Ist eine Kreuzimpfung sicher oder vielleicht sogar effizienter als zwei Stiche mit dem gleichen Vakzin? Dazu wird aktuell intensiv geforscht.

Foto: Getty Images/iStockphoto

An wenig wird derzeit mehr geforscht als an Impfungen zum Schutz gegen eine Corona-Infektion. Eine Frage, die in diesem Zusammenhang aktuell immer wieder diskutiert wird, ist die Sinnhaftigkeit einer Kreuzimpfung, also des Mischens zweier unterschiedlicher Vakzine. Konkret ein Erststich mit Vaxzevria, dem Impfstoff von Astra Zeneca, und ein Booster, also ein Zweitstich, mit Comirnaty, dem Vakzin von Biontech/Pfizer. Zwei Studien sind dazu erschienen, eine spanische und eine der Charité Berlin, an der auch der renommierte deutsche Virologe Christian Drosten beteiligt ist. Die Kernaussage bei beiden: Eine Kombination der beiden Vakzine scheint deren Wirksamkeit zu erhöhen. DER STANDARD beantwortet die wichtigsten Fragen.

Frage: Warum mischt man überhaupt Impfstoffe?

Antwort: Hintergrund der gemischten Impfserie ist eine Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) in Deutschland, nachdem die seltenen, aber schweren Komplikationen mit Thrombosen nach Astra-Zeneca-Erststichen aufgetreten waren. Vor allem Jüngere waren davon betroffen. Aus Risiko-Nutzen-Abwägungen wird deshalb in Deutschland Menschen unter 60 nach einer Astra-Zeneca-Immunisierung ein Zweitstich mit einem mmRNA-Impfstoff wie Biontech/Pfizer empfohlen. Auch einige andere Länder, Frankreich etwa, bieten diese Möglichkeit an. Wissenschaftlich abgesegnet ist das allerdings noch nicht. Experten sehen noch einen Mangel an verlässlichen Daten zu Sicherheit und Wirksamkeit. Und auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt vorerst eine Kombination unterschiedlicher Vakzine nicht.

Frage: Hilft eine Kreuzimpfung besser als nur ein Vakzin?

Antwort: Zwei Studien scheinen das nahezulegen. Eine entstand im Auftrag des spanischen Gesundheitsministeriums, 679 Probanden nahmen daran teil. Durch die Kombination Astra Zeneca und danach Biontech/Pfizer stieg das Antikörperniveau um mehr als das Siebenfache. Bei zwei Stichen mit Astra Zeneca wurde dagegen nur eine Verdoppelung der Antikörper beobachtet.

Eine vorläufige Auswertung einer Studie der Berliner Charité zeigt, dass eine Mischimpfung wohl keine Nachteile bei Wirkung und Verträglichkeit bedeutet. Eine Kombination mit Verabreichung im Abstand von zehn bis zwölf Wochen sei gut verträglich, schrieb Charité-Wissenschafter Leif Erik Sanders auf Twitter. Erhoben und verglichen wurden die Daten von rund 340 Mitarbeitern des Gesundheitswesens. Ein Teil wurde komplett mit Biontech/Pfizer immunisiert, ein weiterer erhielt besagte Kombination. Diese Studie wurde als sogenanntes Preprint veröffentlicht, das heißt, eine Überprüfung durch externe Experten und die Publikation in einer Fachzeitschrift stehen noch aus.

Frage: Was genau ist der Vorteil einer Kombi-Impfung?

Antwort: Einerseits sollen dadurch seltene schwere Komplikationen wie Thrombosen minimiert werden. Andererseits erhofft man sich eine höhere Antikörperkonzentration, wie es die spanische Studie ja auch zeigt. Insgesamt gibt es allerdings noch einige Unklarheiten dazu. So merkt etwa Molekularbiologe Martin Moder auf Twitter dazu an, dass die Fähigkeit der Antikörper, nach Kreuzimpfung fest an das Spike-Protein zu binden, deshalb so ausgeprägt sein könnte, weil der Abstand zwischen Erst- und Zweitstich länger war, jeweils zehn bis zwölf Wochen. Die Antikörper hätten dadurch mehr Zeit zur Reifung.

Frage: Wie sieht es mit den Nebenwirkungen aus?

Antwort: Hier gibt es unterschiedliche Ergebnisse. Die spanische Studie sieht keine signifikant stärkeren Nebenwirkungen. Die Studie der Berliner Charité stellt eine gute Verträglichkeit fest. Dazu etwas im Widerspruch scheinen die Erkenntnisse einer Studie der Universität Oxford zu stehen, die im Fachmagazin "The Lancet" veröffentlicht wurde. Die hat sich explizit die Nebenwirkungen bei Mischimpfungen angesehen und stellt eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für milde und moderate Nebenwirkungen nach der zweiten Dosis fest. Konkret kam es bei den Studienteilnehmern zu vermehrten Arbeitsausfällen am Tag nach der Impfung wegen milder oder moderater Kopfschmerzen, Müdigkeit, Fieber und allgemeinem Krankheitsgefühl. Anlass zur Sorge um die Patientensicherheit gebe es aber nicht, haben die Wissenschafter betont.

Frage: Wie hoch ist die Schutzwirkung gegen Mutationen?

Antwort: Dazu gibt es eine kleinere Studie der Universität Ulm. Bei zwei Stichen im Abstand von acht Wochen zeigt sich, dass die Impfwirkung bei der Delta-Variante, also der indischen Mutation, gleich gut ist. Bei der englischen und der südafrikanischen Mutation schneidet die Kreuzimpfung sogar etwas besser ab. Allerdings sind das Zellkulturdaten und kein direktes Messen der Wirksamkeit, wie Biologe Martin Moder zu bedenken gibt. Aktuell führt außerdem Virologin Dorothee von Laer in Tirol eine Studie zu Mischimpfungen mit rund 3.000 Teilnehmern durch. Von dieser erwartet sie sich neue Aufschlüsse darüber, ob Mischimpfungen besser gegen "Fluchtmutanten" wirken. Abschließende Ergebnisse wird es da wohl erst Ende des Jahres geben. Zwischenergebnisse kündigt von Laer aber auf Nachfrage schon für den Sommer an.

Frage: Kann man in Österreich überhaupt eine Mischimpfung bekommen?

Antwort: Nein, an sich nicht. Das Nationale Impfgremium (NIG) rät in seiner aktualisierten Anwendungsempfehlung klar davon ab, Vakzine zu mischen. Der Grund: Das wäre eine Off-Label-Anwendung mit unsicherer Konsequenz, sowohl was den Schutz als auch was die möglichen Nebenwirkungen betrifft. Prinzipiell ist ein anderer Impfstoff für den Zweitstich aber möglich. Den verantwortlichen Ärztinnen und Ärzten wird in diesem Fall empfohlen, Aufklärung und den ausdrücklichen Wunsch der zu impfenden Person explizit zu dokumentieren.

Frage: Wird diese Immunisierung so anerkannt wie zwei Stiche mit demselben Vakzin?

Antwort: Die Öffnungsverordnung spricht von zwei Dosen und differenziert hier nicht zwischen einzelnen Impfstoffen. Demnach ist dies in Österreich für den grünen Pass unproblematisch, heißt es dazu auf Anfrage aus dem Gesundheitsministerium. In anderen Ländern kann das aber teils unterschiedlich gehandhabt werden. (Pia Kruckenhauser, 10.6.2021)