Die Esa-Sonde Envision soll in rund zehn Jahren die Rätsel der Venus lösen helfen.
Foto: DLR/VR2Planets

Anfang Juni verkündete die US-Raumfahrtbehörde Nasa ihren Entschluss, nach über 30 Jahren erstmals wieder Missionen zur Venus zu entsenden. Die beiden Sonden DaVinci+ und Veritas sollen zwischen 2028 und 2030 in Richtung des zweitinnersten Planeten aufbrechen, seine Atmosphäre untersuchen und den Boden kartieren.

Die größten Rätsel dieser der Erde so ähnlichen und doch so fremden Welt stellen ihre dichte Gashülle und die höllischen Bedingungen dar, die auf der Oberfläche herrschen. Warum ist die Venus trotz ähnlicher Voraussetzungen zu einem so lebensfeindlichen Planeten mit extremen Temperaturen geworden? Vielleicht war das auch nicht immer so. Planetologen vermuten, dass die Venus vor langer Zeit eine bewohnbare Welt gewesen sein könnte. Im vergangenen September gab die Beobachtung bestimmter Chemikalien sogar Anlass zu Spekulationen über noch heute existierendes Leben.

"Ganzheitliches Bild der Venus"

An der Suche nach Antworten auf diese Fragen beteiligt sich nun auch die Esa: Die europäische Raumfahrtagentur entschied am Donnerstag, eine eigene Venus-Mission zu starten. Die Sonde Envision soll den Planeten ab Anfang der 2030er-Jahre erkunden. Sie soll insbesondere "ein ganzheitliches Bild" der Venus liefern, das dabei hilft zu ergründen, "warum sich die Venus und die Erde so unterschiedlich entwickelt haben".

Spektakuläre Aufnahme der Venus durch die japanische Sonde Akatsuki, aufbereitet von Damia Bouic.
Foto: JAXA/ISAS/DARTS/Damia Bouic

"Vor uns liegt eine ganz neue Ära der Venus-Erkundung", sagt Günther Hasinger, Esa-Wissenschaftsdirektor. "Der Planet ist unser nächster Nachbar im Sonnensystem und unterscheidet sich doch erheblich von der Erde. Gemeinsam mit den neu angekündigten Venus-Missionen der Nasa steht nun ein extrem umfangreiches wissenschaftliches Programm rund um den mysteriösen Planeten an, das uns auch im nächsten Jahrzehnt noch einige Zeit beschäftigen wird."

Vorhersagen über die Zukunft der Erde

Auch im Hinblick auf die Zukunft der Erde ist unsere direkte Nachbarin im inneren Sonnensystem sehr interessant. Die Venus ist im Gegensatz zu unserem Heimatplaneten nicht bewohnbar, hat eine toxische Atmosphäre und ist in dicke Wolken, die großteils aus Schwefelsäure bestehen, eingehüllt. Findet man etwas über die historischen Entwicklungen heraus, die dazu geführt haben, dass sich die Venus heute in diesem Zustand befindet, lassen sich daraus vielleicht auch Vorhersagen für die Erde ableiten, hoffen die Wissenschafter.

Die nötigen Daten soll das Sensorpaket von Envision liefern: Der Orbiter wird mit einer Reihe europäischer Instrumente ausgestattet, darunter ein Tiefenmesser zur Untersuchung unterirdischer Schichten sowie Spektrometer zur Erforschung der Atmosphäre und der Oberfläche. Die Spektrometer werden Spurengase in der Atmosphäre messen und die Zusammensetzung der Oberfläche analysieren, vor allem hinsichtlich Veränderungen, die auf aktiven Vulkanismus hinweisen könnten.

Video: The EnVision Mission
Thomas Widemann

Kartografierung per Radar

Ein von der Nasa bereitgestellter Radar wird Bilder von der Planetenoberfläche machen und diese kartografieren. Darüber hinaus werden im Rahmen eines radiowissenschaftlichen Experiments die innere Struktur und das Gravitationsfeld sowie die Struktur und die Zusammensetzung der Atmosphäre untersucht. Gemeinsam werden die Instrumente die Interaktion zwischen den verschiedenen Grenzen des Planeten – vom Inneren über die Oberfläche bis zur Atmosphäre – bestmöglich charakterisieren und so eine allumfassende Ansicht der Venus und ihrer Prozesse liefern.

Wie geht es weiter

Envision ist die fünfte Mittelklasse-Mission des "Cosmic Vision"-Plans der Esa. Der nächste Schritt besteht nun darin, dass die detaillierte "Definitionsphase" beginnt, in der das Design des Satelliten und der Instrumente finalisiert wird. Nach der Designphase wird ein europäischer Auftragnehmer aus der Industrie ausgewählt, der Envision bauen und testen wird, bevor die Sonde mit einer Ariane-6-Trägerrakete in den Weltraum startet.

Der frühestmögliche Starttermin für Envision ist 2031; weitere Optionen folgen 2032 und 2033. Der Flug zur Venus dauert etwa 15 Monate. Nach weiteren 16 Monaten wird die Sonde dann mithilfe von Atmosphärenbremsung ihren Orbit erreicht haben. Auf der quasipolaren Umlaufbahn in einer Höhe von 220 bis 540 Kilometern wird Envision 92 Minuten für eine Venusumkreisung brauchen. (red, 11.6.2021)