Weniger Ruhestand, längere Arbeitszeit: Das halten Berater des deutschen Wirtschaftsministeriums für nötig, wenn der steuerliche Zuschuss zur Rentenversicherung nicht exorbitant ansteigen soll.

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"Kinder bekommen die Leute immer." Davon war der erste deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer (1949 bis 1963) überzeugt. Die legendäre Aussage des CDU-Politikers stammt aus dem Jahr 1957, als in Bonn die große Rentenreform beschlossen wurde.

Adenauer wollte damals darauf hinweisen, dass sich die Deutschen auf den Generationenvertrag verlassen könnten: Die Jungen zahlen ausreichend für die Alten ein. Doch er irrte, genauso wie der ehemalige Sozialminister Norbert Blüm (CDU), der 1986 den Slogan "Die Rente ist sicher" plakatieren ließ.

Wie in Österreich müssen auch in Deutschland immer weniger Beitragszahler für immer mehr Pensionisten aufkommen. Die finanzielle Lage der deutschen Rentenversicherung verschlechtert sich.

Nun hat ein Expertengremium, das das deutsche Wirtschaftsministerium berät, ein Konzept vorgelegt, das längeres Arbeiten im Alter und eine Begrenzung künftiger Pensionserhöhungen vorsieht. In der Vorlage ist von einem Pensionsantritt ohne Abschläge mit 68 Jahren im Jahr 2042 die Rede, wobei die Anhebung für Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht gelten solle.

"Finanzierungsschock"

Ohnehin steuere Deutschland wegen der Verrentung der Menschen aus den Babyboomerjahren im Jahr 2025 auf einen "Finanzierungsschock" zu, erklärte der Beiratsvorsitzende Klaus Schmidt bei der Vorstellung des Gutachtens. Und er wies auch darauf hin: "Die Pandemie hat dazu geführt, dass der Schock früher einsetzt und dass er stärker ausgeprägt sein wird."

In Deutschland lag das gesetzliche Pensionsantrittsalter lange bei 65 Jahren für Frauen und Männer. 2007 beschloss die damalige große Koalition eine schrittweise Anhebung auf 67 Jahre. "Wir haben die Verantwortung für morgen und für kommende Generationen, wir müssen handeln", sagte Franz Müntefering (SPD), der in jener Zeit Sozialminister war. Der Beschluss hat vor allem die Sozialdemokraten viele Sympathien gekostet, doch er wurde durchgezogen.

Schrittweise Anhebung

Seit 2012 wird die Altersgrenze für die Regelaltersrente ohne Abschläge schrittweise von 65 auf 67 Jahre angehoben. 2029 soll die Angleichung vollbracht sein, dann gilt die Rente mit 67 für alle Jahrgänge, die vor 1964 geboren wurden. Und dabei soll es auch bleiben, ist man sich in Berlin ziemlich einig. Der Vorschlag der Experten hatte einen lauten Proteststurm zur Folge, rund drei Monate vor der Bundestagswahl besteht kein Bedarf an einer Pensionsdebatte.

"Ich bin seit jeher gegen eine weitere Anhebung des Rentenalters", betonte Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), für dessen Ministerium das Gutachten geschrieben worden war. Er stellte auch klar, dass die Vorschläge des Beirats nicht bindend seien.

Privat vorsorgen

Auch der Chef der Unionsfraktion im Bundestag, Ralph Brinkhaus (CDU), sieht das so und weist darauf hin, dass die Einführung der Rente mit 67 ja noch nicht einmal gänzlich umgesetzt sei. Die CSU will, statt das Pensionsantrittsalter zu erhöhen, lieber eine "wirkungsvolle Reform der privaten Vorsorge".

Finanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz sprach von einem "Horrorszenario", das dazu diene, "Rentenkürzungen durchzusetzen, für die es in dieser Zeit keinen Anlass gibt". Er warf den Gutachtern auch vor, falsch gerechnet zu haben. Einen "asozialen Oberhammer" sieht auch die Linke. Man werde "mit Zähnen und Klauen die Rechte der Rentnerinnen und Rentner verteidigen", so Parteichefin Susanne Hennig-Wellsow.

Höherer Steueranteil

Die Regierungsberater aber warnen, dass der Steuerzuschuss für die Rentenversicherung stark ansteigen werde, wenn die Politik nicht gegensteuere. 2019 seien knapp 26 Prozent des Bundeshaushalts in die Rentenversicherung geflossen. Der Anteil müsse bis 2040 auf 44 Prozent steigen und bis 2060 auf 55 Prozent – wenn der Beitragssatz in der gesetzlichen Rentenversicherung unter 22 Prozent bleiben und das Rentenniveau (Anteil am Durchschnittsverdienst) höher als 48 Prozent bleiben solle. Fazit der Forscher: Das würde den Bundeshaushalt sprengen, es bräuchte massive Steuererhöhungen.

In Österreich liegt das gesetzliche Pensionsantrittsalter bei 65 Jahren für Männer, bei den Frauen bei 60, es wird aber ab dem Jahr 2024 stufenweise bis 2033 auch auf 65 Jahre angehoben. Faktisch gehen Männer derzeit mit 61,3 Jahren in Pension, Frauen mit 59,3 Jahren. (Birgit Baumann aus Berlin, 9.6.2021)