Beginnen wir mit dem Praxisgebrauch. Wir haben einmal beruflichen Einsatz simuliert, einmal freizeitlichen. Einmal Profil Handelsreisende(r), einmal Privatier/Privatière. Einmal zeitgetrieben, einmal tiefenentspannt.

Dazu auch noch unser Testansatz: Mit dem Elektroauto genau so (ver-)fahren wie mit konventionell angetriebenen Fahrzeugen. Bezieht sich auf Heizung, Kühlung – und Marschtempo, sprich: auf der Autobahn österreichtypische 140, 145 km/h. Zwar hat der ID.4 mit 77-kWh-Akku eine Normreichweite von bis zu 517 km, die schmelzen bei hoher Geschwindigkeit dann aber erwartungsgemäß doch wie der Schneemann in der Sommersonne.

Das hier ist ein ID.4 mit 77-kWh-Batterie, 150-kW-Motor und Heckantrieb. Das GTX-Topmodell hat Allrad.
Foto: Stockinger

Gut. Nun zum Testobjekt. Wir konnten den nach dem ID.3 zweiten Elektro-VW auf der eigens geschaffenen MEB-Plattform genauer beschauen, 14 Tage lang, und da fiel ein eigentlich ins Auge gefasster Langstreckeneinsatz nach reiflichem Durchkalkulieren ins Wasser: Subaru hatte zu einer Präsentation nach Saalfelden, Brandlhof, geladen, Veranstaltungsbeginn zehn Uhr vormittags. Hätte je einen Ladestopp tour und retour bedeutet, sprich: jeweils eine dreiviertel Stunde mehr Reisezeit, am Zielort während der Veranstaltung am besten auch nochmal an die Dose, um den Rückweg voll geladen anzutreten. Ergo sind wir dann doch lieber per Verbrenner in einem hin und retour.

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Einen anderen Versuch habe ich ohne Bedenken im ID.4 unternommen. Meinen Bruder besuchen in der Gmundner Gegend. Der Hüpfer in eine Richtung ging sich locker aus, der von dort zur nächsten Ionity-Station in St. Valentin laut Prognose Bordcomputer nicht mehr. Geboten war folglich die Weiterfahrt auf der A1 in Richtung Salzburg, Schnellladung auf der Raststätte Mondsee und dann zurück nach Wien.

Geht schon, klar, aber man lässt Zeit liegen, macht leere Meter und verplempert damit sinnlos Energie, was man verbrennungsmotorisch nicht täte. Eine Frage der Infrastruktur, und apropos: auch wenn zum Beispiel Smatrics Ladeleistungen im Ionity-Bereich ankündigt, es gibt sie noch nicht und es zeichnet sich generell ab: Bei dem Tempo, in dem reichweitenstarke Elektroautos bei den Neuzulassungen zulegen, wird das Schnellladenetz bald, sehr bald überlastet und zum Nadelöhr.

Im normalen Alltagsbetrieb hingegen fährst du mit diesem Auto problemlos jede Strecke, da muss er mitunter die ganze Woche nicht ans Netz, und damit zum ID.4 selbst.

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Nach der "Innen größer als es außen scheint"-Grunderfahrung im ID.3 konnte der zweite ID in dem Punkt nicht mehr überraschen. Auf Außenmaßen (4,58 m lang) nur wenig über denen des Tiguans (4,49) herrschen innen ganz andere Platzverhältnisse, geräumig, luftig, Letzteres noch verstärkt durch das riesige Panoramaglasdach im Testwagen.

Das schlägt sich

Koloristisch gewöhnungsbedürftig: Nach dem schönen Blau außen kombinieren die Designer drinnen silbrig, schwarz, grau und braun, und ganz ehrlich: Hat euch niemand gesagt, dass sich das schlägt?

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Abgesehen davon ist der ID.4 so schlau und durchdacht, wie man das von VW kennt, wieder mit Ausnahme des arg auf Betatschen ausgelegten Bedienkonzepts. Und die ansonsten vorbildliche Sprachbedienung lässt sich nur mit "Hallo Aidie" aktivieren – ein anhaltendes Skandalon, dass das bei einem Auto eines deutschen Konzerns nicht auf Deutsch geht ("Hallo Idee") oder auch in Frankreich auf Französisch, in Italien auf Italienisch. Wo doch das Akronym in unserer Muttersprache ausgesprochen so gut zum Ansatz passt: Ideen braucht der Mensch!

Fahrkapitel? Die Ingenieure haben dem 4er ein solides Fahrwerk mitgegeben, eine präzise Lenkung, die unterflur verbaute Batterie sorgt für tiefen Schwerpunkt, weshalb der Wagen auch vor Kurven nicht erschrickt, solange man es nicht übertreibt. In Summe gilt: Nach dem ID.3 ist der Punktvier ein schlüssiger zweiter Streich. (Andreas Stockinger, 17.6.2021)