Der schmucke Sitzungssaal des Stiftungsrats auf dem Küniglberg bleibt am Donnerstag weitgehend leer – die Sitzung findet online statt.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Update: Debatte um öffentliches Hearing – und mögliche Sondersitzung

ORF-General Alexander Wrabetz hat in der letzten Sitzung im ORF-Stiftungsrat angekündigt, er werde am 3. August 2021 eine Sendung auf ORF 3 für ein Hearing der Bewerber um die Funktion des ORF-Generals ansetzen, berichten Sitzungsteilnehmer. Wrabetz ist der bisher einzige deklarierte Bewerber für die Funktion. Bis 6. August 2021 sollen Nachnominierungen durch Stiftungsräte möglich sein (das war schon in der Vergangenheit nach Ablauf der Bewerbungsfrist erlaubt).

Lange diskutierten die ORF-Stiftungsräte am Donnerstag über einen Antrag der roten Räte Heinz Lederer, Norbert Kettner und Werner Dax auf ein öffentliches Hearing der Generalskandidaten auf ORF 3. Grüne und blaue Stiftungsräte sollen sich ebenfalls für ein öffentliches Hearing geäußert haben, auch Neos sollen Zustimmung signalisiert haben, sagen Sitzungsteilnehmer.

Skeptisch bis ablehnend zeigte sich die türkise Mehrheitsfraktion im obersten ORF-Gremium, sagen mehrere Sitzungsteilnehmer. Sie sollen ein solches Hearing als "Wahlkampfshow" für Wrabetz interpretiert haben.

Ergebnis der ausführlichen Debatte: Vorsitzender Norbert Steger (FPÖ) soll sich rasch um Modalitäten für ein Hearing auf ORF 3 kümmern. Andernfalls will Lederer eine Sondersitzung noch vor der Generalswahl dazu beantragen.

Die roten Räte beantragten ein Hearing spätestens drei Tage vor der Bestellung der ORF-Führung am 10. August 2021. Die ÖVP-nahen Räte sollen sich ablehnend gezeigt haben; ein Hearing am Vorabend der Generalswahl kam in Wortmeldungen als Möglichkeit, sagen Sitzungsteilnehmer.

Lederers Antrag verlangte ein solches öffentliches Hearing auf ORF 3 unter Berücksichtigung "aller ORF-rechtlichen Parameter". Dagegen wurden rechtliche Bedenken ins Treffen geführt: Der Stiftungsrat könne keine Sendung in einem ORF-Kanal beschließen. Steger soll nun eine Lösung vorschlagen.

Thema Newsroom "noch nicht zufriedenstellend"

Die Sitzung war um 13 Uhr noch im Gange, es ging davor allem um den ORF-Newsroom. Mehreren Stiftungsräten sollen nach den Antworten von Alexander Wrabetz auf einen ausführlichen Fragenkatalog über Vielfalt und Abläufe im gemeinsamen Newsroom noch Klärungsbedarf sehen. Fragenkatalog und die Antworten des Generals finden Sie hier.

Thomas Zach, Sprecher des bürgerlichen Freundeskreises im ORF-Stiftungsrat, erklärte Donnerstagnachmittag auf STANDARD-Anfrage: "Offensichtlich hatten einige den Fokus auf Wahlkampf, und die Mehrheit auf den Newsroom."

Das Thema Newsroom sei "noch nicht zufriedenstellend abgehandelt", befand Zach nach Wrabetz' schriftlichen Antworten und der Diskussion im Stiftungsrat am Donnerstag. Das Thema sei fix auf der Tagesordnung des Stiftungsrats im Dezember, wenn das oberste ORF-Gremium nach dem General die Direktorinnen und Direktoren sowie Landesdirektoren ab 2022 bestellt.

Mit der intensiven Beschäftigung des Stiftungsrats sei die Newsroom-Thematik "in Bewegung gekommen", stellte Zach fest.

Generals-Ausschreibung wie 2016

Die 35 Stiftungsräte des ORF tagen am Donnerstag noch einmal, bevor sie am 10. August den nächsten ORF-Generaldirektor oder die nächste Generaldirektorin ab 2022 bestellen. Ende Juni schreibt Stiftungsratsvorsitzender Norbert Steger die Funktion aus, diverser als beim letzten Mal 2016, aber sonst wortgleich wie vor fünf Jahren, sagte Steger dem STANDARD.

2016 verlangte die Ausschreibung von den Bewerberinnen und Bewerbern insbesondere "umfassende Kenntnisse" über

  • "Unternehmensführung,
  • elektronische Medien (insbesondere TV, Radio und Online) einschließlich deren programmlicher und wirtschaftlicher Grundlagen,
  • die rechtliche Stellung und die Aufgaben des ORF sowie
  • die Befähigung zur Übernahme komplexer und verantwortungsvoller Führungsaufgaben".

"Für die Bestellung wird insbesondere auf den Nachweis einer entsprechenden Vorbildung oder einer fünfjährigen einschlägigen oder verwandten Berufserfahrung und die gesetzlichen Ausschließungsgründe hingewiesen (§ 26 ORF-Gesetz)", hieß es in der Ausschreibung 2016.

Damals trat der bisherige ORF-Finanzdirektor Richard Grasl gegen den seit 2007 amtierenden ORF-General Alexander Wrabetz an. Grasl unterstützten damals ÖVP und FPÖ, Wrabetz verteidigte seine Position insbesondere mit SPÖ, Grünen, Neos und einem Großteil der Betriebsräte. Unabhängige enthielten sich. 2021 haben ÖVP-nahe Stiftungsräte alleine die nötige Mehrheit.

Konzepte gefragt

2016 "bat" die Ausschreibung Bewerberinnen und Bewerber "um Angabe der Gründe, die sie für die Besetzung geeignet erscheinen lassen. Sie werden weiters um die Vorlage eines Lebenslaufs, eines Konzepts zur mittel- und langfristigen Entwicklung des ORF als öffentlich-rechtliches Medienunternehmen (einschließlich Vorschlägen zur Gleichstellung von Frauen und Männern im ORF entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen) sowie um Vorschläge für die Geschäftsverteilung gemäß § 24 Abs. 2 ORF-Gesetz ersucht (Anzahl und Geschäftsbereich der Direktoren/Direktorinnen)". Auch ihre "Vorstellungen für die Vertragsgestaltung" sollten die Bewerber und Bewerberinnen darlegen.

Nicht in der eigentlichen Ausschreibung, aber in die Anforderungen des Stiftungsrats an Bewerber reklamierte Lothar Lockl Konzepte für die Gleichstellung ein. "Ich erwarte Vorschläge über die Gleichstellung von Männern und Frauen im ORF", insbesondere in der Führung des ORF und auch des Newsrooms.

Die Bewerbungsfrist dauert laut Gesetz vier Wochen. Jedes Mitglied des Stiftungsrats kann laut Steger Kandidaten danach nachnominieren. Jedes Mitglied kann Bewerber oder Bewerberinnen zu Präsentation/Hearing im Stiftungsrat einladen.

Bisher hat alleine der amtierende ORF-Chef Wrabetz seine neuerliche Bewerbung angekündigt. (fid, 10.6.2021)