Den Betriebsausflug nach München hätten sich Betriebsräte und Metallgewerkschafter sparen können. Denn die Belegschaftsvertreter des MAN-Werks in Steyr konnten bei ihrem Treffen mit dem MAN-Vorstand und Vertretern der IG Metall in der bayerischen Landeshauptstadt nichts ausrichten. Ihnen wurde lediglich beschieden, dass Porsche-Aufsichtsratsmitglied Siegfried Wolf, ein Vertrauter des Volkswagen kontrollierenden Porsche-Clans, das Lkw-Werk ihrer angeschlagenen Nutzfahrzeugtochter MAN im oberösterreichischen Steyr kaufen werde – und zwar mit allen Rechten und Pflichten.

In der Sitzung des MAN-Aufsichtsrates am Donnerstagnachmittag wurde der Deal dann besiegelt, und Wolfs Vehikel WSA ist nun Besitzer des Traditionsstandortes, an dem seit gut hundert Jahren Nutzfahrzeuge wie Lkws und Autobusse vom Band laufen.

Im April hat die Belegschaft in einer Urabstimmung gegen die Pläne von Wolf gestimmt.
Foto: APA/MAN STEYR/MAN STEYR

MAN bestätigte und lobte den Deal via Aussendung: "Die Zukunft des Nutzfahrzeugwerks Steyr – und damit die von tausenden Arbeits- und Ausbildungsplätzen in der Region – ist gesichert." Die MAN Truck & Bus SE habe sich mit Wolfs WSA Beteiligungs GmbH (WSA) auf den Verkauf aller Anteile an der MAN Truck & Bus Österreich GesmbH geeinigt. Der Kaufvertrag wurde bereits unterzeichnet.

Ablehnende Haltung bei der Belegschaft

An dem vor zwei Monaten an der ablehnenden Haltung der Belegschaft in einer Urabstimmung zunächst gescheiterten Plan habe sich nicht viel verändert, betonte ein Sprecher des früheren Magna-Chefs Wolf. WSA werde unter der Traditionsmarke "Steyr" eine Auftragsproduktion von Nutzfahrzeugen und Nutzfahrzeugteilen etablieren und damit Beschäftigung im Werk und bei zahlreichen Zulieferunternehmen der Region sichern.

Um dem neuen Eigner die Umstellung auf die Produktion von Elektrobussen und Klein-Lkws zu erleichtern, würden bis ins Jahr 2023 hinein Lkws und Komponenten abgenommen, nicht nur bis Ende 2022. Die Verlängerung dürfte freilich nicht ganz aus freien Stücken erfolgen. Denn MAN hat bei der Verlagerung der Produktion nach Polen bereits einiges an Verspätung. Am Zielort Krakau seien noch nicht einmal die notwendigen Werkshallen errichtet, sagen mit dem Verlagerungsprozedere vertraute Auskenner, von den notwendigen Anlagen ganz zu schweigen.

Bitte warten

In der MAN-Mitteilung liest sich das so: "Um einen reibungslosen Übergang sicherzustellen, wird MAN Truck & Bus länger als bisher geplant für Aufträge sorgen und in Steyr bis Mai 2023 zunächst weiter Lkw der Baureihen MAN-TGL und MAN-TGM produzieren lassen." Und: WSA werde darüber hinaus Komponenten fertigen und Kunststoffteile lackieren – dies auch mit verlängerten Laufzeiten.

Nun kommt der Investor im zweiten Anlauf doch ans Ziel.
Foto: APA/FOTOKERSCHI.AT / KERSCHBAUMMAYR

Wie auch immer. Wolf kommt der Zeitplan jedenfalls entgegen. Denn er muss parallel zur laufenden Produktion neue Produktionslinien für die sieben geplanten Fahrzeugtypen – Nutzfahrzeuge vom Kastenwagen über einen Citybus bis zum Lkw – aufbauen. Man werde in Steyr künftig auf die Schwerpunkte Elektromobilität, Wasserstofftechnologie und autonomes Fahren setzen. "Damit kann der traditionelle Industriestandort mit seinen hochqualifizierten Beschäftigten unter der wiederbelebten Marke Steyr einer erfolgreichen Zukunft entgegensehen", versicherte Wolf via Mitteilung.

Großteil der Stammbelegschaft

Zwei Drittel der Stammbelegschaft sollen übernommen werden: 1250 Mitarbeiter und sämtliche Lehrlinge. Die maximale Lohnreduktion werde 15 Prozent vom Nettobezug betragen, im Gegenzug waren Prämien bis zu 10.000 Euro versprochen worden. Auch die mit dem Land Oberösterreich geplante "zweckgebundene offene Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft" sei bereits in Gründung. Dort sollen 150 Techniker, also Ingenieure und Entwickler, Arbeit finden – die das neue Steyr-Werk allerdings selbst brauchen wird. Hier gibt es noch immer jede Menge Fragezeichen. Denn damit ist nicht gesichert, dass im Werk statt der Ingenieure zusätzlich 150 Arbeiter aus der Produktion einen Job haben werden. Zumal nach dem neuen Plan insgesamt auch nur zwei Drittel der bisher am Standort tätigen Stammbelegschaft gehalten werden.

Standortschließung vom Tisch

Beide Seiten hätten sich bewegt, betont MAN, man sei auf wesentliche Forderungen der Arbeitnehmerseite eingegangen. "Damit ist die Standortschließung des Werks vom Tisch. Ich freue mich sehr, dass es uns nun auch in Steyr gelungen ist, unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine echte Zukunftsperspektive zu bieten", sagte MAN-Konzernchef Andreas Tostmann. Die anderen drei Interessenten hätten keine brauchbaren Konzepte vorgelegt, wurde betont, sondern nur auf Asset- oder Immobiliendeals gespitzt.

Ob damit der Streit um den zwischenzeitlich aufgekündigten, bis 2030 laufenden Standortsicherungsvertrag vom Tisch ist, bleibt abzuwarten. Denn jene gut 600 Beschäftigten, deren Jobs wegfallen und die keine Perspektive mehr haben, könnten beim Arbeits- und Sozialgericht auf Einhaltung der Arbeitsplatzgarantie klagen. Das wäre wohl dann der Fall, wenn der Sozialplan samt angekündigten Vorruhestandsmodellen nicht nach deutschem Muster aufgebessert wird. Signale in diese Richtung blieben am Donnerstag aus. MAN fühlt sich dafür nicht mehr zuständig, der Sozialplan für die Schließung sei obsolet, sagte ein Sprecher zum STANDARD. (Luise Ungerboeck, 10.6.2021)

Anmerkung: Dieser Artikel wurde aktualisiert