Gedenken die Opfer von Srebrenica in Potočari.

Foto: AFP / Elvis Barukčić

Neue Zürcher Zeitung: Polemische Debatte

"Mit den Urteilen gegen Ratko Mladić und 2019 gegen Radovan Karadžić ist die Leugnung der Verbrechen in Srebrenica schwieriger und darum seltener geworden. Es gibt sie weiter, aber die oft polemische Debatte dreht sich meist um die Qualifizierung und 'Rechtfertigung' der Gewalttat. Eine kritische Selbstbefragung der eigenen Rolle haben die Verhandlungen und Urteile des ICTY allerdings in keiner der Nachkriegsgesellschaften ausgelöst."

De Standaard, Brüssel: Nicht alles ist gelungen

"Mit der endgültigen Verurteilung von Mladić kann die Statistik des Internationalen Jugoslawien-Tribunals in Den Haag aktualisiert werden. Die Zahl der Verurteilten beläuft sich nun auf 91 – von 161 Angeklagten. (...)

Aber nicht alles ist gelungen. Die Urteile haben nicht zur Versöhnung zwischen den Völkern des ehemaligen Jugoslawiens geführt. In Serbien und Kroatien werden sie kaum anerkannt. Und die Kriegsverbrecher, die nach Verbüßung ihrer Strafe nach Hause zurückkehren, werden von ihren Familien und nationalistischen Politikern als Helden begrüßt."

Dagens Nyheter, Stockholm: Signal an Menschenrechtsverbrecher

"Schreckliche Grausamkeiten wurden in den 90er-Jahren während des Kriegs im früheren Jugoslawien verübt. (...) Für einige der schlimmsten Übergriffe war Mladić verantwortlich. Die Gräueltaten (...) können niemals ungeschehen gemacht werden. Aber die gefällten Urteile (...) beinhalten, dass jedenfalls ein kleines bisschen Gerechtigkeit geübt worden ist. Und dass ein Signal an die heutigen Menschenrechtsverbrecher gesendet worden ist, dass sie sich niemals sicher sein können zu entkommen."

Hospodarske noviny, Prag: Hoffnung auf weitere Urteile

"Der Schuldspruch weckt die Hoffnung, dass schwerwiegende Verbrechen am Ende bestraft werden. Doch sind die weiteren Aussichten unsicher – wie im Fall von Syrien, dessen Machthaber von Moskau gedeckt wird, und von Myanmar, dessen Generäle von Peking unterstützt werden."

Süddeutsche Zeitung, München: Der EU zu verdanken

"Ein Beitritt zur EU, besonders von vielen Jüngeren erhofft, ist in den vergangenen Jahren immer mehr in die Ferne gerückt. (...) Dabei ist die Tatsache, dass Mladić 2011 überhaupt aus Serbien, wo er seinerzeit öffentlich gefeiert wurde, nach Den Haag ausgeliefert wurde, letztlich der EU zu verdanken. Brüssel hatte es zur Bedingung für weitere Aufnahmegespräche gemacht, dass die Länder mit dem Tribunal kooperieren.

Dauerhafte Gerechtigkeit für die Menschen in Bosnien-Herzegowina hieße, in einem Land leben zu können, das frei von nationalistischer Hassrhetorik ist, dessen eigene Justiz verlässlich die Täter vor Gericht stellt; einem Land, das ihnen Perspektiven für sich und ihre Kinder bietet. Dies sicherzustellen ist auch die Aufgabe der internationalen Gemeinschaft, allen voran der EU. Dass die ihre Relevanz und ihren Einfluss in der Region nicht unterschätzen sollte: Auch dafür liefert das Mladić-Urteil einen Beleg." (APA/red, 9.6.2021)