber bis zu dreimal häufiger als bei der Influenza.

In Österreich hat eine Analyse der Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ) ergeben, dass bei etwa einer von 1.000 Infektionen von Kindern und Jugendlichen mit einem Hyperinflammationssyndrom gerechnet werden muss. Bisher mussten in Österreich rund 500 Patientinnen und Patienten in der Altersgruppe von null bis 19 Jahren aufgrund einer Covid-19-Erkrankung stationär aufgenommen werden, es wurden drei Todesfälle bei Kindern mit Vorerkrankungen registriert.

Bei fehlendem Impfschutz muss im Lauf der nächsten Jahre mit zahlreichen weiteren krankenhauspflichtigen Verläufen gerechnet werden, heißt es von der ÖGKJ. "Dem gegenüber sind keine schwerwiegenden Impfkomplikationen bekannt", sagt der Leiter der Innsbrucker Kinderklinik, Thomas Müller, der Mitglied der Gesellschaft ist.

Die ÖGKJ stützt sich bei ihrer Einschätzung auf Daten der Zulassungsstudie an rund 1.100 geimpften Kindern und Jugendlichen sowie auf die bereits laufenden Impfprogramme in den USA und Kanada, wo inzwischen mehr als zwei Millionen Kinder und Jugendliche in dieser Altersgruppe geimpft wurden.

Ähnliches Risiko wie Erwachsene

Das Zögern der Stiko ist für Müller nachvollziehbar, zugleich aber auch kritisch zu hinterfragen. "Hier wird viel Unsicherheit geschaffen", sagt er. Anders als Kleinkinder unterscheiden sich Zwölfjährige immunologisch nicht signifikant von Erwachsenen. Ihr Risiko für Nebenwirkungen sei deshalb vergleichbar. "Ob die Pubertätsentwicklung abgeschlossen ist, hat keine Auswirkung auf die Wirkung und mögliche Nebenwirkungen des Impfstoffes", sagt Müller.

Das gelte auch für mögliche Langzeitfolgen wie Autoimmunerkrankungen. "Langzeitfolgen treten meistens schon Monate nach der Impfung auf", sagt Müller. Bei Erwachsenen wird die Impfung in laufenden Phase-3-Studien bereits über einen langen Zeitraum beobachtet, ohne dass es dabei zu schwerwiegenden Komplikationen kam. "Es ist nicht anzunehmen, dass sich die Altersgruppe der Zwölf- bis 15-Jährigen davon unterscheidet", sagt Müller.

In den USA und Israel sind in seltenen Fällen Herzmuskelentzündungen nach der Impfung mit Comirnaty aufgetreten – betroffen waren vor allem Männer zwischen 16 und 19 Jahren. Ein kausaler Zusammenhang mit der Impfung ist nicht abschließend geklärt.

Ob es sich dabei um eine seltene, aber schwerwiegende Nebenwirkung handelt, hängt für Müller auch davon ab, wie und wann diese Herzmuskelentzündungen nach der Impfung aufgetreten sind. Umfangreichere Daten dazu wurden bisher noch nicht veröffentlicht. "Wenn es zu Leistungsschwächen, Herzrhythmusstörungen oder einer verminderten Pumpleistung kommt, dann ist es etwas, wo wir hinschauen müssen", sagt Müller. Stumme Herzmuskelentzündungen würden hingegen auch nach Infektionen auftreten und meistens unbemerkt von alleine ausheilen. (Eja Kapeller, 8.6.2021)