Joško (links) und Konstantin Vlasich auf der Bühne der Kuga. Hinter ihnen jene handgemalten "psychedelischen" Schilder aus den 1980er-Jahren, mit denen Vater Joško und andere ihre Kampagne für zweisprachige Ortstafeln gestartet haben.

Foto: Heribert Corn

Das Akronym KUGA leitet sich ab von KUlturna zadruGA; das heißt Kulturgenossenschaft. Als Wort heißt Kuga allerdings Pest. Das war in der Gegend des mittelburgenländischen Veliki Borištof, also Großwarasdorf, ausreichend provokant, um bis heute im Gespräch geblieben zu sein. Die Kuga, die im nächsten Jahr ihren Vierziger feiert, ist längst zum weit über die Volksgruppe ausstrahlenden, kulturellen Zentrum der Burgenlandkroaten geworden.

Joško Vlasich, Frontmann der Krowodnrocker von Bruji, war Mitbegründer der Kuga und wohl ihr bekanntestes Gesicht. Sohn Konstantin trat in sein Fußstapfen, um nun auch neue Wege zu gehen. DER STANDARD traf die beiden für ein STANDARD-Sonderheft in der Kuga. Das Thema des vierfärbigen Heftes lautet: "Leben im Burgenland". Burgenlandkroaten haben dazu ihre eigenen Geschichten zu erzählen.

STANDARD: Kako je živjeti kao Hrvat u Gradišću? Wie lebt es sich als Kroate im Burgenland? Welche Erfahrungen hat der Vater, welche der Sohn gemacht?

Joško Vlasich: Wann wird einem das überhaupt bewusst, dass man anders ist? Ein Burgenländer zwar, aber eben anders. Bei mir ist das erst passiert, als ich ins Gymnasium nach Eisenstadt gekommen bin mit elf Jahren. Der Name wurde nicht mehr so ausgesprochen wie zu Hause. Ich war auf einmal nicht mehr der Joško, sondern der Pepi; und Wlaschitz oder Flasik, alles mögliche, nur nicht Vlašić .

Konstantin Vlasich: Wie sprichst du es eigentlich aus?

Joško V.: Vlašić.

Konstantin V.: Schon. Aber auf Deutsch?

Joško V.: Eine Zeitlang Wlasitsch. Da hat's einige Varianten gegeben. Aber Flasich wie du hab ich nie gesagt.

Konstantin V.: Bei mir hat sich das eingebrannt. Keine Ahnung warum, aber es hat mir niemand ausgebläut, dass es zumindest ein W, nicht ein F sein sollte.

Das Anderssein

STANDARD: Deutsch haben Sie schon in der Volksschule gelernt?

Joško: Ich hab eine fünfte Klasse Volksschule machen müssen in Großwarasdorf. Der Direktor hat gemeint, du musst besser Deutsch können, wenn du aufs Gymnasium gehst. Aber Deutsch hab ich auf einem Sommerlager gelernt in Niederösterreich. Ich war der einzige nichtdeutsche Muttersprachler. Das war hart, aber ich war ein guter Fußballer, und so binnen kürzester Zeit mittendrin.

STANDARD: Bei Ihnen war das schon anders?

Konstantin V.: Ich weiß gar nicht, wann ich angefangen habe, Deutsch zu sprechen. Man erzählt mir, das war im Kindergarten.

Joško V.: Das stimmt, zu Hause haben wir mit dir nur Kroatisch gesprochen. Aber natürlich habt ihr alle auch die deutschsprachigen Fernsehsender geschaut.

STANDARD: Und gleich deutsches Deutsch gelernt?

Konstantin: Nein. Ich glaube, dieser deutschländische Einschlag kommt eher von YouTube. Oder auch von HipHop, vom Deutschrap.

Umgangssprache und -ton

STANDARD: Die Umgangssprache im Dorf war damals Kroatisch?

Konstantin V.: In der Volksschule schon noch. Ich bin dann in Oberpullendorf ins mehrsprachige Gymnasium gegangen, in eine kroatisch-ungarische Klasse. Aber die Umgangssprache wurde mehr und mehr Deutsch. Ich merke erst jetzt, im Freundeskreis und im Umfeld der Kuga, wo ein Gutteil Kroatisch reden könnte, aber gesprochen wird auf Deutsch.

