Wenn ein Kind auf die Welt kommt, ist oft von Muttergefühlen die Rede. "Muttergefühl", das ist ein Gefühl der Zuwendung von der Mutter zum Kind, so steht es im Duden. "Vatergefühle" dagegen sind kein offizieller Begriff. Für Väter ist diese spezielle Verbindung offenbar nicht vorgesehen.

Wieso eigentlich nicht? Anlässlich des Vatertags hat DER STANDARD fünf Männer gefragt, wie es für sie ist, Kinder zu haben, und welche Gefühle sie damit in Verbindung bringen. Wir wollten wissen, was die Herausforderungen im Alltag sind, was sie durch das Vatersein gelernt oder auch verloren haben. Jeder der fünf Befragten hat eine ganz spezielle Geschichte. Einer ist überraschend im Frankreich-Urlaub Papa geworden und beschreibt auch seine Vaterschaft als "eine Reise". Ein anderer hat drei Kinder mit gleich vier Frauen. Eines aber haben alle fünf gemeinsam: Sie wollen keine Neben-, sondern eine Hauptrolle im Leben ihrer Kinder spielen.

"Seit ich Vater bin, singe und tanze ich viel mehr"

"Was mich an Kindern so fasziniert: Sie haben einen komplett unverstellten Blick auf die Welt. Durch das Zusammensein mit meiner Tochter kann ich die Welt noch einmal so sehen wie sie. Ich kann besser im Hier und Jetzt leben. Valentina, die mittlerweile drei Jahre alt ist, hat auch die Kreativität in mir wieder hervorgeholt. Seit ich Vater bin, singe und tanze ich viel mehr. Meine Arbeit hat für mich jetzt nicht mehr die oberste Priorität, ich bin weniger getrieben als früher. Durch meine Tochter habe ich eine andere, weichere Seite an mir kennengelernt, die mir sehr gefällt.

Sebastian Körber mit Tochter Valentina. Durch sie sei er weniger getrieben als früher.
Foto: privat

Außer Valentina habe ich noch zwei andere Kinder, die ich jedoch seltener sehe. Meine älteste Tochter ist acht Jahre alt und lebt mit ihrer Mutter in Peru. Sie ist das Ergebnis einer kurzen Liaison. Ich sehe sie zweimal im Jahr, fliege für mehrere Wochen nach Peru, oder sie kommt nach Österreich. Außerdem habe ich noch einen Sohn, er ist nur ein paar Tage älter als Valentina. Nein, er war nicht das Ergebnis eines Seitensprungs. Die Geschichte dahinter: Ich habe meinen Samen einem befreundeten gleichgeschlechtlichen Paar zur Verfügung gestellt. Wir haben eineinhalb Jahre über die Konditionen gesprochen, damit es später keine Missverständnisse oder Probleme gibt. Wir waren uns einig, dass ich einen Bezug zum Kind haben sollte, aber rechtlich nicht der Vater sein würde.

Die Befruchtung ist gerade über die Bühne gegangen, als meine damalige Frau mit Valentina schwanger wurde. Ein ziemlicher Zufall also. Der Junge lebt mit seinen beiden Mamas in einem Vorort von Wien und nennt mich Papa. Aber von der emotionalen Rolle her würde ich sagen, dass ich wohl eher eine Art Onkel für ihn bin. Aber das wird sich vielleicht noch ändern, wenn er älter ist und eine Vaterfigur sucht."

Sebastian Körber (39) ist Vater von drei Kindern. Der Kontakt zu ihm kam über die Plattform "Parents of Austria" zustande.

"Oft kann nur ich sie zum Lachen bringen"

"Irgendeinem Vaterbild nacheifern zu wollen kann meiner Meinung nach nicht funktionieren. Solange man sich für sein Kind Zeit nimmt, liebevoll und geduldig ist, macht man alles richtig. Wenn man sich von einer guten Seite zeigt, dann schaut sich das Kind das ab, davon bin ich überzeugt. Oft ist das natürlich anstrengend, und immer geht es auch nicht. Gestern beim Zähneputzen hatten wir etwa eine kleine Krise.

