Die SPÖ fordert ein neues Staatsbürgerschaftsrecht.

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Wien – Die SPÖ fordert einen leichteren Zugang zur österreichischen Staatsbürgerschaft. Demnach soll es einen Rechtsanspruch auf die Staatsbürgerschaft nach sechs Jahren rechtmäßigen Aufenthalts geben. In Österreich geborene Kinder sollen automatisch die Staatsbürgerschaft bekommen. Eine strikte Ablehnung dieser Pläne kommt von den ÖVP-Ministern Karl Nehammer und Susanne Raab sowie von der FPÖ.

Diese Reformvorschläge gehen auf einen Antrag der Sozialistischen Jugend auf dem SPÖ-Parteitag 2018 zurück, der der Arbeitsgruppe Migration unter Leitung des Kärntner Landeshauptmanns Peter Kaiser zugewiesen wurde. Von dieser wurden die Vorschläge ausgearbeitet und dann im Bundesparteivorstand einstimmig beschlossen.

Sechs Jahre

Nach sechs Jahren rechtmäßigen Aufenthalts soll es demnach einen Rechtsanspruch auf die Staatsbürgerschaft geben – sofern alle weiteren Kriterien erfüllt sind. Bei kurzfristigen Unterbrechungen des Aufenthalts – bis hin zu einem Auslandssemester – soll diese Zeit nachgeholt werden können und nicht dazu führen, dass die Frist neu zu laufen beginnt.

Wenn ein positiver Asylbescheid erfolgt, ist der Zeitraum anzurechnen. Bei negativer Entscheidung des Asylverfahrens gibt es keine Möglichkeit zur Beantragung einer Staatsbürgerschaft, auch wenn sechs Jahre vergangen sind.

Richtung Geburtsortsprinzip

Dem Staatsbürgerschaftsrecht will die SPÖ auch ein Element des "Geburtsortsprinzips" hinzufügen: Ein in Österreich geborenes Kind soll automatisch bei der Geburt die Staatsbürgerschaft bekommen, wenn zumindest ein Elternteil fünf Jahre legal im Bundesgebiet aufhältig ist. Dass sich hier geborene und aufgewachsene Menschen mühsam ihren Weg zur Staatsbürgerschaft bahnen müssen, hält die SPÖ für "desintegrativ", es trenne in den Schulklassen und hemme die Teilhabe.

Gebührenstreichung

Senken will die SPÖ auch die finanziellen Hürden für den Pass. Die Staatsbürgerschaft soll all jenen Personen offenstehen, die in den letzten sechs Jahren zumindest in 36 Monaten nicht zum überwiegenden Teil die Sozialhilfe bezogen haben. Die Bundesgebühren von derzeit 1.115 Euro für die Einbürgerung sollen ersatzlos gestrichen werden. Die Landesgebühren, die derzeit in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich hoch sind, sollen auf entsprechend niedrigem Niveau vereinheitlicht werden.

Statt der derzeitigen Prüfung in Multiple-Choice-Form zur Erlangung der Staatsbürgerschaft schlägt die SPÖ einen Staatsbürgerschaftslehrgang vor, "der partizipativ unsere Grundrechte und Demokratie erfahrbar macht". Grundkenntnisse der demokratischen Ordnung und der daraus ableitbaren Grundprinzipien sowie der Geschichte Österreichs, der liberalen Demokratie, sollen auf Basis dieses Lehrgangs vermittelt werden.

Kaiser: "Paradigmenwechsel"

Kaiser spricht von einem "Paradigmenwechsel", die SPÖ wolle damit den Zusammenhalt in Österreich stärken. "Damit sollen Antworten auf neue Lebensrealitäten gegeben, die Integration gefördert und Teilhabe ermöglicht werden. Im Vordergrund stehen nicht mehr Faktoren wie die Herkunft der Eltern oder finanzielle Hürden, sondern die persönliche Entscheidung. Die SPÖ tritt für ein Staatsbürgerschaftsrecht ein, das nicht mehr die Vergangenheit in den Fokus nimmt, sondern die gemeinsame Zukunft", erläuterte der Kärntner Landeshauptmann.

Für Integrationssprecherin Nurten Yilmaz ist die Staatsbürgerschaft "nicht die Krone, sondern der Motor der Integration".

ÖVP und FPÖ dagegen, SOS Mitmensch dafür

Entschiedene Ablehnung für diese Pläne kommt von den beiden ÖVP-Regierungsmitgliedern Nehammer und Raab. Der Innenminister kritisierte, dass damit jeder, der nach Österreich kommt, automatisch nach sechs Jahren die Staatsbürgerschaft erhalten würde. "Das würde einen massiven Pull-Effekt für Zuwanderung auslösen. Wer die österreichische Staatsbürgerschaft bekommen will, muss auch einen entsprechenden Beitrag in der Gesellschaft leisten – das 'Hiersein' alleine kann dafür keinesfalls reichen", sagte Nehammer.

Auch die Integrationsministerin meinte, dass die Staatsbürgerschaft ein hohes Gut sei, das man nicht leichtfertig vergeben dürfe. "Staatsbürgerschaft vor Integration, wie es die SPÖ möchte, wird es mit uns nicht geben", betonte Raab. Die beiden ÖVP-Leute gehen nach einer ersten Einschätzung davon aus, dass mit den SPÖ-Vorschlägen knapp eine halbe Million Drittstaatsangehörige auf einen Schlag österreichische Staatsbürger werden könnten und damit wahlberechtigt wären – EU-Bürger nicht eingerechnet.

Heftige Kritik äußerte der designierte FPÖ-Chef Herbert Kickl. Er sieht darin das Motto "Neue Wählerschaft durch Einbürgerungen quasi am Fließband". Seiner Ansicht nach sollte sich die SPÖ Migrationspartei Österreichs – kurz MPÖ – nennen. Für Kickl ist das "nicht visionär für Österreich, das ist heimatzerstörend". Die SPÖ-Spitze wäre seiner Meinung nach "besser bei den Grünen aufgehoben". "Die Staatsbürgerschaft muss man sich verdienen. Sie ist ein hohes Gut und kein beliebiger Fetzen Papier", sagte Kickl in einer Aussendung.

Die Menschenrechtsorganisation SOS Mitmensch begrüßt hingegen die SPÖ-Vorschläge und sieht darin eine Positionierung für faire Einbürgerungsbedingungen. (APA, 9.6.2021)