WKStA-Chefin Vrabl-Sanda war bereits zum zweiten Mal geladen.

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Was sollen und was dürfen Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwälte? Die Meinungen dazu gehen zwischen ÖVP und Opposition auseinander, jedenfalls vermuten die Türkisen, dass die Staatsanwaltschaft politisch befangen sei. Andreas Hanger, ÖVP-Fraktionsführer im U-Ausschuss, sagte Mittwochfrüh, dass man "in enger Abstimmung mit Experten" eine Strafanzeige wegen Amtsmissbrauchs prüfe. Der Vorwurf: Persönlichkeitsrechte würden verletzt. Es gehe dabei nicht um die WKStA als Gesamtes, sondern um die Arbeit einzelner Staatsanwälte, betonte Hanger. Hanger stieß sich daran, dass die Chats zwischen Öbag-Chef Thomas Schmid und dem nunmehrigen ÖGB-Chef Wolfgang Katzian nicht Eingang in den Strafakt fanden.

Vertreter der Justiz waren am Mittwoch vor den Ibiza-U-Ausschuss geladen, als Erste wurde Ilse-Maria Vrabl-Sanda befragt, sie leitet die WKStA und widersprach Hanger. Kritik an einzelnen Staatsanwälten wies sie zurück, die Justiz agiere unabhängig. Mit den Angriffen auf die Justiz müsse nun Schluss sein, forderte sie. Bereits zuvor hatten WKStA-Vertreter im Ausschuss "Störfeuer" und Behinderungen beklagt.

Kritik an Kritik

"Die Staatsanwaltschaft ist gesetzlich verpflichtet, Anzeigen zu prüfen, und darf dabei weder berücksichtigen, von wem sie kommen, noch, gegen wen sie gerichtet sind", erklärte Vrabl-Sanda, die die Vermutung äußerte, dass manche den gesetzlichen Auftrag der WKStA nicht verstanden hätten.

Diese dürfe bei der Prüfung von Anzeigen jedenfalls nicht berücksichtigen, welche politischen Auswirkungen ein mögliches Ermittlungsverfahren mit sich bringen könnte. Es entspreche nicht dem Gesetz, Anzeigen, deren weitere Verfolgung Aufregung erzeugen könnte, nicht weiterzuverfolgen. Auch die Motivlagen der Anzeiger würden keine Rolle spielen, betonte die Staatsanwältin. "Entscheidend ist allein der Inhalt", beschrieb sie die Arbeit der Ermittler.

Kritik an einzelnen Staatsanwälten versteht Vrabl-Sanda als Einschüchterungsversuche, diese würden sich nicht mit adäquaten Mitteln wehren können. Es könne jeden treffen, man müsse sich gegenüber den Kritikern "blind und taub" stellen.

Wiederholt wurde die WKStA auch wegen angeblicher Leaks kritisiert, etwa auch weil die Ermittlungen gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) schnell den Weg in die mediale Berichterstattung fanden. Laut Vrabl-Sanda sei man den Vorwürfen nachgegangen, die Recherche habe aber gezeigt, dass die in den Medien veröffentlichten Dokumente nicht von der WKStA, sondern von einem Verfahrensbeteiligten stammten. Das habe eine Überprüfung der Faksimile und der Metadaten der Unterlagen ergeben.

Die Aktenlieferung an den U-Ausschuss erfolge nach einem Kriterienkatalog des Justizministeriums. Letztlich entscheide die Oberstaatsanwaltschaft (OStA) darüber.

Suspendierung bestätigt

Als "befremdlich" bezeichnete die Auskunftsperson den Chatverlauf des suspendierten Sektionschefs Christian Pilnacek mit einer Kabinettsmitarbeiterin im Justizministerium, wonach die E-Mail-Accounts der WKStA am besten durch die OStA gesichert werden müssten. Schließlich habe man sich damals in einem Mediationsverfahren mit der Oberstaatsanwaltschaft befunden.

Wie zuerst der "Kurier" online berichtete, ist Pilnaceks Suspendierung vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt worden. Sie war vom Justizressort im Zusammenhang mit Ermittlungen bezüglich einer möglicherweise verratenen Hausdurchsuchung, im Zuge derer Pilnacek auch sein Handy abgenommen wurde, ausgesprochen worden.

Die Disziplinarkommission hatte befunden, dass eine Suspendierung nicht angebracht sei. Das Justizressort hatte dagegen berufen. Pilnacek weist alle Vorwürfe strikt zurück, es gilt die Unschuldsvermutung.

