Susanne Kalss sieht den Öbag-Aufsichtsrat als "fachlich sehr gut geeignet" an.

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Wien – Nach dem diensttägigen Abgang des bisherigen Öbag-Chefs Thomas Schmid wurden auch Rufe nach einem Rücktritt des Aufsichtsrates der Staatsholding laut. Die Rechtsprofessorin der Wirtschaftsuniversität Wien und Aufsichtsrat-Expertin Susanne Kalss sieht den Aufsichtsrat jedoch als "fachlich sehr gut geeignet" an. Eine Erneuerung sei aus ihrer Sicht zwar möglich, aber "nicht zwingend erforderlich", so Kalss am Mittwoch im Ö1-Morgenjournal des ORF-Radio. In Zukunft wäre eine Doppelspitze aber besser für die Öbag.

Grundlegendes "Strukturproblem"

Der Aufsichtsrat habe Schmid aus wichtigem Grund sowie wegen Unzumutbarkeit abberufen. "Wenn ich den ganzen Tag damit fülle, dass ich meine Chats kontrolliere und so meine Aufgaben nicht mehr erfüllen kann, dann liegt der wichtige Grund vor", so Kalss. Darüber hinaus sei dieser Zustand nicht mehr zumutbar für die Öbag gewesen, die immerhin knapp 27 Milliarden Euro an Staatsvermögen verwaltet.

Damit habe der Aufsichtsrat "erstmals frei seine Personalkompetenz wahrgenommen", so Kalss. Zuvor sei die Corporate Governance bei der Öbag "auf den Kopf gestellt gewesen", da der Aufsichtsrat vom künftigen Vorstand besetzt wurde und nicht umgekehrt. Das sei das grundlegende "Strukturproblem" der Öbag gewesen. Das Öbag-Gesetz sei als solches gut, aber hier "ist es eigentlich pervertiert worden".

Freie Entscheidung

Nun – nach Schmids Rücktritt – habe der Aufsichtsrat aber die Möglichkeit, frei und ohne Druck einen neuen fachlich qualifizierten Vorstand zu bestellen, so Kalss. "Ich glaube, dass das durchaus fachlich geeignete Personen sind", so Kalss. Dieses "Problem Schmid, also diese Steuerbarkeit" sei nun nicht mehr gegeben. Der Aufsichtsrat könne daher seine Aufgaben "im Sinne des Gesetzes und im Sinne der besten Interessenverfolgung" wahrnehmen.

In Zukunft wäre aber ein Doppelvorstand jedenfalls vorzuziehen. Die Bestellung mehrerer Vorstände sei auch bisher immer schon möglich gewesen, leider habe der Aufsichtsrat davon aber keinen Gebrauch gemacht.

Verbesserungspotential

Zur in mehreren Medien kolportierten Abfertigung für Schmid in Höhe von 200.000 bis 250.000 Euro sagte Kalss, dass eine solche zwar möglich sei, da die Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit Schmid einvernehmlich gewesen sei. "Man hätte das aber auch anders machen können," sagte die Expertin.

Die Aussagen von der Interimschefin der Öbag, Christine Catasta, die bei einer Diskussion am Dienstagabend gesagt hat, Chats wie Schmid habe "jeder am Handy", seien "absolut überflüssig" gewesen, meinte Kalss. (APA, red, 9.6.2021)