Fritz Walch ist heilfroh. Der Geschäftsführer der Salzburger Lüftungstechnikfirma GPU-Riedl sucht ständig Personal. Monteure, Elektriker, allesamt Fachkräfte, die schwer zu finden sind. In der Krise, als der Bau brummte, spitzte sich die Problematik zu. Da war es Walch nur recht, dass zwei junge Leute, die in der Gastro beschäftigt waren – mangels Beschäftigung dort –, bei ihm vorstellig geworden sind. "Aktiv gefischt habe ich nicht, aber ich habe dringend Helfer gesucht", sagt Walch. Er hofft sehr, dass die beiden Jungen, von denen einer neben dem Studium als Koch gejobbt habe, bei ihm bleiben wollen. Walch kennt die Klagen, dass andere Branchen Betrieben aus Gastro und Hotellerie Konkurrenz um Arbeitskräfte machen würden. Aber da müsse eben jeder schauen, wie er an Fachkräfte komme.

Kaum ging es in Gastronomie und Hotellerie wieder los, wird über Fachkräftemangel geklagt.
Foto: Christian Fischer

Es sei schwierig, sagt auch Manuela Wolf. Sie sucht für den Pavillon im Nationalpark Gesäuse einen Koch – schon länger. "An der Bezahlung kann es nicht liegen, dass ich niemand finde", sagt sie. Sie bietet 2350 brutto, oder auch mehr. Wolf weiß von Problemen rundherum zu berichten. Ihre Brüder arbeiten ebenfalls als Köche, unter anderem in der Schweiz. Auch dort werde Personal gesucht. Einfach hat Wolf es in ihrer Lage grundsätzlich nicht, denn es handelt sich um einen Saisonbetrieb. Zudem müssen die Beschäftigten pendeln, schlafen können sie vor Ort nicht. Sie hätte einen guten Koch gehabt, sagt Wolf: "Er hat sich in der Pandemie umschulen lassen." Jetzt behilft sie sich einmal mit angelernten Kräften. Wolf geht es wie anderen in der Branche auch. Kaum fahren Gastronomie und Hotellerie hoch, sind die Klagen wieder zu hören: Köche und Kellner werden händeringend gesucht – und das mehr als je zuvor.

"Vor Corona hatten wir einen Fachkräftemangel, jetzt haben wir eine Fachkräftekatastrophe", sagt etwa Jürgen Pichler, Macher von Rolling Pin, einem Fachmagazin und Jobportal für die Gastro- und Hotelleriebranche. Nicht nur Koch und Kellner würden gesucht, auch an Hilfskräften herrsche Mangel. Pichler schätzt, dass sich rund 20 Prozent der Beschäftigten aus der Branche verabschiedet hätten, weitere könnten folgen. Das wären laut seiner Einschätzung 20.000 Beschäftigte, die fehlen würden. Vor der Krise im Jahr 2019, als der heimische Tourismus brummte, waren allein in der Beherbergung rund 96.230 Personen beschäftigt.

Kurzarbeit als Rettung

Vor allem Saisonbetriebe hätten jetzt ein Riesenproblem, sagt Pichler. Aber nicht nur, auch Betriebe, die ganzjährig laufen und ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit gehalten hätten, ginge es nicht viel besser. AMS-Chef Johannes Kopf sieht das anders. "Wer seine Belegschaft in der Pandemie nicht gekündigt, sondern in Kurzarbeit geschickt hat, hat jetzt kaum Personalprobleme", richtet er der Branche in einem Falter-Interview aus.

Tatsächlich zeigt eine Auswertung des Arbeitsmarktservice, dass das Problem Fachkräftemangel in Gastro und Hotellerie zwar nicht wesentlich an Dramatik gewonnen hat, aber eben auch nicht geringer geworden ist (siehe Grafik).

Geklagt wird nahezu allerorts. Im Großen und Ganzen ist die Lage in etwa vergleichbar mit jener vor Corona.
Grafik: STANDARD

Den 39.011 arbeitslos gemeldeten Personen vor zwei Jahren stehen heuer 44.625 gegenüber. In Kärnten und in der Steiermark waren vor zwei Jahren in der Beherbergung sogar etwas mehr Menschen arbeitslos gemeldet als heuer. In den anderen Bundesländern ist es umgekehrt. Auch in der Gastronomie waren 2019 mehr Menschen arbeitslos gemeldet als derzeit. Die meisten ohne Job gibt es in der Gastro in Wien, in der Beherbergung in Tirol.

Umgeschult

Auch den Eindruck, dass derzeit Beschäftigte aus der Branche vom AMS in großem Stil umgeschult würden, bestätigen die Zahlen nicht ganz. 8.171 sind in Schulungsmaßnahmen, vor zwei Jahren waren das mit 5.434 auch nicht wenige. Auch die Zahl der offenen Stellen war in Wien, Tirol und Vorarlberg vor zwei Jahren höher als heuer. Österreichweit stehen derzeit 12.169 insgesamt 10.873 gegenüber. Ob der Vorwurf der Gewerkschaft stimmt, dass in der Pandemie besonders im Westen Kellner und Köche meist gekündigt wurden, lässt sich nicht ablesen.

Erklärungsansätze für die Abwanderung aus der Branche gibt es einige. "Viele sind in der Kurzarbeit draufgekommen, dass Wochenende und Abend frei auch seine Vorteile hat, vor allem wenn die Bezahlung zumindest nicht schlechter ist", sagt Pichler. Zu 80 Prozent sei die Bezahlung ausschlaggebend. Martin Stanits von der Hoteliervereinigung (ÖHV) spricht ebenfalls von einer Katastrophe, könnten doch viele Hoteliers oft mangels Arbeitskräften gar nicht ihr volles Programm anbieten. Die Bezahlung allein mache es aber nicht.

Köche, Kellner, Hilfskräfte, rund ein Drittel der Beschäftigten in der Branche kamen vor Corona aus dem Ausland. Auch von ihnen haben sich wohl einige einen anderen Job gesucht.
Foto: Imago

Das sieht auch Spitzenkoch Max Stiegl vom Gut Purbach so. Stiegl, der jüngst auch die Küchenleitung im Knappenhof an der Rax übernommen hat, sucht ebenfalls Mitarbeiter. "Acht bis neun könnte ich aufnehmen", sagt er. Derzeit schickt er seine Crew teilweise zwischen dem Knappenhof und dem Burgenland hin und her. Und das, obwohl er den von Hans Peter Doskozil (SPÖ) ausgerollten Mindestlohn von 1.700 Euro netto sogar seiner Reinigungscrew biete. Stiegl sieht ein Problem im Klima gegenüber Menschen aus dem Ausland. Die Unterscheidung zwischen guten und bösen Zuwanderern komme bei vielen nicht gut an. Deswegen blieben Arbeitswillige aus Nachbarländern fern.

Stiegl ist aber auch der Ansicht, dass der Unterschied zwischen Kurzarbeits- oder Arbeitslosengeld und Lohn nicht hoch genug sei. Das sieht auch Jürgen Pichler so. Mehr bezahlen gehe sich bei vielen Gastronomen aber schlicht nicht aus, sagt Pichler. Auch er findet, dass das Arbeitslosengeld künftig degressiv gestaltet werden sollte. Lüftungstechniker Walch denkt über derlei nicht nach. Er konnte seine neuen Mitarbeiter mit einer Viertagewoche locken. (Regina Bruckner, 11.6.2021)