In der Karenz ganz schön gefordert, aber trotzdem glücklich: Markus Kramer.
Foto: Susanne Kraus

Meine Tochter Josefine ist gerade ein Jahr alt geworden, sie ist vergangenen Juni geboren. Die Frage, ob ich in Karenz gehe, stand eigentlich nie zur Debatte. Schon vor Josefines Geburt war mir klar, dass auch ich mehrere Monate ganztägig für sie verantwortlich sein will. Mit allem, was dazugehört: den Haushalt schmeißen, Essen kochen für die Familie und mich rund um die Uhr mit dem Kind beschäftigen. Glücklicherweise deckte sich mein Wunsch mit dem meiner Frau, möglichst rasch wieder Vollzeit in ihren Beruf zurückzukehren.

Vor der Karenz hatte ich große Pläne, was ich nicht alles mit Josefine unternehmen möchte. Jetzt bin ich teilweise schon froh, wenn wir zwischen Frühstück und Mittagessen eine längere Runde spazieren sind. Die emotionalsten Momente als Vater erlebe ich bei alltäglichen Dingen. Plötzlich lässt sich Josefine von mir schlafen legen, was noch vor wenigen Wochen undenkbar war. Ich habe erste Stehversuche oder das erste Gebrabbel miterlebt. Und es gibt neuerdings Situationen, in denen nur ich sie zum Lachen bringen kann."

Markus Kramer (31) ist derzeit in Karenz. Tochter Josefine ist gerade ein Jahr alt geworden. Die Familie lebt in Wien.

"Meine Vaterrolle wurde sehr mütterlich"

"Ich liebe das Gefühl, mich um jemanden kümmern zu können. Das ist es, was für mich Vatergefühle ausmacht. Zugleich bringt das Vatersein natürlich immer auch Sorgen mit sich: Was ist, wenn die Kinder krank werden oder ihnen etwas passiert? Mein Mann und ich wollten schon länger Kinder. Vergangenen Dezember war es dann endlich so weit: Wir wurden Väter von Zwillingen, von zwei Mädchen. Wir haben uns zwei kurze Namen für sie ausgesucht, Mia und Lia, weil sie gut zum vietnamesischen Nachnamen meines Mannes passen. Bevor die Kinder da waren, habe ich als Koch gearbeitet. Seit Februar bin ich für eineinhalb Jahre in Karenz bei den Mädchen zu Hause, während mein Mann arbeiten geht.

Stefan Tuma Nguyen (37) und sein Mann sind Eltern von Zwillingsmädchen, Mia und Lia. Die beiden sind sechs Monate alt.
Foto: Robert Newald

Ich könnte mir im Moment nichts Schöneres vorstellen, als bei den beiden zu Hause zu sein und ihre Erfolge mitzuerleben. Die Mädchen haben kürzlich gelernt, sich umzudrehen. Die eine beginnt jetzt auch zu krabbeln. Ich möchte keine Minute missen, auch wenn es bei Zwillingen natürlich sehr stressig werden kann und ich schon mal an meine Grenzen komme. Vor allem weil ich nebenbei auch den Haushalt erledige, also putze, Wäsche wasche, einkaufen gehe, koche und so weiter. Wenn ich eines der Mädchen trage, will die andere auch getragen werden. Jetzt geht es auch langsam los mit Brei, das ist natürlich auch aufwendig. Aber bei meiner Arbeit in der Gastronomie habe ich gelernt, Stress auszuhalten und mich zu organisieren. Zum Glück habe ich auch Hilfe von den Großeltern.

Zu meiner Vaterrolle muss ich sagen, dass sie ungeplant sehr mütterlich geworden ist. Ich bin der Fürsorgliche, der die Mädchen viel tröstet. Mein Mann macht eher die wilderen Sachen und gibt die allabendliche Spaßkanone nach seinem Dienst."

Stefan Tuma Nguyen (37) und sein Mann sind Eltern von Zwillingsmädchen, Mia und Lia. Die beiden sind sechs Monate alt.

