Es ist Sache des Aufsichtsrats, lautet der Stehsatz der türkisen Führung, seit die ersten entlarvenden Chats des Vorstandschefs der Staatsholding Öbag an die Öffentlichkeit gelangten. Und nach Darstellung von Kanzler und Vizekanzler hat der Aufsichtsrat unter seinem Vorsitzenden Helmut Kern das Problem der "Schmid-AG" elegant gelöst: Thomas Schmid wurde zuerst nicht verlängert, dann zum sofortigen Rückzug gedrängt, und nun wird ein neuer Vorstand gesucht, der nicht mit peinlichen Chats belastet ist.

Gelöst? Mitnichten. Der Öbag-Aufsichtsrat ist selbst ein zentrales Element des Öbag-Skandals, und indem er weitermacht, als wäre nichts gewesen, bleibt er eine Belastung für Österreichs Wirtschaftspolitik.

Das gilt vor allem für Kern. Zuerst hat dieser eine geschobene Vorstandsausschreibung durchgezogen und mit Schmid einen ungeeigneten Kandidaten für eine 27-Milliarden-Holding bestellt. Dann hat er die Auflösung des Vertrags viel zu lange hinausgezögert und Schmid den Abschied unnötigerweise mit 200.000 Euro aus dem Staatssäckel versüßt. Von Kompetenz und Rückgrat zeugt das alles nicht.

Der schwerste Makel des Aufsichtsrats aber ist, dass er selbst auf höchst fragwürdige Weise besetzt wurde, mit Erfüllungsgehilfen der ÖVP und steuerbaren Marionetten des Karrieristen Schmid. Es stimmt, dass Kern selbst nicht Schmids Idee war, sondern von Sebastian Kurz aus dem Hut gezaubert wurde, nachdem bessere Kandidaten abgesagt hatten. Der Auftrag an ihn aber war klar: Schmid in den Lenkersitz zu hieven, was Kern auch bereitwillig tat.

Strukturelles Problem

Der ehemalige Unternehmensberater und Krankenhausmanager brachte auf dem Papier nur die Mindestqualifikationen für den Job mit. Sein patziger und sachlich unrichtiger Angriff auf die angesehene Rechtsprofessorin Susanne Kalss, die das Vorgehen des Aufsichtsrats sanft kritisiert hat, zeigt, wie sehr er auch in der Praxis überfordert ist.

Idealerweise wäre der ganze Aufsichtsrat auszutauschen, aber zumindest Kern müsste das Feld räumen. Mit einem Befehlsempfänger wie ihm an der Spitze wird die Suche nach internationalen Topmanagern nicht funktionieren. Wer soll sich das Verfahren antun, wenn zu vermuten ist, dass die Bestellung ohnehin im Kanzleramt ausgeschnapst wird?

Und mit Kern wird auch das größte strukturelle Problem der Öbag nicht gelöst werden: ein einzelner Vorstand für ein viel zu großes Beteiligungsportefeuille. Anders als von Kern behauptet hatte die Staatsholding in der Vergangenheit meist zwei Vorstände, vor allem, wenn es viele Aufsichtsratsposten zu besetzen gab. Zahlreiche Experten fordern eine Doppelspitze, und dies könnte der Aufsichtsrat ganz leicht durchsetzen. Er müsste diesen Vorschlag nur dem Eigentümer, also dem Finanzminister, auf einer Hauptversammlung unterbreiten.

Aber das scheint Kern nicht zu wissen. Sein Verbleib als oberster Aufseher für die Verwaltung von Österreichs Staatsvermögen wäre ein weiterer türkiser Skandal. (Eric Frey, 12.6.2021)