Joško V.: Wenn ich dir so zuhöre! Unser Thema war damals, warum müssen wir, wenn zehn Leute zusammenkommen und einer ist deutschsprachig, auf Deutsch switchen? Bei Sitzungen in der Kuga hab ich manchmal leise simultan übersetzt. Ich finde wesentlich, dass man versteht, wie wichtig das für uns ist. Es ist doch immer irgendeiner da, der nicht Kroatisch kann.

Konstantin V.: Für mich als Autor ist entscheidend: wie kann ich Zweisprachigkeit auf die Bühne bringen, in den Medien umsetzen, im Radio zum Beispiel, ohne dass es gleich fad wird?

Das Interkulturelle

STANDARD: In der Kuga, mit Bruji und dem Krowodnrock haben Sie versucht, nicht nur das Kroatische zu bewahren, sondern das Zweisprachige, das Interkulturelle zu forcieren.

Joško V: Das war eine Reaktion auf den jahrelangen Zwist zwischen den Assimilationskroaten und den, sagen wir: Konservenkroaten. Wir wollten das dazwischen Schillernde, das Burgenländische, wenn man so will. Heutzutage wird das Mehrsprachige ja auch von außen als Markenzeichen, als Merkmal das Burgenlandes wahrgenommen: Land der Vielfalt.

Konstantin V.: Wenn das so wichtig ist, dann müsste man ja auch entsprechende Förderungen lukrieren können. Die großen Fördertöpfe aber stehen im Bund. Das Land rühmt sich zwar der Mehrsprachigkeit, aber befördern tut es das wenig.

Joško V.: Das ist eben auch Bundesangelegenheit, und ich find das schon ganz gut. Am besten geklappt hat damals mit der Jugend, den Kindern, das hast du ja miterlebt, Konstantin. Wir haben in der Kuga musikalische Früherziehung angeboten. Das Kind muss nicht kroatisch können, es genügt Interesse an Musik. Dann kommt das Zweisprachige von allein.

Konstantin V.: Das hat dazu geführt, dass sozusagen Kindersoldaten der Mehrsprachigkeit herangewachsen sind. Die sind immer noch im Einsatz. Bei Novi glas, der altehrwürdigen Zeitschrift des Hrvatski akademski klub ist der mehrsprachige Zugang erst entstanden, als wir Jungen gesagt haben, wir wollen auch eine andere Leserschaft. Es gibt, nicht nur in Wien, auch Burgenlandkroaten, die kein Kroatisch mehr sprechen. Der burgenländische ORF kümmert sich nicht um die. Hrvatske novine, die Wochenzeitung, auch nicht. Das Mehrsprachige bleibt eine spannende Frage, ist ein ständiges learning by doing.

Folklore

STANDARD: Ist die Frage nicht auch, ob das Burgenlandkroatische eine eher folkloristische Sprache ist?

Joško V: Ich möchte sie nicht in die Folklore entlassen. Da gäbe es so viel noch zu tun: Schulbücher, Kinderbücher, Filme, Digitalisierung. Man hat das Gefühl, der Bund putzt sich ab. Man gibt ein paar Vereinen Geld und glaubt, das war’s.

Konstantin V.: Aber die Volksgruppe ist schon auch mit schuld daran. Da werden Vereinspolitiken gemacht nach der parteipolitischen Pfeife. Jetzt gibt es zwar mehr Geld. Aber die Verteilung ist nicht mehr state oft the art. Es ist ein parteipolitisches Günstlingssystem. Der Volksgruppenbeirat tickt immer noch wie – ich weiß nicht, ob die schon eine Batterie hat, oder ob es noch eine Sonnenuhr ist. Es ist, als hätte die Volksgruppe sich die beiden Haxn zusammengebunden.

Bund in der Pflicht

STANDARD: Grüne sind in der Regierung. Was wäre jetzt notwendig?

