Von der Toni-Seelos-Schanze aus könnte man das Training der Nationalmannschaft heimlich beobachten. Um die Worte von Teamchef Franco Foda zu verstehen, wäre sie aber schon zu weit weg.

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Das schmucke Hotel, der tolle Bus, das Plakat und ein aufmerksamer Security-Beamter: In dieser Tiroler Abgeschiedenheit soll das Virus keine Chance haben und Großes entstehen. Das Achtelfinale ist das Minimalziel.

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Es ist nicht so, dass in Seefeld die Bären steppen, wobei es Tiroler Wintersportorte im Sommer niemals leicht haben. Ja, man könnte wandern, golfen, Regentropfen zählen, einen Stadtbummel einstreuen. In zwölf Minuten hätte man sämtliche Sehenswürdigkeiten (Kirche), so bärig sie auch sein mögen, abgehakt. Hotels und Pensionen erwachen aus dem Corona-Tiefschlaf, es wird geputzt, der Juli soll dem Vernehmen nach ganz gut gebucht sein. Personal wird dringend gesucht.

Im Ort und an den Zufahrtsstraßen hängen an Laternen rote Transparente. "Herzlich willkommen die Fußballnationalmannschaften" steht darauf geschrieben. Österreich und Deutschland werden gemeinsam begrüßt, schwarz-rot-goldene und rot-weiß-rote Fahnen sind darauf angedeutet, in Zeiten wie diesen muss gespart werden. Die Deutschen waren bis Sonntag da, die Österreicher sind am Dienstag eingetroffen, um hier ihr Base-Camp aufzuschlagen und möglichst lange zu verweilen.

"How do you do?"

Mit "Wir begrüßen den DFB und ÖFB" bedruckte Planen nehmen die Sicht auf den Sportplatz, schließlich geht niemanden an, wer wie was trainiert. Es ist jener Platz, auf dem vor rund neun Jahren David Alaba vom Tiroler Landeshauptmann Günther Platter mit "How do you do?" begrüßt wurde. Kinder, die Zeit rast, wobei sie nach wie vor Fußballer beziehungsweise Landeshauptmann sind.

Dummerweise liegt das kleine Stadion am Fuße der Toni-Seelos-Sprungschanze, es ist auf einer Seite völlig offen und somit einsehbar. Aus Angst vor Spionen wird das ÖFB-Team ab und zu ins Innsbrucker Tivoli ausweichen, speziell wenn im taktischen Bereich geübt wird. Nordmazedonische, niederländische und auch ukrainischen Spitzel müssten auf die Nordkette klettern, um erst recht nichts zu sehen. Eine Fußball-EM ist immer auch Tarnen und Täuschen.

Das Hotel Nidum liegt auf einer Anhöhe im Ortsteil Mösern, kein normales Hotel, eine Residenz. Der ÖFB hat sie exklusiv gebucht, der Stab umfasst rund 50 Personen. Jeder hat ein Einzelzimmer (Einzelsuite) bezogen, das schreibt das Präventionskonzept vor. Ob Franco Foda in jenem Bett schläft, das Joachim Löw benutzt hat, fällt unter Datenschutz. Der Wellnessbereich ist eine Oase, der Fitnessraum ein Palast. Der Komplex ist abgeriegelt, die Security lässt nur Lieferanten in die Nähe – getestete Lieferanten. Der Euro-Bus (jeder der 24 Teilnehmer hat einen) parkt vor der Tür, die Fahrt bis zum Platz beträgt mit Stau vier Minuten. Das Nidum darf nur zur Arbeit verlassen werden.

Zuschauen

Am Mittwochvormittag wurde erstmals trainiert. Journalisten durften eine Viertelstunde lang zuschauen, die Drei-G-Regel wurde und wird auch in den folgenden Tagen außer Kraft gesetzt. Genesen oder geimpft reicht nicht. Es muss zusätzlich ein negativer Test vorliegen. Das Dehnen und das Gaberln brachte kaum Aufschlüsse, aber es ist unfallfrei verlaufen. Danach bildeten die Spieler einen Kreis um Teamchef Foda, er sagte ein paar nicht überlieferte Sätze.

Um die Medien nicht gänzlich vom Treiben auszuschließen, gibt es vor den Einheiten kurze Statements von zwei Spielern, die die Kommunikationsabteilung bestimmt. Beim ersten Mal fielen die Würfel auf Valentino Lazaro und Konrad Laimer. Im Drei-Meter-Abstand sagten sie, seit der Ankunft in Seefeld spüre man die Nähe des Ereignisses. Es beginnt für Österreich am 13. Juni in Bukarest gegen Nordmazedonien. Die Qualität im Kader sei enorm. Sowohl Lazaro als auch Laimer sind nicht gesetzt, wobei Laimer der Startelf näher sein dürfte.

Die Größe

Ein Fixpunkt ist hingegen die tägliche Zoom-Pressekonferenz aus der Residenz. Aleksandar Dragovic und Sasa Kalajdzic hatten das Vergnügen. Man dürfe sich, so Dragovic, nicht verrückt machen lassen. Der zwei Meter große Kalajdzic kann sich ein Sturmduo, bestehend aus Marko Arnautovic und ihm selbst, vorstellen. "Meine Größe und seine Kreativität, das könnte was werden. Ich will mein Ding durchziehen."

Foda entschied spontan, am Mittwochnachmittag eine zweite Einheit einzuschieben. Am Eifer sollte es also nicht scheitern. Kalajdzic ist zum ersten Mal im 1200 Meter hoch gelegenen Seefeld, ihm taugen die Berge. "Ich bin ja auch hoch. Und die Luft ist besser als in Wien." Rauer wird die Luft am Sonntag ab 18 Uhr in Bukarest. (Christian Hackl, 9.6.2021)