Beim Seilbahnunglück in Norditalien dürften grobe Fahrlässigkeit und kriminelle Energie im Spiel gewesen sein.

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Vor kurzem hat ein Schweizer Seilbahnfan und -filmer festgestellt, dass die Fangbremsen der Seilbahn auf den Monte Mottarotte beim Lago Maggiore dauerhaft deaktiviert waren. Wenn es zutrifft, dass die Sicherheitseinrichtung der italienischen Bahn bereits in den Jahren 2014 und 2018 durch eine Gabel dauerhaft auseinandergespreizt war, dann könnte es für die Verantwortlichen eng werden. Denn diese im Personenbetrieb unzulässige Vorgangsweise hätte auch für den Riss des Zugseils ursächlich sein können, was letztlich den Tod von 14 Touristen herbeiführte.

Vorschriften allein können ein Unglück nicht verhindern, vor allem wenn grobe Fahrlässigkeit und eine kriminelle Profitsucht mitspielen. Dennoch ist darauf hinzuweisen, dass das europäische Seilbahnrecht fortschrittlich und auch harmonisiert ist. Hier ist es vor allem die europäische Seilbahn-Verordnung des Rates und des Europaparlaments, die gleichermaßen für Italien wie für Österreich gilt. Sie ist seit dem 21. April 2018 in Kraft und in den Mitgliedsstaaten unmittelbar anwendbar. Das bedeutet, dass es an sich keiner nationalen Ausführung bedürfte.

Da aber die EU-Seilbahn-Verordnung in erster Linie eine terminologische Vereinheitlichung vorsieht sowie einer Abgleichung der Zertifizierungen und Normen für Sicherheitseinrichtungen dient, sehen nationale Gesetze die Genehmigungspflicht neuer Seilbahnen oder einen Rechtsrahmen für die Wiederrichtung bestehender Anlagen vor. Hier können die Mitgliedsstaaten strengere Vorschriften für die Genehmigung erlassen, müssen sich aber an die europäischen Zertifizierungsvorgaben halten, was auch für befugte Prüforgane gilt. Eine Gruppe von Seilbahnen, darunter historische Anlagen (vor 1986 errichtet), Aufzüge, Seilbahnen über Gewässern und Vergnügungseinrichtungen, sind von der Verordnung ausgenommen.

Österreich ist strenger

In Österreich, wo Seilbahnen jahrzehntelang als Eisenbahnen galten und daher im Eisenbahngesetz geregelt waren, besteht seit 17 Jahren ein eigenes Seilbahngesetz. Wegen der überragenden Sicherheitsbedeutung dieser Transportanlagen ist das Seilbahnwesen bundesweit einheitlich geregelt, die Länder haben aber im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung Spielraum und können auch Verordnungen erlassen. Zudem erfolgt die Kontrolle nach erstmaliger Prüfung etwa bei Umlaufsesselbahnen durch das Amt der Landesregierung im Auftrag der Landeshauptleute, für Schlepplifte gibt es – etwa in Tirol, wo eine Vielzahl derartiger Lifte steht – eine vereinfachte Prüfung auf Bezirksebene.

Das Seilbahn-Gesetz 2003 (BGBl I 103) wurde vor drei Jahren an die neue EU-Seilbahn-Verordnung angepasst (BGBl I 2018/79). Ein Novum ist die europaweit einheitliche Festlegung der Seilbahnverantwortlichen. Grundsätzlich hätte diese Verordnung auch die illegale Praxis der Betreiber in der italienischen Grenzregion zum Tessin erfasst. Sie betrifft nämlich auch sogenannte "Sicherheitsbauteile", das sind Bauteile oder Einrichtungen, die in eine Seilbahn zur Erfüllung einer Sicherheitsfunktion eingebaut werden und "deren Ausfall oder Fehlfunktion die Sicherheit oder Gesundheit von Fahrgästen, Betriebspersonal oder Dritten gefährdet".

Regelmäßige Wartungen und Überprüfungen

Es liegt auf der Hand, dass es hier gerade um jene Einrichtungen geht, die bei einer regelmäßigen Überprüfung besonders wichtig sind. Das österreichische Gesetz ist sehr streng, was die Kontrollen betrifft. Das Sicherheitsnetz umfasst regelmäßige (jährliche) Wartungen und Überprüfungen in Fünfjahresabständen auch unabhängige sachverständige Kontrollen. Somit hätte die in Italien aufgetretene Deaktivierung der Fangbremsen zumindest bei einer der Kontrollen durch die Behörden auffallen müssen; in den Medien war aber bisher nur die Rede von einer zwischen Betreiber und dem Südtiroler Erzeuger abgestimmten Wartung und Prüfung.

