Der Nachfolgemechanismus des UN-Tribunals für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien (IRMCT) hat am Dienstag das rechtskräftige Urteil im Fall des früheren Militärchefs der bosnischen Serben, Ratko Mladić, verkündet und das Urteil von 2017 bestätigt. In erster Instanz war Mladić damals wegen Völkermords in der ehemaligen ostbosnischen Uno-Schutzzone Srebrenica und anderer Kriegsverbrechen zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Mit dem Schuldspruch ist der Instanzenweg für Mladić nunmehr ausgeschöpft.

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Die lebenslange Haftstrafe für Ratko Mladić wurde am Dienstag bestätigt.
Foto: REUTERS/Dado Ruvic

In Bosnien-Herzegowina tauchen derzeit allerdings vermehrt Graffiti auf, die ihn verherrlichen. Mladić wird etwa in Foča – einer Stadt in Ostbosnien, in der systematische Vergewaltigungen, Versklavungen, Morde und Raubüberfälle auf Menschen mit muslimischen Namen stattfanden –, aber auch in Kalinovik, in Bosanska Gradišca und in Bratunac auf Wandbildern gepriesen.

"In Feuer und Sturm schwirrt dein Name durch die Republika Srpska", heißt es auf der Inschrift gegenüber dem Graffito in Foča, der Stadt, aus der die meisten verurteilten Kriegsverbrecher stammen. Die wenigen muslimischen Rückkehrer müssen sich das Bild des ehemaligen Generals der Armee der Republika Srpska ansehen, der jahrelang alle Bosnier, die keinen serbisch-orthodoxen Namen hatten, vertrieb, ermordete und terrorisierte.

Fakten geleugnet

Weil rechtsradikale Nationalisten auch 26 Jahre nach Ende des Kriegs in Bosnien-Herzegowina weiter an der Macht sind und den öffentlichen Diskurs bestimmen, ist von Reue, Aufklärung und einem Entgegenkommen gegenüber den Opfern keine Spur. Im Gegenteil: Die Fakten werden mehr denn je geleugnet und verdreht, die Angehörigen der Ermordeten damit verhöhnt und der gleiche aggressive Rassismus gepflegt wie in den Kriegsjahren (1992–1995).

Der rechtsradikale Politiker Milorad Dodik, Chef der Partei SNSD und Mitglied im Staatspräsidium, erklärte vor der Urteilsverkündung, dass Mladić kein Krimineller, sondern ein "Soldat" gewesen sei. "Sie wollen einen Verbrecher aus ihm machen, was für das serbische Volk und für mich als Präsident dieses Volkes inakzeptabel ist", sagte Dodik. Er verfolgt die gleichen politischen Ziele wie Mladić: die Schaffung einer territorialen Einheit entlang eines rassistisch definierten Volkskörpers.

Angehörige in Den Haag

Der Konflikt in Bosnien-Herzegowina ist nicht zu Ende. Doch das Mladić-Urteil hat vor allem für die Angehörigen der Opfer große Bedeutung. Manche der Überlebenden, die etwa ihre Brüder, Männer und Söhne verloren haben, erwarteten sehnlichst den Rechtsspruch in Den Haag. Der Strafgerichtshof für das ehemaligen Jugoslawien wurde bereits 2017 geschlossen, aber es gibt nach wie vor einen Gerichtsmechanismus für Urteile zweiter Instanz. Das Mladić-Urteil wurde von einer fünfköpfigen Berufungskammer gefällt. Drei Richter wurden im Vorfeld wegen "Voreingenommenheit" ausgeschlossen.

Mladić wurde 2017 in erster Instanz nicht nur für den Völkermord und die Vertreibungen und gezielten Ermordungen von Nichtserben ab dem Jahr 1992 in Bosnien-Herzegowina verurteilt, sondern auch für den Terror, den die Einwohner von Sarajevo dreieinhalb Jahre erleiden mussten, als die Stadt unentwegt beschossen wurde, sowie für die Geiselnahme von UN-Soldaten.

Ziel war Großserbien

Bereits im Kroatienkrieg (1991–1995) begann Mladić mit den ethnischen Säuberungen und attackierte etwa das Dorf Kijevo. Als ein Jahr später der Krieg im Nachbarstaat Bosnien-Herzegowina begann, wurde die Armee der 1991 illegal geschaffenen Separatistenregion Republika Srpska innerhalb von Bosnien-Herzegowina von Serbien mit Waffen beliefert. Und Mladić wurde der Chefstratege von Gnaden des serbischen Präsidenten Slobodan Milošević. Ziel war es, Bosnien-Herzegowina zu zerstören und einen Teil an ein geplantes Großserbien anzuschließen. Deshalb sollten die Bosnier, die keine serbisch-orthodoxen Namen hatten, vertrieben oder ermordet werden. Mladić begann mit dieser Terrorkampagne bereits im Jahr 1992.

Er wusste, dass er Völkermord begehen würde. Im Mai 1992 sagte Mladić zur Führungselite der Republika Srpska, er wüsste nicht, wie man das später der Welt erklären sollte: "Leute, das ist Genozid!" Bereits 1992 wurden in Ostbosnien mehr Leute vertrieben und ermordet als am Ende des Kriegs 1995, als der Völkermord durchgeführt wurde.

"Unter direktem Feuer!"

