Um Resilienz aufzubauen, fordern der ehemaliger britischer Außenminister David Miliband, die Epidemiologin Elizabeth Radin und Christopher Eleftheriades vom International Rescue Committee von den Staats- und Regierungschefs der G7, auch das kollektive Steuerungsversagen einzugestehen.

Familienfoto Freitagabend in Cornwall.Gastgeber des G7-Gipfels ist der britische Premier Boris Johnson (Mitte). Links von ihm stehen der kanadische Premier Justin Trudeau, US-Präsident Joe Biden, rechts der französische Präsident Emmanuel Macron und die deutsche Kanzlerin Angela Merkel. In der zweiten Reihe: EU-Ratspräsident Charles Michel, die Premierminister von Japan, Yoshihide Suga, und Italien, Mario Draghi, sowie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
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Seit der letzten G7-Tagung im August 2019 gab es Covid-19-bedingt 3,5 Millionen Todesfälle sowie wirtschaftliche Verluste, die sich Prognosen zufolge bis 2025 auf 22 Billionen US-Dollar belaufen könnten – eine wirtschaftliche Erschütterung, die 80 Prozent größer ist als jene im Gefolge der globalen Finanzkrise von 2008. Diese verheerenden Ereignisse haben einen mutigen, wirksamen Multilateralismus ausgelöst, der die Welt in der Folge sicherer und wohlhabender gemacht hat. Die G7 hat nun Gelegenheit, auf ihrem Gipfeltreffen in Cornwall dieselbe Art von Führungsstärke an den Tag zu legen.

Als das Land, das gegenwärtig die G7-Präsidentschaft innehat, hofft Großbritannien, die globale Erholung von der Covid-19-bedingten Rezession auf eine Weise anzuführen, die die Resilienz der Welt gegen künftige Pandemien stärkt. Dies wird nicht nur mehr Geld erfordern, sondern auch weiter reichende Finanzierungsmaßnahmen und Reformen. Die Regierungen müssen die konkreten Versäumnisse bei den bisherigen Finanzierungsbemühungen zur Bekämpfung der Pandemie ansprechen, indem sie langfristige Investitionen zur Steigerung der Pandemiebereitschaft an frühe, schnell greifende Finanzierungsmechanismen knüpfen.

Mehr Geld für Pandemiebereitschaft

Die durch Covid-19 verursachten Verheerungen haben unterstrichen, was Fachleute schon seit Jahren sagen: Unsere nationalen, regionalen und globalen Systeme sind für die Erkennung und Eindämmung von Seuchenausbrüchen völlig unzureichend. Um für die Zukunft weitere Verluste in Billionenhöhe und unermessliches menschliches Leid zu verhindern, sind Investitionen im Milliardenumfang erforderlich.

Es gibt eine Menge Vorschläge zur Finanzierung der Pandemiebereitschaft. Doch wenn Bereitschaftspläne und -systeme bei Ausbrüchen nicht rasch und im großen Maßstab aktiviert werden können, haben wir nicht das notwendige Maß an Resilienz erreicht. Wir haben die jüngste Geschichte der Pandemiefinanzierung analysiert und festgestellt, dass das derzeitige System in den wichtigen ersten Monaten der Covid-19-Reaktion zu langsam angesprungen ist.

Schleppende Hilfe

Einen Monat nach der Erklärung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vom 30. Jänner 2020, wonach es sich bei Covid-19 um einen Gesundheitsnotstand von internationaler Tragweite handele, hatten der WHO-Notfallfonds und der zentrale Nothilfefonds der Vereinten Nationen insgesamt bloße 23,9 Millionen US-Dollar zugewiesen.

Selbst drei Monate später waren erst fünf Prozent des Geldes aus dem globalen humanitären Reaktionsplan der UN von (damals) 6,71 Milliarden US-Dollar verteilt worden. Zudem dauerte es nach der Erklärung der WHO drei Monate, bis die Versicherungs- und Kapitalmarktinstrumente der Weltbank griffen. Als im April 2020 die erste Versicherungsauszahlung der Weltbank in Höhe von 196 Millionen US-Dollar freigegeben wurde, musste diese zwischen 64 Ländern aufgeteilt werden, von denen 59 bereits mit Covid-19-Ausbrüchen kämpften. Obwohl die multilateralen Organisationen letztlich zusätzliche Milliardenbeträge bereitstellten, um Ländern niedrigen und mittleren Einkommens – häufig zu Vorzugsbedingungen – zu helfen, ist es klar, dass in den ersten Tagen und Wochen der Pandemie mehr Überbrückungshilfen erforderlich gewesen wären.

