Rund um die Causa HG Labtruck sind, was die Auftragsvergabe betrifft, viele Fragen offen. Solche stellen sich auch immer mehr, was die Fortführung des Unternehmens betrifft.

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Innsbruck – Der Fall rund um die HG Labtruck und den größten Auftrag für PCR-Testungen in Tirol wird immer verwirrender. In Kooperation mit dem ORF Tirol recherchiert DER STANDARD seit Wochen zu den Hintergründen des undurchsichtigen Deals, der gut zwölf Millionen Euro wert ist. Nach den Netzwerken, die rund um die Auftragsvergabe eine zentrale Rolle gespielt haben, stand nun die Fortführung des lukrativen Geschäftes im Mittelpunkt der Recherche. Auch die Korruptionsstaatsanwaltschaft sowie der Landesrechnungshof prüfen mittlerweile die Causa.

Was bisher geschah: Das Trio Ralf Herwig, umstrittener Urologe, Hanspeter und Thomas Rass, zwei Brüder aus der Kitzbüheler Eventbranche – alle drei sind verschwägert – hat im September 2020 die Idee mobiler PCR-Tests in futuristischen Labtrucks zur Rettung der touristischen Wintersaison in Tirol erdacht.

Das Land Tirol gab dieser HG Labtruck ohne Ausschreibung im September 2020 den Zuschlag und verlängerte deren Vertrag im Frühjahr 2021 – erneut ohne Ausschreibung – bis Juni 2021. Allerdings ist bis heute unklar, wer die PCR-Tests als Labormediziner befundet hat. Herwig selbst ist nach Auskunft der Ärztekammer "derzeit nicht zur ärztlichen Berufsausübung berechtigt". Er muss sich aktuell wegen schwerer Körperverletzung und Betrugs vor Gericht verantworten – es gilt die Unschuldsvermutung.

Herwig zog sich aus Geschäft zurück

Nachdem im Mai 2021 die Ungereimtheiten hinter dieser Auftragsvergabe an die HG Labtruck durch eine Landtagsanfrage der Liste Fritz publik wurden, zog sich Herwig aus dem operativen Geschäft zurück. Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) erklärte, dass die Zusammenarbeit mit dem Unternehmen wegen des Rückzugs nicht beendet wurde. Für die restliche Laufzeit des Vertrages bis Ende Juni hat die Virologin Dorothee von Laer von der Medizinischen Universität Innsbruck die Befundung der PCR-Tests der HG Labtruck übernommen. Denn, wie sie sagt, "die virologische Expertise hat komplett gefehlt".

Ursprünglich hatte die HG Labtruck drei Partner angegeben, mit deren Hilfe sie das Konzept der mobilen PCR-Tests anbieten konnte. Selbst hatte man keinerlei Erfahrung, das Unternehmen wurde ja erst im September 2020 während der Vertragserstellung gegründet.

"Partner", die keine mehr sind oder es nie waren

Allerdings war der als Partner genannte Labormediziner nie für die HG Labtruck tätig, wie Recherchen des STANDARD ergaben. Procomcure aus Salzburg hätte Gerätschaften liefern sollen, stieg aber als Partner nach eigenen Angaben schon im November 2020 aus, weil die HG Labtruck nicht gezahlt haben soll – was diese abstreitet. Vitavo aus der Steiermark steuerte wiederum die IT-Lösung als Partnerin bei. Bis man sich im Frühjahr 2021 ebenfalls lossagte, weil es ebenfalls Probleme bei der Abrechnung gegeben haben soll.

Nun trat plötzlich eine neue Firma namens Novatium auf den Plan. Gegründet im April 2021 von Kemal Cakar. Er ist Jurist und Mitarbeiter der HG Pharma, der 100-Prozent-Eigentümerin der HG Labtruck. Beim Land Tirol hieß es vergangene Woche auf Nachfrage, man kenne kein Unternehmen dieses Namens. Hintergrund: In der STANDARD-Anfrage wurde der Firmenname falsch geschrieben: Novartium.

Nach erneuter, richtig geschriebener Anfrage am Montag hieß es nun: Ja, man kenne die Firma. Sie stelle IT-Dienstleistungen für von Laers Virologie-Team bereit, das nun die Arbeit der HG Labtruck erledige: "Es handelt sich daher nicht um eine Nachfolgefirma der HG Labtruck, sondern um eine Firma, die mit dieser zusammenarbeitet und im Auftrag der HG Labtruck IT-Aufgaben abwickelt."

Nur Personal und Geräte übernommen

Virologin von Laer stellt den Sachverhalt wiederum so dar: "Novatium ist die Auffangfirma der HG Labtruck, die deren Gerätschaften und Personal übernommen hat. Wir haben das Qualitätsmanagement und die fachärztliche Aufsicht übernommen und wollen zusammen mit Novatium bei der Neuausschreibung mitbieten." Denn aktuell schreibt Tirol die PCR-Tests mit einem geschätzten Auftragsvolumen von 38 Millionen Euro neu aus.

Cakar war am Montag bis Redaktionsschluss nicht erreichbar. Die HG Pharma bestätigte indes, dass Ralf Herwig nicht mehr als Geschäftsführer der HG Labtruck aktiv sei. Wer diese Aufgabe nun übernommen hat, wird jedoch nicht genannt. Auch beim Land Tirol hat man diese Information nicht. Liste-Fritz-Klubobfrau Andrea Haselwanter-Schneider: "Es kann wohl nicht sein, dass man nur Visitenkarte und Türschild austauscht und weiter mit dem Land Geschäfte macht."

Herwig selbst trat vergangenen Donnerstag in einem vier Seiten langen "Exklusivinterview" in der Tiroler Kronen Zeitung (der Artikel ist nur in der Printversion erschienen und kann daher nicht verlinkt werden, Anm.) auf. Dort erklärte er, dass er als Urologe "der Mikrobiologe für den Harntrakt" sei und daher keinen Labormediziner für die Befundung von PCR-Tests gebraucht habe. Dazu sagt der Präsident der österreichischen Ärztekammer und Labormediziner Thomas Szekeres: "Das stimmt so nicht. Zudem fehlt ihm die Zulassung, überhaupt als Arzt arbeiten zu dürfen." (Steffen Arora, 8.6.2021)