In der Wirtschaft würde man von einem feindlichen Übernahmeversuch sprechen: Lega-Chef und Ex-Innenminister Matteo Salvini hat in diesen Tagen den Zusammenschluss seiner rechtspopulistischen Lega mit der Partei des mehrfachen ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi, der Forza Italia, gefordert. Wie genau dieser Zusammenschluss aussehen soll, ist noch nicht ganz klar: Zunächst war von einer Fusion die Rede, dann von einer "Föderation". Die genaue Formel spielt aber eine untergeordnete Rolle. Chef der neuen Formation wäre natürlich Salvini. Für Berlusconi wäre der – politisch eher unbedeutende – Posten des "presidente" vorgesehen. Um im Wirtschaftsjargon zu bleiben: Salvini wird CEO, Berlusconi Aufsichtsratspräsident.

Melonis Atem

Salvini begründet sein Vorpreschen mit dem Argument, dass ein vereinigtes Rechtslager den – seiner Meinung nach – zu großen Einfluss der Linken in der Mehrparteienkoalition von Premier Mario Draghi besser eindämmen und dessen Reformen schlagkräftiger unterstützen könnte. Der wahre Grund ist freilich ein anderer: Der Lega-Chef spürt den Atem seiner schärfsten Konkurrentin im Nacken. Giorgia Meloni, die Chefin der postfaschistischen Fratelli d'Italia (FDI), kommt ihm in den Umfragen immer näher. Während Salvinis Lega seit Monaten schwächelt und noch bei 21 Prozent liegt, kommen die "Brüder Italiens" inzwischen auf über 19 Prozent, Tendenz weiter steigend. Es geht also um den Führungsanspruch im Lager der Rechtsnationalen – und damit um die Spitzenkandidatur bei der nächsten Parlamentswahl im Frühling 2023. Mit der Einverleibung von Berlusconis Forza Italia (in den Umfragen bei sieben Prozent) könnte Salvini seine Machtbasis vergrößern.

Matteo Salvini will die Rechte vereinen.
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Meloni profitiert derzeit von ihrer Rolle als Oppositionsführerin: Die FDI sind als einzige größere Partei nicht Draghis Regierung beigetreten und können nun unpopuläre Entscheidungen des ehemaligen EZB-Präsidenten unbeschwert attackieren. Salvini, dessen Lega Teil der Regierungskoalition ist, fällt das deutlich schwerer. Er hat sich in den letzten Monaten zwar immer wieder von einzelnen Maßnahmen der Regierung abgegrenzt, aber besonders glaubwürdig wirkte er dabei nicht. Meloni wird der geplanten Föderation jedenfalls nicht beitreten: "Ich glaube nicht an kalte Fusionen", sagte sie. Wenn der Zusammenschluss von Lega und Forza Italia die Linken, wie dies Salvini hoffe, etwas zurückzudrängen vermöchte, wäre das zwar positiv – "aber uns als Oppositionspartei betrifft das nicht", erklärte Meloni.

Giorgia Meloni glaubt nicht an kalte Fusion.
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Rüpel und Emporkömmling

Ob die Fusion zustande kommen wird, ist noch nicht sicher. Berlusconi hat in den vergangenen Jahren nie ein Hehl daraus gemacht, dass er Salvini persönlich nicht leiden kann und ihn für einen ungehobelten Rüpel und Emporkömmling hält. Auch innerhalb von Berlusconis Partei regt sich Widerstand: Besonders die Ministerinnen Mariastella Gelmini und Mara Carfagna können sich mit der aggressiven Ausländer-raus-Rhetorik des Lega-Chefs nicht identifizieren. Doch die Entscheidung treffen wird am Ende der Gründer und Parteichef: Silvio Berlusconi. Der inzwischen 84-jährige "Cavaliere" wiederum verfolgt seine ganz eigene Agenda: Trotz seines Alters und seiner angeschlagenen Gesundheit träumt er immer noch davon, nächstes Jahr die Nachfolge von Sergio Mattarella antreten zu können und zum Staatspräsidenten gewählt zu werden. Weil Berlusconi dazu auf die Stimmen der Lega angewiesen ist, wird er, wohl oder übel, in irgendeiner Form auf das feindliche Übernahmeangebot eingehen müssen.

Auch wenn sich Salvini und Meloni derzeit einen erbitterten Kampf um den Führungsanspruch im Lager der Rechtspopulisten und Nationalisten liefern mögen: Ihre Parteien belegen in den Umfragen die ersten beiden Plätze und kommen zusammen auf 40 Prozent der Stimmen. Das ist einzigartig in der EU – abgesehen von Ungarn und Polen, wo die Rechtspopulisten schon seit Jahren regieren. Das könnte in weniger als zwei Jahren auch in Italien passieren – die Frage wäre dann nur noch, wer an der Spitze der Regierung stünde: Salvini oder Meloni? (Dominik Straub aus Rom, 10.6.2021)