Unklar erscheint aber, wie es den Verantwortlichen gelingen konnte, die angeblich für unerwünschte Stopps sorgende Fangeinrichtung nur für die Tests wieder zu aktivieren. Denn es ist kaum anzunehmen, dass der Hersteller, der in das Verfahren gegen die Seilbahnverantwortlichen selbst als Nebenintervenient eingetreten ist, diese Praxis geduldet oder übersehen hat.

Die österreichische Seilbahnkatastrophe schlechthin, der Brand in der Standseilbahn Kaprun, hat ebenfalls zu Konsequenzen geführt. Nachdem sich als Ursache ein Heizlüfter identifizieren ließ, hat der Gesetzgeber bzw. die Oberste Seilbahnbehörde reagiert. Nur wenige Umbauten oder Ergänzungen sind in Österreich seither genehmigungsfrei, sie sind in einer Verordnung aufgezählt.

Gefährdungshaftung und Schadenersatz

Obwohl Seilbahnen seit 2003 nicht mehr als ein Typus von Eisenbahnen geregelt sind, gelten sie dennoch als solche, wenn es um die zivilrechtliche Haftung geht. Sollte dennoch etwas passieren sind die Geschädigten wenigstens durch die sogenannte Gefährdungshaftung des Eisenbahn- und Kraftfahrzeug-Haftpflichtgesetzes (EKHG) geschützt, dem auch Seilbahnen und (eingeschränkt) auch Schlepplifte unterliegen, nicht aber Rolltreppen oder gewisse Belustigungseinrichtungen im Prater und auf Kirtagen.

Zusätzlich zur verschuldensunabhängigen Gefährdungshaftung, die nicht überall in Europa gilt, die aber im Lichte des EU-Rechts zulässig ist (EuGH 23.10.2012, C-300/10, Marques Almeida; zu Österreich OGH 2 Ob 9/12f), tritt auch jene des ABGB, die zu Schadenersatzforderungen führen kann; in beiden Fällen geht es vom Schutzbereich her um Tötung, Personenschaden oder Schaden an Gegenständen, wobei auch Ersatz für Trauer und psychische Langzeitfolgen ein rechtlich relevantes Thema sein können.

Wenn die Tür zu schnell schließt

Das Spektrum an möglichen Haftungsfällen ist größer, als es der Super-GAU einer Seilbahn, der heute äußerst seltene Absturz oder Vollbrand einer Bahn, indiziert. Wie bei anderen, potenziell gefährlichen Fahrzeugen können auch andere Fehlfunktionen auftreten. Es können wie es auch bei einer Straßenbahn der Fall ist, Fehler auftreten, die das zu rasche Schließen einer Automatiktür bewirken (2 Ob 49/92). Wie bei U-Bahnen gibt es auch bei Seilbahnen einen gefährlichen "Spalt" (OGH 2 Ob 265/06), in dem man hängen bleiben kann.

Mitunter trifft Fahrgäste auch Mitschuld an einem Zwischenfall, etwa beim unvorsichtigen, zu frühen Aussteigen aus einem Sessellift (2 Ob 120/80, RS0023680). Wichtig erscheint, dass auch ältere Seilbahnen über ausreichend technische Einrichtungen verfügen müssen (OGH 2 Ob 262/03y), eine Nachbesserungspflicht bei Neuerungen ist damit (haftungsrechtlich) nicht verpflichtend verbunden (2 Ob 178/99m; OLG Innsbruck ZVR 2009/126 und 127, 261.), kann aber von der Seilbahnbehörde bei der Revision verlangt werden.

Sonderegeln für Schlepplifte

Gemäß der EU-Seilbahn-Verordnung 2016 sind auch Schlepplifte Seilbahnen, bei denen allerdings die Benutzer durch besondere Hilfsmitteln (etwa Ski, Snowbowards, Skibobs, Fahhrräder et cetera) eine Fahrspur benutzen. Für diesen Lifttypus gibt es eine Verordnung des Verkehrsministeriums, die bestimmte Erleichterungen für Genehmigung und Betrieb vorsieht. Dennoch sind vor allem aus Sicherheitsbedenken in den letzten Jahren zahlreiche Schlepplifte durch Sessellifte ersetzt worden. Der Grund liegt eher in den topografischen Umständen und der Lawinengefahr oder einem starken Gefälle, das bei Abrutschen verunfallter Liftbenutzer zur Gefahr eines Massenunfalls führt.

In Haftungsfragen bestehen ebenfalls Unterschiede zu fest geklemmten Pendelbahnen und Sesselliften, weil ein Betreiber nur dann für den Zustand einer Liftspur haftet, wenn ihn ein Verschulden trifft. Doch abgesehen von dieser Ausnahme unterliegen auch Schlepplifte der Gefährdungshaftung des EKHG, sind also, wie der Haftungsexperte Alexander Neumayr betont, Seilbahnen bzw. "Eisenbahnen". (Gerhard Strejcek, 14.6.2021)