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Bobi Wine wurde Mitte März bei einer Demo in Kampala festgenommen.

Foto: Reuters/ABUBAKER LUBOWA

Daniel Apedel überlebte die Tortur nicht. Als die Überreste des 21-jährigen Uganders in ein Leichenhaus der Hauptstadt Kampala gebracht wurde, hatte er keine Zähne mehr, seine Finger waren gebrochen, sein Körper von blauen Flecken übersät. "Es war ein schrecklicher Anblick", sagt Robert Kyagulanyi Ssentamu alias Bobi Wine, zu dessen Sicherheitsteam Daniel Apedel gehörte – ein Umstand, den das junge Oppositionsmitglied mit dem Leben bezahlte.

Apedel ist nur einer von vielen, die auch ein halbes Jahr nach der Wahl in Uganda von Spezialeinheiten des Regimes aus dem Weg geräumt werden: Schon während des Wahlkampfs fanden dutzende, wenn nicht gar hunderte jungen Aktivisten der Opposition den Tod oder verschwanden spurlos.

Erinnerungen an Idi Amin

"Es ist die Hölle hier", sagte Bobi Wine kürzlich der Deutschen Welle. "Hunderte unserer Anhänger wurden verhaftet, viele ermordet und gefoltert. Frauen wurden vergewaltigt, während sie jungen Männern die Augen oder die Fingernägel herausgerissen oder sie sogar kastriert haben." Das letzte Mal, dass solche Berichte aus dem ostafrikanischen Staat drangen, war unter dem berüchtigten Diktator Idi Amin.

Dabei könnte Ugandas Präsident Yoweri Museveni eigentlich gelassen sein. Mitte Jänner gewann er – wie nicht anders zu erwarten war – auch die sechste Wahl in Folge: Der 76-Jährige konnte seine 35-jährige Herrschaft noch um eine weitere Amtszeit verlängern.

Trotzdem scheint der einst als vorbildlich gepriesene afrikanische Staatschef weiterhin hochgradig nervös zu sein. Jedenfalls reißt die Repressionswelle gegen die Anhänger des 38-jährigen Musikers und Präsidentschaftskandidaten Bobi Wine auch nach Musevenis Wahlsieg nicht ab. Womöglich, weil Museveni weiß, dass sein Triumph nicht mit rechten Dingen zustande kam.

Wine kommt auf 35 Prozent

Trotz des unfairen Wahlkampfs, der für Bobi Wine von zahlreichen Festnahmen und der Auflösung seiner Kundgebungen unterbrochen wurde, trotz des harten Vorgehens der Sicherheitskräfte gegen Oppositionsanhänger und trotz der eklatanten Wahlmanipulation, die Museveni in hunderten Wahlbezirken unglaubliche 100 Prozent einbrachte, kam sein Gegenspieler auf immerhin 35 Prozent – so viel hatte noch kein Konkurrent Musevenis erreicht.

Fast hundert Parlamentarier der sich noch immer Nationale Widerstandsbewegung (NMR) nennenden Regierungspartei – darunter 15 Minister – verloren ihren Sitz im Abgeordnetenhaus: Ein Indiz für die wachsende Unbeliebtheit der ewigen Regierer.

Für Bobi Wine stellt sich inzwischen die Frage, ob der schonungslose Präsident an den Wahlurnen überhaupt zu schlagen ist. Er sei immer schon der Überzeugung gewesen, dass Musevenis Herrschaft nicht ohne einen Aufstand beendet werden könne, sagte der junge Oppositionschef jüngst: "Wir müssen uns ohne Waffen erheben." Tatsächlich sind die jungen Aktivisten in der Hauptstadt Kampala dazu womöglich bereit: Sie machen den Motor der Oppositionsbewegung aus.

Landbevölkerung gegen einen Aufstand

Doch die Landbevölkerung will von einem Aufstand nichts wissen. Dort erinnert man sich nur zu genau an die Verheerung, die der letzte ugandische Machtkampf angerichtet hatte. Und damals hatte sie Museveni vom Terror der Diktatoren Idi Amin und Milton Obote befreit.

Bobi Wine weiß in seinem Kampf gegen das Museveni-Regime das Ausland auf der Gegenseite: Schließlich erhält der Präsident von dort die Ressourcen für die Fortsetzung seiner Herrschaft. Aus Washington wird er mit jährlich mehr als einer Milliarde Dollar unterstützt, aus Großbritannien kommen umgerechnet 200 Millionen Dollar hinzu. "Jedem ist klar, dass General Museveni vom Westen finanziert wird", klagt Bobi Wine: Westliche Staaten müssten endlich aufhören, "die Sponsoren des ugandischen Terrors" zu sein.

"Wir sind auf uns selbst angewiesen"

Zwar kündigte US-Außenminister Antony Blinken inzwischen Visarestriktionen für die Verantwortlichen von Menschenrechtsverletzungen an. Doch darin scheint sich die Unterstützung der Oppositionsbewegung durch den Westen auch schon zu erschöpfen. "Das ugandische Volk fühlt sich von der internationalen Gemeinschaft betrogen", schimpft der populäre Musiker: "Wenn wir die Funktionäre dieses Regimes zur Verantwortung ziehen wollen, dann sind wir auf uns selbst angewiesen."

Unterdessen bereitet sich Museveni auf die gewaltsame Beendigung des Machtkampfs vor. Er rüstet die Sicherheitskräfte auf und hat seinen Sohn Muhoozi Kainerugaba zum Kommandeur der 10.000-köpfigen "Special Forces Command" berufen: Sie spielt im Kampf gegen die politischen Gegner eine Schlüsselrolle. Überhaupt versuche Museveni seinen Sohn als Nachfolger im Präsidentenamt zu positionieren, heißt es in Kampala. Die von Museveni jr. exekutierte derzeitige Repressionswelle macht deutlich, was die Ugander dann erwartet. (Johannes Dieterich, 10.6.2021)