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Bundeskanzler Sebastian Kurz erhielt als Außenminister ein großes Budgetplus – aus nachvollziehbaren Gründen, sagt das Ministerium. Thomas Schmid prahlte, geholfen zu haben; später wurde er Öbag-Chef

Foto: AP/Leutner

Wie hat es Thomas Schmid geschafft, in den inneren Kreis der türkisen ÖVP aufzusteigen – und warum standen deren Führungskräfte vom Kanzler abwärts so lange hinter ihm, obwohl seine Chats das Image der ÖVP beschädigten? Einen Tag, nachdem Schmid als Öbag-Chef zurückgetreten ist, könnte ein Dokument der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) darauf erstmals Antwort geben.

In einem Aktenstück namens "Budgetzahlen BMEIA" analysiert ein Fachexperte der WKStA Chatnachrichten zwischen Kurz, Schmid und Blümel über die Ressourcen des Außenministeriums. Kurz hatte das prestigeträchtige Ressort im Jahr 2013 übernommen, bevor er 2017 zum jüngsten Bundeskanzler der Republik ernannt wurde.

"Du schuldest mir was"

Schon ein Jahr zuvor war Kurz immer wieder als Parteichef und Kanzlerkandidat im Gespräch gewesen. Offenbar wollte ihn auch Thomas Schmid unterstützen. Als Generalsekretär und Kabinettschef im Finanzministerium war Schmid damals an einer entscheidenden Position, was beispielsweise die Zuweisung von Budgetposten anbelangte.

Am 11. April 2016 hatte er laut Auswertung der WKStA eine frohe Botschaft für Sebastian Kurz; per Chatnachricht schrieb er ihm: "Du hast eine Budget Steigerung von über 30%! Das haben wir NUR für dich gemacht. Über 160 Mio mehr! Und wird voll aufschlagen. Du schuldest mir was :-)))! LG t"

Die WKStA schreibt hierzu, die Nachricht könnte "ein wesentlicher Baustein für das Verständnis des Bestellungsvorgangs" von Thomas Schmid als Öbag-Vorstand "und die Rolle von Sebastian Kurz bei diesem Vorgang sein".

Auch dem Kurz-Vertrauten Gernot Blümel, damals lediglich ÖVP Wien-Chef, überbrachte Schmid die frohe Botschaft: "Ich habe Sebastians Budget um 35 Prozent erhöht. Scheisse mich jetzt an. Mitterlehner wird flippen." Dann folgt ein Satz, der sich womöglich ins Gedächtnis der Republik einbrennen wird: "Kurz kann jetzt Geld scheissen." Blümels lapidare Antwort: "Mitterlehner spielt keine Rolle mehr..."

Schon im April 2016, also dreizehn Monate vor Mitterlehners Rücktritt, plante das Umfeld von Sebastian Kurz also offenbar ohne den damaligen Parteichef – das ist einerseits deutlich früher, als bislang bekannt war. Andererseits war die Stimmung nach der für SPÖ und ÖVP desaströs gelaufenen Bundespräsidentschaftswahl 2016 angeknackst, Medien spekulierten bereits über Mitterlehners Rücktritt.

"Die Respektlosigkeit, mit der geschrieben wird, ist bemerkenswert. Immerhin war ich damals der amtierende Parteiobmann", sagte Mitterlehner mit Blick auf diese Chats zum "Falter": "Diese Kommunikation beweist, was ich in meinem Buch "Haltung" beschrieben habe: Kurz und seine Vertrauten haben über Monate hinweg intensivst und systematisch den Machtwechsel in der ÖVP vorbereitet, aber immer so getan, als seien sie loyal".

124 Millionen Euro mehr

Der Budgetvoranschlag des Außenministeriums stieg von 2016 auf 2017 tatsächlich deutlich an, nämlich von 428 Millionen Euro auf 552 Millionen Euro. Kurz erklärte die Erhöhung damals mit mehreren Faktoren: Ein Großteil der Erhöhung floss in Integrationsprojekte wie Deutsch- und Wertekurse; in Entwicklungszusammenarbeit, auch der OSZE-Vorsitz und das EU-Türkei-Abkommen zur Reduzierung der Flüchtlingsbewegung nach Europa sorgten für Mehrkosten. Tatsächlich verbrauchte das Außenministerium schon 2016 fast 522 Millionen Euro, vor allem aufgrund der Flüchtlingskrise. Die "Erhöhung" kann also auch als realistische Anpassung gesehen werden.

Aus der ÖVP heißt es: "Die Vorwürfe werden immer absurder. Hier wird ein Standardvorgang verschwörungstheoretisch aufbereitet. Wegen der Mehrkosten für die Bewältigung der Flüchtlingskrise sowie für das Türkei-Abkommen musste vor fünf Jahren das Budget des Außenministeriums aufgestockt werden."

Sebastian Kurz übernahm im Mai 2017 jedenfalls die ÖVP und führte sie zur Kanzlerschaft. Unter Türkis-Blau wurde die Staatsholding Öbib zur Öbag; Schmid betreute das Projekt im Finanzministerium und schrieb an der Ausschreibung für den Vorstandsposten mit. Die Stelle erhielt er im April 2019 dann selbst, er hatte den Aufsichtsrat, der ihn bestellte, mitausgesucht.

Wegen des Verdachts auf Falschaussagen im Zusammenhang mit der Öbag wird von der WKStA gegen Kanzler Kurz ermittelt, er bestreitet die Vorwürfe. Schmid ist Beschuldigter in der Causa Casinos, in einem Nebenstrang auch der jetzige Finanzminister Gernot Blümel. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung. (Fabian Schmid, 9.6.2021)