Welche Wohnungen ungenutzt sind, sieht man Häusern von außen meist nicht an. Das macht die Erhebung so schwierig.

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Leistbare Wohnungen sind in Ballungsräumen schwer zu finden, ganz besonders in Tirol. Dieses Problem will die dortige schwarz-grüne Landesregierung angehen. Eine Schraube, an der man drehen will, ist der Wohnungsleerstand. Vor kurzem wurden eine Leerstandserhebung und eine Leerstandsabgabe angekündigt. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen müssen erst geschaffen werden.

Schon heute steht fest: Das wird schwierig bis unmöglich. Kompliziert ist nicht nur die Definition, sondern auch die Erhebung von Leerstand. Oft werden Stromverbrauch oder Melderegister heran gezogen. Hundertprozentige Sicherheit, dass niemand in der Wohnung lebt, gibt das trotzdem nicht.

Kein struktureller Leerstand

Daher gibt es nur wenige Zahlen dazu. In Wien gab es 2015 rund 10.000 langfristig leerstehende Wohnungen, was einem Prozent des Wohnungsbestands entspricht. In Innsbruck wird an einer Erhebung gearbeitet. Etwa fünf Prozent der bisher überprüften Wohnungen stehen dort leer, hieß es vor kurzem. Generell gilt: Eine Quote zwischen 2,5 und drei Prozent ist normal und wünschenswert. Ist der Leerstand niedriger, deutet das auf eine Überhitzung des Wohnungsmarktes hin. Ist er höher, könnte das bedeuten, dass der Markt nicht funktioniert.

Wie schaut es diesbezüglich in Österreichs Städten aus? Nach Einschätzung von Robert Musil vom Institut für Stadt- und Regionalforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ist der Leerstand hier kein strukturelles Problem. Dass Wohnungen absichtlich ungenutzt bleiben, um die Preise in die Höhe zu treiben, glaubt er nicht: "Das macht nur Sinn, wenn ganz wenige Immobilienbesitzer den Markt kontrollieren." Denkbar sei spekulativer Leerstand im Luxussegment, wenn überhaupt. Auf die Preise am regulären Wohnungsmarkt hat das keine Auswirkungen.

Wenig Lenkungseffekte

Wenig genutzt oder ganz leer bleiben Wohnungen trotzdem. Dafür gibt es unterschiedliche Gründe. Etwa, dass sie fallweise als Nebenwohnsitz genutzt oder auf Airbnb angeboten werden. Oder, weil die Eigentümer überfordert sind. In manchen Zinshäusern, erzählt Musil, werden einzelne Wohnungen nicht vermietet, weil das den mitunter nicht mehr ganz jungen Eigentümern zu viel Arbeit ist.

"Leerstand ist eine diffuse Wolke", schlussfolgert Musil. Dahinter würden ganz unterschiedliche Prozesse wirken. Das bedeutet: Ein einziges Instrument, um die Wohnungen auf den Markt zu bringen, gibt es nicht.

Auch eine Leerstandsabgabe wird da keine Wunder wirken: "Als Rute im Fenster mag das seinen Zweck erfüllen", sagt der Wohnbauforscher Wolfgang Amann. Vom symbolischen Wert abgesehen, halte sich der Effekt wohl in Grenzen: "Exekution und Sanktionierung sind fast aussichtslos."

Auch der Steuerrechtler Werner Doralt hält nichts von einer Leerstandsabgabe – noch dazu, weil eine solche Bundes- und nicht Ländersache wäre, eine Einführung in einem Bundesland also "verfassungsrechtlich nicht erreichbar" ist. Doralt bezweifelt auch den Lenkungseffekt einer Abgabe.

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Leerstand verteuern

Wolfgang Amann fände es zweckmäßiger, Leerstand zu verteuern. Eine Novelle des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG), die erwartet wird, könnte mit einer geplanten Mindestrücklage Abhilfe schaffen. Sinnvoll sei auch eine Unterscheidung zwischen professionellen und privaten Vermietern. Wenn Private, die nur eine oder zwei Wohnungen vermieten, nicht fürchten müssten, dass sich ein befristeter Mietvertrag durch einen Formfehler in einen unbefristeten verwandelt, könnte das leere Wohnungen mobilisieren.

Um diese Mobilisierung geht es. In Tirol will man dafür eine eigene Stelle schaffen. Das wird in Vorarlberg mit der Initiative "Sicher vermieten" schon versucht. Dort übernimmt das Land mit Partnern wie der Vogewosi die Suche nach Mieterinnen und Mietern und erledigt Formalitäten. Gleichzeitig gibt es eine Ausfallsbürgschaft, damit Eigentümerinnen und Eigentümer nicht auf Kosten sitzenbleiben. Die Wohnungen werden, je nach Standort, um zehn oder 20 Prozent günstiger als der Vorarlberger Richtwert (8,92 Euro) auf drei Jahre vergeben.

118 Objekte sind derzeit vermietet. Angesichts von 2.000 Wohnungen, die laut einer Erhebung Amanns von 2018 im Ländle kurzfristig mobilisierbar wären, ist der Erfolg überschaubar. Bei der Vogewosi ist man dennoch zufrieden. Die Rückmeldungen seien gut, "einige Eigentümer haben schon verlängert und sind froh, dass die Wohnungen in der Verwertungsschleife sind", sagt Prokurist Oliver Steiner.

Am Bedarf vorbei

Klar ist: Jede leere Wohnung, die auf den Markt kommt, ist gut. Den Mangel an leistbarem Wohnraum wird man damit aber nicht aufarbeiten. "Es muss mehr und vor allem nachfragegerechter gebaut werden", sagt Musil. Ob sich die vielerorts in Bau befindlichen Häuser, in denen mit bis zu 15 Euro Miete pro Quadratmeter kalkuliert wird, mit Leben – und zahlungskräftigen Bewohnerinnen und Bewohnern – füllen, wird sich erst zeigen: "Es könnte schon sein, dass zum Teil am Markt vorbei gebaut wird", sagt Musil.

Im schlimmsten Fall ziehen die Kräne mancherorts also gerade künftigen Leerstand in die Höhe. Und die schwierige Suche nach leistbarem Wohnraum geht weiter. (Franziska Zoidl, 10.6.2021)