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Am Samstag demonstrierten rund 10.000 Menschen in Budapest gegen das Hochschulprojekt.

Foto: Reuters / Bernadett Szabo

Die geplante Errichtung eines Ablegers der chinesischen Fudan-Universität in Budapest wird zunehmend zur politischen Belastung für den Rechtspopulisten Viktor Orbán und seine regierende Fidesz-Partei. An die 10.000 Menschen demonstrierten am Wochenende in Budapest gegen das aus ungarischen Steuergeldern zu finanzierende Hochschulprojekt. Sollte es realisiert werden, dann würde es wie die Mutteruniversität in der Metropole Schanghai unter strikter Kontrolle der Kommunistischen Partei Chinas stehen. Zudem soll es einen Grund am Donauufer geschenkt bekommen, der eigentlich für den Bau kostengünstiger Wohneinrichtungen für Studenten der Budapester Unis vorgesehen war.

Der Protest war die erste Großkundgebung seit der vergangenen Corona-Welle in Ungarn. Er verlief nicht nur in bester Stimmung, sondern erwies sich auch als Kristallisationspunkt der Opposition, die bei den Parlamentswahlen im Frühjahr 2022 erstmals vereint antreten wird.

Einer der Hauptredner war der Budapester Oberbürgermeister Gergely Karácsony. "Die Affäre Fudan handelt davon, ob diejenigen herrschen sollen, die die Politik nicht als Dienst, sondern als Herrschaft auffassen", sagte er in seiner Ansprache. "Sie handelt davon, ob wir eine freie Nation sein können. Sie ist der endgültige und komplette moralische Selbstmord des Fidesz."

Karácsony wird sich in diesem Herbst der Vorwahl für die Spitzenkandidatur der vereinten Opposition stellen.

Mithilfe der Opposition

Seine Wahl zum Oberbürgermeister Ende 2019 gab das Muster vor: Auch damals hatte er sich in einer Vorwahl durchgesetzt, um dann das Rennen gegen den amtierenden Fidesz-Bürgermeister István Tarlós mit Unterstützung der vereinten Opposition zu gewinnen.

Das Bündnis reicht politisch von links bis rechts, es schließt Sozialisten, Sozialliberale, Grüne und die ehemals rechtsextreme, aber inzwischen einigermaßen moderat gewordene Partei Jobbik (Die Besseren) ein.

Schon in der Vorwoche hatten Karácsony und die Bürgermeisterin des betroffenen neunten Budapester Stadtbezirks, die frühere Bürgeraktivistin Krisztina Baranyi, einen bemerkenswerten Coup gelandet.

Kreative Straßennamen

Den Wegen, die zum Baugelände der künftigen Fudan-Niederlassung führen, gaben sie Straßennamen und entsprechende Tafeln, die kritisch auf die repressive Politik des Pekinger Regimes verweisen: Dalai-Lama-Straße, Freies-Hongkong-Straße, Straße der uigurischen Märtyrer.

Die chinesische Botschaft in Budapest reagierte wütend über die "brutale Einmischung in die inneren Angelegenheiten Chinas". Im Orbán-Lager erkannte man den Ernst der Lage und verlegte sich auf intensives Zurückrudern.

Auf einmal gebe es gar keine konkreten Pläne, nichts würde vor dem Herbst 2022 entschieden, alles könne noch im Jahr 2023 in einem Referendum den Menschen vorgelegt werden, beeilte sich der Kanzleramtsminister Gergely Gulyás zu erklären.

Das ist freilich nicht ganz so. Immerhin existiert ein bereits unterzeichnetes Abkommen zwischen dem ungarischen Innovationsministerium und der Schanghaier Fudan-Universität. Auch ein Gesetzesentwurf, der dem Projekt eine entsprechende, politisch handverlesene Trägerstiftung verpasst, könnte, wenn er nicht zurückgezogen wird, am kommenden Dienstag im Parlament von der Fidesz-Mehrheit durchgewunken werden.

Doppelte Kraft

Die Opposition hegt keine Illusionen. Karácsony und Baranyi haben eine – nicht bindende – Volksbefragung auf den Weg gebracht. "Wir machen mit doppelter Kraft weiter", meinte die Bezirksbürgermeisterin am Dienstag in der Tageszeitung Népszava. "Die Regierung will die Menschen verunsichern. Sie will Zeit gewinnen, um das Projekt einzubetonieren." (Gregor Mayer aus Budapest, 9.6.2021)