Euro-Ticker: England vs. Kroatien, Österreich vs. Nordmazedonien, Niederlande vs. Ukraine, So., 15 Uhr

England gilt durchaus als geheimer Mitfavorit auf den Titel. Aber das war es fast immer. Und in neuerer Zeit fast immer haben die Erfinder des Fußballspielens enttäuscht, weshalb sich viele sicherheitshalber angewöhnt haben, nichts zu erwarten. Coach Gareth Southgate hat das vor drei Jahren bei der Weltmeisterschaft in Russland geändert. Eine junge, spielfreudige, kampfstarke, dem Trainer folgsame Mannschaft stieß bis ins Halbfinale vor.

Bei der WM 2018 in Russland zogen Harry Kanes Engländer gegen Luka Modrićs Kroaten mit 1:2 noch den Kürzeren.
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Dort war allerdings dann Schluss. Ausgerechnet gegen Kroatien, dessen goldene Generation Weltmeister Frankreich danach beim 2:4 von Moskau ein sehenswertes Finalduell geliefert hat. Chef und Hirn dieser Mannschaft war Luka Modrić. Und um ihn dreht sich auch diesmal das Team von Trainer Zlatko Dalić. Freilich: Modrić feiert im September seinen bereits 36. Geburtstag. Und der 1,72 Meter hohe Mann ist ja keineswegs ein Stehgeiger. Eine seiner Stärken ist es, stets in Bewegung zu sein.

Viel Qualität

Der Star von Real Madrid bildet gemeinsam mit Marcelo Brozović von Inter Mailand und Mateo Kovačić von Chelsea die kreative Abteilung. Da verfügt Dalić über eine Vorzüglichkeit, die sich sehen lassen kann. Haudegen wie Mario Mandžukić, Ivan Rakitić, Danijel Subašićund andere haben sich zurückgezogen. Mit Andrej Kramarić von Hoffenheim oder Ante Rebić von Milan steht allerdings noch genügend Vollstreckerqualität zur Verfügung.

Dazu kommt, dass in Kroatien das Team zuweilen wie ein veritabler Turbo wirkt. "Auf der großen Bühne sind wir immer viel besser", sagt Coach Dalić, "wir werden unsere Kraft auch diesmal im richtigen Moment wieder zeigen."

Das Gegenteil dessen – das Team als Demotivator – fürchtet man traditionsgemäß in England. Coach Southgate hat, wie die Weltmeisterschaft in Russland gezeigt hat, diesbezüglich einiges zum Besseren, Leidenschaftlicheren verändert. Und außerdem ist es, gewissermaßen, ein Heimturnier. Aber gerade Letzteres könnte sich auch als Nachteil entpuppen. Bei den Vorbereitungspartien, auch beim 1:0 gegen Österreich, wurden die Kicker ausgebuht wegen des Respektkniefalls für die Black-Lives-Matter-Bewegung vorm Spiel.

Hohe Ziele

Die Ziele sind hoch. Noch nie gab es einen EM-Titel. "Wir wollen es nun unbedingt zum ersten Mal tun", verspricht der Trainer seinem Publikum. Er, Southgate, wisse aber auch: "In Wirklichkeit ist das Ergebnis nur ein kleiner Teil. Wenn England spielt, geht es um viel mehr." Auch um die Marie. England hat auch den wertvollsten Kader. 1,32 Milliarden Euro seien die Burschen wert, ist unlängst erst geschätzt worden. Kroatien, wo auch keine Billigen kicken, ist mit nur 375,80 Millionen ein Leichtgewicht.

England hofft auf England.
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Die Qualifikation hat England recht souverän, mit nur einer Niederlage gegen Tschechien, erledigt. Mit Harry Kane von Tottenham hat man einen gediegenen bis brillanten Mittelstürmer. Manchester Uniteds Back Harry Maguire organisiert hinten das Bollwerk. Wie immer im englischen Team wird der Tormann eine entscheidende Rolle spielen. Jordan Pickford von Everton dürfte gesetzt sein. Elferschießen ist – wie schon vor dem Turnier in Russland – bei den Engländern wieder trainiert worden.

Im Kader versteckt sich einer, dem viele den "Rookie of the Tournament" zutrauen. Jude Bellingham, Jahrgang 2003, werkt seit einem Jahr bei Borussia Dortmund. "Man kann nicht anders", kann auch Southgate nicht anders, "als die Leistung eines Buben in diesem Alter zu bewundern. Aber er ist kein Junger, oder? Er spielt wie ein Mann." David James, einst englischer Goalie, sieht im Wunderkind schon das Kindliche: "Bellingham ist erst 17 – und er kann einfach alles. Der Junge weiß noch gar nicht, wie gut er wirklich ist."

Aber gut, dieser David James, heute Experte, hat – wir finden, das darf dem geneigten Leser, der interessierten Leserin nicht vorenthalten werden – auch gesagt: "England hat zwar den letzten Test mit 1:0 gewonnen, aber Österreich hat ein paar großartige Spieler wie zum Beispiel David Alaba und Marcel Sabitzer, um nur zwei zu nennen. Ich halte Österreich für einen Geheimtipp." Vielleicht erinnert sich James aber auch nur an das peinliche Gegentor, das er 2004 in der WM-Quali von Andreas Ivanschitz zum 2:2 bekommen hat. (Wolfgang Weisgram, 13.6.2021)

Gruppe D, 1. Runde:

England – Kroatien (London, Wembley-Stadion, 15.00 Uhr MESZ/live ORF 1, SR Orsato/ITA)

England: 1 Pickford – 2 Walker, 5 Stones, 15 Mings, 3 Shaw – 4 Rice, 14 Phillips – 20 Foden, 19 Mount, 10 Sterling – 9 Kane

Ersatz: 13 D. Henderson, 23 Johnstone – 6 Maguire, 12 Trippier, 16 Coady, 21 Chilwell, 22 White, 24 James, 7 Grealish, 8 J. Henderson , 17 Sancho, 25 Saka, 26 Bellingham, 11 Rashford, 18 Calvert-Lewin

Kroatien: 1 Livakovic – 2 Vrsaljko, 21 Vida, 5 Caleta-Car, 25 Gvardiol – 11 Brozovic – 14 Rebic, 10 Modric, 8 Kovacic, 4 Perisic – 9 Kramaric

Ersatz: 12 Kalinic, 23 Sluga – 3 Barisic, 6 Lovren, 16 Skoric, 22 Juranovic, 24 Bradaric, 13 Vlasic, 15 Pasalic, 18 Orsic, 19 Badelj, 26 Ivanusec, 7 Brekalo, 14 Budimir, 20 Petkovic

Fraglich: 6 Lovren (angeschlagen)