Joško V.: Jetzt bin ich ganz korrekt und sag, gottseidank sind Grüne in der Regierung. Jetzt ist nach 25 Jahren zumindest die Inflationsabgeltung gemacht worden. Das zweite aber: Wie kann man einen zweisprachigen Unterricht wem überlassen? Wenn du dir einen Lehrplan anschaust, dann stehen da normalerweise Lernziele drinnen. Die Kroaten haben das nicht drinnen, da ist das offenbar wurscht. Das überlässt man den Lehrern. Die Lernzieldefinition muss aber der Bund machen. Bildung ist Bundessache. Punkt. Das wäre ein Beispiel, wo die Grünen was machen könnten. Zweitens: Medienbereich: Warum können alle Schweden oder Holländer so gut englisch? weil sie mit Untertitel Filme schauen. Die Kroaten bei uns hab rein kroatische Sendungen, und sonst ist nix da. Man könnte doch die Sendung deutsch untertiteln und die Deutschsprachigen Anteil nehmen lassen, was bei uns passiert. Wir müssen doch die Deutschsprachigen ins Boot holen.

Konstantin V.: Wir haben vor einem Jahr mit noviglas.online begonnen und wir versuchen mit kritischem, flottem journalistischen Content, auch auf social-media-Kanälen, die Volksgruppe zu versorgen und die Jungen zu erreichen, die weder der ORF erreicht, noch die Wochenzeitung. Online erreichen wir doppelt so viele Leser als mit der Printausgabe. Aber wir brauchen junge Redakteure, um junge Leser zu erreichen. Dasselbe ist im Volksgruppenbeirat. Es wird der Volksgruppe ein bisserl Geld vorgeworfen. Und dann geht’s nach Hackordnung ums Verteilen. Gemeinsame Ziele verliert man aus den Augen.

Joško V.: Will Österreich eine blühende zwei- oder dreisprachige Region haben? Darum geht es. Will man Schweizer oder Südtiroler Verhältnisse? Dann muss man natürlich in sowas investieren.

Konstantin V: Ich glaube, die Politik hat nicht Angst vor den autochthonen Volksgruppen. Sie hat Angst, wenn sie uns zu viele Zugeständnisse machen, dass das auch die neuen Österreicher machen.

Dialekte

STANDARD: Wäre es g‘scheiter, sich ans Standardkroatisch anzulehnen?

Konstantin V.: Der Zug ist abgefahren. Die Idee hat es immer wieder gegeben. Es wird von den Unsern halt nicht so gesehen, dass wir einen Dialekt sprechen und die neu Zugezogenen hätten die Standardsprachen. Die Musik hören wir ja. Interessant wäre, wenn man sich nicht deutsche Influencer holt, sondern aus Zagreb. Aber burgenlandkroatische Influencer gibt es nicht.

Joško V.: Andererseits muss man schon sehen, dass das ja nicht nur im Kroatischen ist. Das Hianzische ist vom Vorarlbergerischen weiter entfernt, als Burgenlandkroatisch von Standardkroatisch. Aus meiner Sicht geht beides. Man muss es nur strukturiert angehen. Und die Leute müssen es wollen.

Vielsprachigkeit

STANDARD: Was wäre also zu tun?

Joško V.: Meine Vision fürs Burgenland ist, dass wir wieder ein dreisprachiges Land werden. So wie der Großvater: der hat, unterschiedlich gut, alle drei Sprachen gesprochen. Das hab ich nicht geschafft in der Politik. Ich hab auch mit dem Niessl darüber schon gesprochen gehabt, aber dann ist das halt so eine hopatatschige Gschicht geworden. Zwar kann man Ungarisch und Kroatisch in jeder Schule haben, wenn sich genügend melden. Aber das ist halt so eine Sonntagsgschicht. Wer sagt denn, dass es nicht möglich wäre, dass wir in jedem Kindergarten eine ungarischsprachige, eine deutschsprachige und eine kroatischsprachige Erzieherin haben? Und jede spricht mit den Kindern in ihrer Sprache. Das wäre meine Utopie gewesen. Da wäre auch einiges EU-Geld zu lukrieren gewesen. Aber es ist halt in den Kinderschuhen geblieben.

STANDARD: Bleibt noch einiges zu tun für den Sohn?

Konstantin V.: Wie kann man Minderheiten und deren Content gajl machen? Darauf wollen wir eine Antwort finden. Auf allen Kanälen. Das ist jetzt mein Job. Denn Mehrsprachig sein – das ist gajl. (Wolfgang Weisgram, 1.7.2021)