Die EZB belässt die Leitzinsen bei null Prozent

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Frankfurt – Europas Währungshüter gehen trotz besserer Aussichten für die Konjunktur und steigender Verbraucherpreise vorerst nicht vom Gas. Sowohl das milliardenschwere Notkaufprogramm zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie als auch die Zinsen im Euroraum bleiben unverändert. Das entschied der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag.

Ein Ende des Zinstiefs im Euroraum mit seinen 19 Staaten ist nicht in Sicht. Den Leitzins halten die Währungshüter auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent. Geschäftsbanken müssen zudem weiterhin 0,5 Prozent Zinsen zahlen, wenn sie Geld bei der Notenbank parken. Freibeträge für bestimmte Summen sollen die Institute bei den Kosten dafür entlasten.

Notfallprogramm läuft weiter

Die EZB hat in der Pandemie ein besonders flexibles Notkaufprogramm für Staatsanleihen und Wertpapiere von Unternehmen (Pandemic Emergency Purchase Programme, PEPP) aufgelegt. Das Programm mit einem Volumen von inzwischen 1,85 Billionen Euro läuft bis mindestens Ende März 2022.

Die Währungshüter wollen das im zweiten Quartal erhöhte Tempo der Wertpapierkäufe vorerst beibehalten, um die Kapitalmarktzinsen niedrig zu halten. Denn höhere Zinsen könnten die Finanzierung von Haushalten und Unternehmen verteuern und die wirtschaftliche Erholung belasten.

Das EZB-Kaufprogramm hilft Staaten wie Unternehmen: Diese müssen für ihre Wertpapiere nicht so hohe Zinsen bieten, wenn eine Zentralbank als großer Käufer am Markt auftritt. Insbesondere für Staaten ist das wichtig, weil sie in der Corona-Krise milliardenschwere Rettungsprogramme aufgelegt haben, die es zu finanzieren gilt.

Inflation zieht an

Die Inflation im Euroraum zieht seit einigen Monaten an. Angeheizt vor allem von steigenden Energiepreisen kletterte die jährliche Teuerungsrate im Mai auf 2,0 Prozent. Sie lag damit leicht über dem Ziel der Notenbank. Europas Währungshüter betrachten den Teuerungsschub jedoch als vorübergehend. Er sei unter anderem eine Folge des Preiseinbruchs in der ersten Corona-Welle vor gut einem Jahr. Die derzeitigen Engpässe im Welthandel, die viele Rohstoffe und Vorprodukte verteuern, erachtet die EZB ebenfalls als temporär.

Die EZB strebt im gemeinsamen Währungsraum ein ausgewogenes Preisniveau bei einer mittelfristigen Teuerungsrate von knapp unter 2,0 Prozent an. Dauerhaft niedrige Preise gelten als Risiko für die Konjunktur: Unternehmen und Verbraucher könnten dann Investitionen aufschieben – in der Hoffnung, dass es bald noch billiger wird.

EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel hatte sich jüngst zwar zuversichtlich mit Blick auf die weitere Konjunkturentwicklung geäußert. Allerdings sei es noch zu früh, die geldpolitische Unterstützung einzuschränken. Die Pandemie sei noch lange nicht vorbei, weder aus wirtschaftlicher noch aus gesundheitspolitischer Sicht, hatte Schnabel gesagt.

Europas Währungshüter sind seit Jahren im Anti-Krisen-Modus. Die seit März 2015 laufenden anderen Kaufprogramme der Notenbank für Anleihen, mit denen die Inflation angeschoben werden soll, haben mit mehr als 3,1 Billionen Euro Ende Mai bereits ein gewaltiges Volumen erreicht.

"Natürliche Marktreaktion"

"Bei einer Mehrheit im EZB-Rat herrscht offenbar die Sicht vor, dass sich die Eurozone nur dann erholen kann, wenn die langfristigen Zinsen auf ihrem historisch niedrigen Niveau verbleiben. Diese Sichtweise überzeugt in einem Umfeld der kräftigen Konjunkturerholung immer weniger", sagt Friedrich Heinemann vom ZEW. Steigende Langfristzinsen seien eine natürliche Marktreaktion auf die stark verbesserte Wachstumsperspektive. Zudem liegen die Zehnjahresrenditen immer noch sehr weit unterhalb eines Niveaus, das sich belastend auswirken könnte. Sogar für Griechenland und Italien bewegen sich die Anleiherenditen derzeit unter einem Prozent und damit sehr deutlich unter der aktuellen Inflationsrate.

Die EZB betreibt laut Heinemann damit eine Steuerung der Langfristzinsen gegen die Marktlogik. Geldmenge und EZB-Bilanzsumme relativ zur Wirtschaftsleistung steigen mit dieser Politik sehr rasch an. Es stimme vermutlich, dass der aktuelle Inflationsschub dem Ende der Pandemie geschuldet und kurzfristig sei. "Allerdings wachsen mit der Fortsetzung der aktuellen Geldpolitik die Risiken für eine dauerhafte Inflationsdynamik", sagt Heinemann.

"Große Gelassenheit"

Alexander Krüger vom Bankhaus Lampe kommentiert die aktuellen Entscheidungen der EZB so: "Inflationsspuk hin oder her, die EZB bleibt bei ihrer Linie. Ihr Vorgehen zeigt eine große Gelassenheit gegenüber dem aktuellen Inflationsanstieg. Sie setzt weiter auf den Erhalt günstiger Finanzierungsbedingungen und vor allem auch höhere PEPP-Käufe. Die Ruhe der EZB tut gut, da sie auf aktuelle Inflationstreiber ohnehin kaum Einfluss hat. Statt Inflation zu bekämpfen, dürfte die EZB noch lange alles tun, um für Stabilität bei Konjunktur, Staaten und Finanzmärkten zu sorgen." (APA, dpa, 10.6.2021)