Ungerecht finden es die Demonstranten vor der Hofburg, dass nicht alle im Gesundheitssystem ein finanzielles Dankeschön erhalten: "Jeder ist gleich viel wert."

Foto: Robert Newald

Eva F.* hätte es nicht nötig, sich in der prallen Sonne auf die Straße zu stellen. Soweit ersichtlich, dürfte die Wiener Spitalsbedienstete vom geplanten Corona-Bonus profitieren. Doch die Tatsache, dass andere durch die Finger schauen, sei "schockierend" genug, um trotzdem mit selbstgemaltem Pappschild – "Wir waren alle nicht im Homeoffice" – auf eine Demo zu gehen. "Das Werkl rennt nur, wenn alle Zahnräder ineinandergreifen", sagt sie: "Jeder ist gleich viel wert."

Zum Protest gerufen hat die Gewerkschaft. Es sind hauptsächlich Personalvertreterinnen und -vertreter, die es sich Dienstagmittag einrichten konnten, vor dem Parlamentsquartier in der Hofburg Abgeordnete abzupassen. Der Gesundheitsausschuss schickt sich an, ein Dankeschön für jene Berufsgruppen zu beschließen, die in der Corona-Krise besonders gefordert waren.

Konkret winkt ein steuerfreier Bonus von rund 500 Euro pro Kopf – wobei Länder und Einrichtungen je nach Belastung differenzieren können. In den Genuss sollen laut türkis-grüner Regierung 26.000 Ärzte, 95.000 andere Spitalsbedienstete sowie 68.000 Pflegekräfte in Heimen und mobilen Diensten kommen. Doch das sind eben beileibe nicht alle, die das Gesundheitssystem am Laufen hielten.

Unbedankter Einsatz

"Unsere Kollegen waren die Ersten, die an die Front geschickt wurden", sagt Gerhard Wöhrer, Betriebsrat beim Arbeiter-Samariter-Bund. Vom Patiententransport über die Abstriche für die Corona-Tests bis zu den Impfstraßen: Massenhaft Überstunden hätten die Rettungsdienste geschoben, erzählt er, "sehr viele Mitarbeiter haben sich angesteckt". Bis heute sei die Arbeit im wahrsten Sinne des Wortes schweißtreibend: "Bewegen Sie sich einmal in einem Schutzanzug! Nach ein paar Minuten sind Sie nass."

Von unbedanktem Einsatz weiß auch Michael Auer, Betriebsrat bei der Sucht- und Drogenkoordination Wien, zu berichten. So mancher Kollege habe viel riskiert, wenn er trotz grassierenden Virus – wie es für eine Therapie essenziell ist – den persönlichen Kontakt zu Suchtpatienten aufrechterhielt. Wer auf virtuelle Kommunikation umsattelte, habe zumindest einen viel größeren Arbeitsaufwand gehabt.

"Kleinlich bis zum Gehtnichtmehr"

Ob Sanitäter oder Behindertenbetreuer, Reinigungskraft oder Sicherheitsdienst im Krankenhaus: Sie alle sollten entgegen den Plänen den Bonus bekommen, fordern die Arbeitnehmervertreter und nehmen dabei Bedienstete in Privatspitälern nicht aus. "Mit der Gießkanne wurden Milliarden an Wirtschaftshilfe ausgeschüttet", sagt Barbara Teiber, Chefin der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA), "und dann ist die Regierung hier kleinlich bis zum Gehtnichtmehr."

Verbündete sind – no na – die in der Sache gleichgepolte SPÖ sowie die Neos: Dass Putzpersonal leer ausgeht, aber ein Chirurg, der womöglich wochenlang nicht arbeiten durfte, den Bonus bekommen könne, sei nicht durchdacht.

Im Gesundheitsausschuss verfing die Kritik nicht, ÖVP, Grüne und FPÖ brachten den Bonus auf den Weg. Ob sich die Koalition noch erweichen lässt? Eine Nachfrage im ÖVP-Klub ergibt erst einmal keinen Hinweis darauf: Das Zeichen der Wertschätzung richte sich gezielt an die Gruppen, die schon vor der Krise besonders belastet waren.

Nicht nur Busen gestrafft

Im Fokus stünden jene, "die an den Betten der Patienten arbeiten", sagt Markus Koza, Sozialsprecher der Grünen. Er verstehe aber sehr gut, dass sich manche benachteiligt fühlen: "Wir werden versuchen, für Gruppen wie das Reinigungspersonal noch etwas zu erreichen." Der Bund könne aber nicht für alle aufkommen, fügt er an. Gehe es um Einrichtungen im Einfluss der Bundesländer, solle sich die Gewerkschaft dorthin wenden. Das Gleiche gelte für gewinnorientierte Privatspitäler: Diese hätten selbst für eine anständige Honorierung zu sorgen.

Bei der Demo sorgt auch dieses Argument für Empörung. "Die Belegschaft ist am Gewinn nicht beteiligt", hält Martina Horvat, Betriebsrätin bei einem privaten Spitalsbetreiber, entgegen. Außerdem habe man in der Corona-Krise das öffentliche System entlastet, indem Operationen und andere wichtige Behandlungen übernommen worden seien: "Niemand soll uns abtun, als würden wir nur Hintern und Busen straffen." (Gerald John, 9.6.2021)

*Name von der Red. geändert