Vrabl-Sanda sagte im U-Ausschuss, dass sich die Situation nach der Suspendierung von Pilnacek unmittelbar danach zwar verändert habe, dennoch gebe es weiterhin Behinderungen wie etwa die jüngste Dienstaufsichtsprüfung.

Zweiter Staatsanwalt geladen

Als zweite Auskunftsperson war am Mittwoch Oberstaatsanwalt Bernhard Weratschnig geladen, auch er ist ein Vertreter der WKStA. Er schilderte, was seine Kollegen "leisten und ertragen". "Korruptionsbekämpfung ist kein Spaziergang, sondern ein Marathon", so Weratschnig. Er kritisierte, dass Zwangsmaßnahmen im Zuge der Ermittlungen verraten worden sein könnten und die Dienstaufsicht, die statt zu unterstützen Repressionen ausübe.

"Vieles was in den letzten zwei Jahren passiert ist, hätte ich nicht für möglich gehalten", sagte der WKStA-Gruppenleiter im Ibiza-Komplex, der Teamleiter von insgesamt fünf Staatsanwälten ist. Allerdings sei kein Teammitglied alleine für die politisch heikle Thematik abgestellt. Jedenfalls würde bis spät abends und oft auch Wochenends gearbeitet und die Kolleginnen und Kollegen seien auch im Urlaub erreichbar.

Akten-Leaks nicht in WKStA-Interesse

"Es gibt Indizien im Verfahren, dass Hausdurchsuchungen vorher verraten wurden", sagte Weratschnig: "Umfangreiche Vorarbeiten werden damit zunichtegemacht. Aktenleaks erschweren die Arbeit. Veröffentlichungen sind nicht im Interesse der WKStA."

Das Neueste, was er sich vor dem Ibiza-Verfahren nicht vorstellen habe können, waren die vorige Woche öffentlich gewordenen Chats. Diese legten "angeblich geplante Zwangsmaßnahmen über Mitarbeiter des Ibiza-Teams" nahe. "Es hat mich als Gruppenleiter sehr betroffen gemacht, dass man so etwas in der Regierung sieht – ohne für mich nachvollziehbare gesetzliche Grundlage und ohne dass es Dienstverletzungen gab. Ich denke das gehört jedenfalls analysiert und aufgearbeitet."

Im Zuge der Befragung von Weratschnig wurde bekannt, dass Kanzler Kurz noch nicht von der WKStA einvernommen wurde. Laut Weratschnig ließ sich bisher "trotz mehrmaliger Versuche" kein Termin mit Kurz finden, um ihn zur mutmaßlichen Falschaussage im U-Ausschuss zu befragen. Grund dafür sei, dass Kurz' Anwalt die Zuständigkeit der Korruptionsjäger verneine. Die WKStA sieht das – mit Blick auf die bisherige Entscheidungspraxis der Generalprokuratur – aber anders, sagte die Auskunftsperson.

Schon die erste Befragte heute im U-Ausschuss, WKStA-Leiterin Vrabl-Sanda hatte auf eine eindeutige Entscheidung der Generalprokuratur verwiesen, wonach die WKStA sehr wohl zuständig sei. Mit der Befragung von Kurz als Zeugen in der Causa Blümel werde die "Faktenlage verbreitert" um hernach "abschließende Fragen" stellen zu können und mehrmalige Befragungen zu vermeiden, erläuterte Weratschnig.

Koller in der "ZiB2"

Auch Cornelia Koller sah sich am Mittwochabend in der "ZiB2" veranlasst, Einschüchterungsversuche gegenüber Staatsanwälten zurückzuweisen. Die Präsidentin der Vereinigung der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sagte aber auch, dass sie es für sinnvoll halte, wenn U-Ausschüsse nicht parallel zu Ermittlungen laufen. Damit könnte man verhindern, dass Ermittlungen beeinträchtigt werden – und die Staatsanwälte würden dann nicht so sehr in den Mittelpunkt der Diskussionen gestellt, "weil sie dort nicht hingehören und auch nicht hin möchten", sagte Koller. Die Tatsache, dass die politische Aufarbeitung einer Causa durch einen U-Ausschuss damit zeitlich sehr verzögert werden könnte, sieht Koller auch. Aber "da muss man abwägen welche Interessen vorgehen, das ist eine gesellschaftspolitische Entscheidung", meinte sie.

ORF

Sachliche Kritik an staatsanwaltschaftlichen Entscheidungen sei freilich zulässig. Wenn jemand Vorwürfe gegen Staatsanwälte hat, dann solle er dies anzeigen, damit die Sache vor einem Gericht geklärt werden könne, so Koller in der "ZiB2". (gra, luis, APA, 9.6.2021)