Sarajevo wurde eingekesselt und unter Dauerbeschuss genommen. "Lassen Sie die Präsidentschaft und das Parlament unter direktem Feuer!", ordnete Mladić an. Auch das Herz der Stadt, die Baščaršija, wurde auf Anordnung des Generals beschossen, Spitäler, Museen und Büchereien zerstört. "Ich verteidige nur meine Leute", erklärte der Oberbefehlshaber.

Als er im Juli 1995 die ostbosnische Stadt Srebrenica einnahm – ein jahrelanger Zufluchtsort für tausende Flüchtlinge aus den umliegenden Dörfern –, obwohl die Vereinten Nationen versprochen hatten, diese Sicherheitszone zu beschützen, verkündete Mladić vor den Kameras, die er mitführen ließ: "Hier sind wir am 11. Juli 1995 im serbischen Srebrenica. Am Vorabend eines weiteren großen serbischen Feiertags präsentieren wir diese Stadt dem serbischen Volk."

Wahnsinnig vor Angst

Dann begann das große Morden. Allein zwischen 13. und 19. Juli 1995 wurden mehr als 8.000 Menschen getötet, die meisten von ihnen Männer und Burschen. Tausende andere versuchten zu entkommen und in ein Territorium zu gelangen, das unter der Kontrolle der Armee von Bosnien-Herzegowina stand. Aber auch diese Flüchtlinge wurden vielerorts von den Schergen Mladićs angegriffen und ermordet. Viele irrten noch wochenlang durch die Wälder, ernährten sich von Schnecken und Beeren, manche wurden wahnsinnig vor Angst.

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Beim Genozid in Srebrenica wurden mehr als 8.000 muslimische Männer und Buben brutal ermordet.
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Mladić wurde bereits im November 1995 angeklagt. Er zog nach Serbien, er besuchte Fußballmatches und Restaurants in Belgrad. Später begann er sich zu verstecken. Er wusste aber mächtige Gehilfen des Staates an seiner Seite. Erst 2011 konnte er verhaftet werden und behauptete auch während des Prozesses, er habe nur "seine Leute" verteidigt. Zudem sprach er von einer Verschwörung des Vatikans, der USA und Deutschlands. Er zeigte keinerlei Reue oder Einsicht.

Völkermordanklage auch für 1992

Im erstinstanzlichen Urteil im Jahr 2017 wurde Mladić in zehn der elf Anklagepunkte der Haager Staatsanwaltschaft für schuldig befunden. Er wurde nur vom Vorwurf des Völkermords in sechs Gemeinden im Jahr 1992 – Prijedor, Sanski Most, Ključ, Kotor Varoš, Foča und Vlasenica – freigesprochen.

Chefankläger Serge Brammertz sagte erst kürzlich, dass es genügend Beweise gebe, um ihn auch in diesen Fällen wegen Völkermords zu verurteilen. Es sei immer die Annahme der Staatsanwaltschaft gewesen, dass das, was in den fünf Gemeinden 1992 geschah, bereits der Beginn des Genozids gewesen sei, erklärte Brammertz. "Die Absicht des Völkermords war bereits vorhanden, als Mladić massive ethnische Säuberungen und Vernichtungen in diesen Gemeinden anordnete."

Brammertz für Leugnungsgesetz

Wenn Mladić allerdings auch dafür verurteilt worden wäre, hätte sich vermehrt die Frage gestellt, weshalb die Internationale Gemeinschaft drei Jahre nichts getan hatte, um die Gewalt zu stoppen und die bedrohten Bosnier zu schützen. Brammertz setzte sich zuletzt auch – so wie der scheidende Hohe Repräsentant der Internationalen Gemeinschaft, Valentin Inzko – für ein Leugnungsgesetz gegen die Verherrlichung von Kriegsverbrechern und die Verleugnung von Verbrechen ein.

"Ich denke, die Leugnung von Völkermord, die Leugnung von Verbrechen und die Verherrlichung von Kriegsverbrechern ist heute eine der absolut größten Herausforderungen in den Ländern des ehemaligen Jugoslawiens", sagte Brammertz. "Was heute die Chance auf eine Versöhnung verhindert, sind in der Tat all diese verantwortungslosen Politiker, die aus innenpolitischen, egoistischen, egozentrischen Gründen den Völkermord in Srebrenica leugnen und Kriegsverbrecher verherrlichen."

Selbstmitleid in Serbien

Obwohl Mladić und der damalige politische Führer der Republika Srpska, Radovan Karadžić, während des Bosnienkriegs von Belgrad aus dirigiert und massiv unterstützt wurden, scheut das offizielle Serbien noch heute davor zurück, Verantwortung zu übernehmen. Vielmehr badet man in Selbstmitleid. Der Präsident Serbiens, Aleksandar Vučić, sagte vor dem Urteil, dieses sei für das serbische Volk und Serbien sehr schwierig. Damit nahm er indirekt auch die Bevölkerung in Geiselhaft des Kriegsverbrechers Mladić – obwohl dessen Ideologie nichts mit ihrer Zugehörigkeit zur serbischen Volksgruppe zu tun hat. Es gab und gibt natürlich viele Serben, die diesen Rassismus ablehnen.

Einige Personen, die in Bosnien-Herzegowina auch wegen Genozids angeklagt sind, leben allerdings frei im Nachbarstaat. Manche treten dort sogar im Fernsehen auf. Für die Massengewalt rund um Srebrenica im Juli 1995 wurden bisher mehr als 40 Personen in unterschiedlichen Gerichten zur Verantwortung gezogen. (Adelheid Wölfl aus Sarajevo, 8.6.2021)