"Mein Vatersein war eine Reise"

"Ich bin vor drei Wochen zum dritten Mal Vater geworden, und es war bereits eine ziemliche Reise. Unsere erste Tochter kam zur Welt, als meine Frau, damals noch meine Freundin, und ich studiert haben. Geplant war das nicht, ich war gerade auf Auslandssemester in Japan. Über Skype habe ich dann erfahren, dass ein Baby im Anmarsch ist. Am Ende der Schwangerschaft wollte meine Frau noch einmal verreisen und ist mit ihrer Mutter nach Südfrankreich gefahren. Dort kam Sophie als Frühgeburt zur Welt. Ich habe den ersten Flieger genommen, und wir haben den ersten Monat ihres Lebens in Marseille verbracht. Eine fordernde Zeit, aber sie hat uns sicher geprägt. Wir haben uns von einer Erfahrung zur nächsten gehangelt, es war nicht alles immer geplant, aber hat dann doch immer funktioniert.

Vaterschaft als Reise: Johannes Godler mit zwei seiner drei Kinder.
Foto: Robert Newald

Wie ich als Papa sein möchte, habe ich mir nicht groß im Voraus überlegt. Ich bin eher in die Rolle hineingewachsen. Vatersein ist ein ständiges Learning by Doing – und nicht immer ist der Alltag mit Kindern konfliktfrei. Mit unserer Ältesten kann man beispielsweise schon wirklich gut argumentieren. Mir ist es wichtig, nach einem Konflikt immer zu überlegen: Warum hat das jetzt nicht so gut funktioniert? Wie könnte es künftig anders gehen?

Ich will auch ein emotionaler Anker für meine Kinder sein und mit ihnen über Gefühle sprechen. Ich bin vor meinen Kindern traurig und mit meinen Kindern traurig. Erst letztens gab es so eine Situation, in der ich mit meiner Tochter Sophie zusammen geweint habe. Mir ist es auch wichtig, für meine Kinder präsent zu sein. Ich bin ja nicht Vater, damit ich sie dann in 18 Jahren vor die Tür setzen kann. Ich möchte etwas von ihnen mitbekommen, und das geht nur, indem man sich Zeit nimmt."

Johannes Godler (31) hat zusammen mit seiner Frau drei Kinder im Alter von sechs Jahren, zwei Jahren und drei Wochen.

"Ich mag es, meiner Tochter Gutes zu tun"

"Für mich war es immer erschreckend, wenn ich mitbekommen habe, dass Kinder weinen, wenn der Papa sie ins Bett bringen soll. Das wollte ich nie, ich wollte eine starke Bindung zu meiner Tochter. Also bin ich, als Marie ein Jahr alt war, für zwölf Monate in Karenz gegangen. Diese Zeit habe ich sehr genossen, muss aber gestehen, dass ich drei Monate gebraucht habe, um reinzufinden. Mitunter auch, weil ich häufig auf mich allein gestellt war, da meine Frau berufsbedingt 30 Stunden am Stück weg war.

Tim Scheuringer arbeitet Teilzeit, um seine Tochter Marie viel zu sehen.
Foto: privat

Seit dem Ende meiner Karenz arbeite ich Teilzeit in meinem Beruf als diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger. Nebenbei kümmere ich mich um unsere Tochter, den Haushalt, eine Katze und zwei Hasen. In meiner Rolle fühle ich mich sehr wohl, auch wenn ich in meinem Freundeskreis und im Ort der einzige Vater bin, der die Rolle in diesem Ausmaß lebt. Meine Freunde reagieren zwar anerkennend, zum Teil würden sie es sich jedoch selbst nicht zutrauen. In unserem 800-Seelen-Dorf in den niederösterreichischen Voralpen ist mein Weg auch nicht so der klassische. Oftmals wurde ich von Nachbarn älterer Generationen dafür gelobt, wie toll denn das nicht sei, dass ich als Vater mich dem Kind und Haushalt in der Art und Weise widme. Für mich persönlich ist das eine Selbstverständlichkeit.

Das Vatersein ist enorm bereichernd für mich, für meinen Charakter. Ich reflektiere mehr über mich selbst, mein Verhalten. Ich mag das Gefühl, gebraucht zu werden, ich mag es, meiner Tochter Gutes zu tun und ihr etwas für ihr Leben mitzugeben. Was Vatergefühle für mich sind? Ich würde sagen, die bedingungslose Liebe zueinander."

Tim Scheuringer (32) hat eine sechsjährige Tochter. Er und seine Frau erwarten ein zweites Kind.