Überstürzte Strategien

Und als dann erhebliche Finanzhilfen zu fließen begannen, wurde ein großer Teil davon für überstürzte und lückenhafte Strategien eingesetzt. Die anspruchsberechtigten Länder hatten vor dem Eintreten der Notsituation nicht angeben müssen, wie die Mittel zur Reaktion darauf genutzt werden sollten. Das war weniger ein operatives Versehen als ein grundlegender Fehler im Design. Das Problem lag in der Aufsplitterung der Zuständigkeiten zwischen Bereitschaftsfonds und Finanzierungsfazilitäten für eine "schnelle Reaktion", die jeweils ihre eigenen Regeln, Planungsrahmen und Finanzierungskriterien hatten.

Dieses geballte Versagen – unzureichende Investitionen in die Herstellung der Pandemiebereitschaft, eine verzögerte Finanzierung der Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie und Widersprüche zwischen beidem – verweist auf die Notwendigkeit einer internationalen Fazilität zur Finanzierung der Pandemiebereitschaft und -bekämpfung. Wie in den Empfehlungen des Independent Panel for Pandemic Preparedness and Response (IPPR) skizziert, sollte dieser Mechanismus sowohl zur Mobilisierung langfristiger (zehn bis 15 Jahre währender) Beiträge in Höhe von etwa fünf bis zehn Milliarden US-Dollar jährlich zur Finanzierung der laufenden Bereitschaft in der Lage sein als auch zur kurzfristigen Ausschüttung von bis zu 100 Milliarden US-Dollar. Derartige Gelder können ähnlich wie bei der Internationalen Finanzierungsfazilität für Impfungen (IFFIm) durch Ausgabe einer Sozialanleihe auf künftige Finanzzusagen aufgebracht werden.

Zusätzliches Finanzierungsvehikel

Wir schlagen hier nicht die Einrichtung einer neuen Umsetzungsbehörde vor. Statt einen "Globalen Fonds für Pandemien" ins Leben zu rufen, der parallel zum Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Malaria und Tuberkulose operiert, schwebt uns ein zusätzliches Finanzierungsvehikel vor, das bestehenden Einrichtungen – wie dem Globalen Fonds und der Impfallianz GAVI – Gelder zuweisen könnte. Das Ziel ist letztlich, mit der Pandemiebereitschaft in Beziehung stehende globale öffentliche Güter zu fördern: Überwachungssysteme, Forschung und Entwicklung sowie Protokolle zur raschen Krisenreaktion.

"Wenn man einem Einzelfaktor die Schuld geben kann, dann dem Mangel an politischer Führung auf höchster Ebene der nationalen Regierungen und des internationalen Systems."

Natürlich sind Finanzierungsdefizite nicht das einzige oder auch nur das wichtigste Versäumnis, das ermöglichte, dass sich der Ausbruch eines neuartigen Coronavirus zu einer weltweiten Katastrophe auswuchs. Wenn man einem Einzelfaktor die Schuld geben kann, dann dem Mangel an politischer Führung auf höchster Ebene der nationalen Regierungen und des internationalen Systems. Doch auch hier ist eine eigene Finanzierungsfazilität Teil der Lösung.

Zuckerbrot und Peitsche

Die von uns vorgeschlagene Fazilität würde von einem Globalen Rat für Gesundheitsbedrohungen beaufsichtigt: einem multilateralen, multisektoralen Gremium, das darauf ausgelegt ist, die Pandemiebereitschaft und -bekämpfung auf die höchsten Ebenen des internationalen Systems zu erheben. Dieser von Vorsitzenden aus der UN-Generalversammlung und der G20 geleitete Rat wäre damit betraut, die politische Unterstützung für die Pandemiebereitschaft und -bekämpfung aufrechtzuerhalten, die Fortschritte in Richtung globaler Ziele zu überwachen und die Entscheidungsträger zur Rechenschaft zu ziehen. Durch die Ermächtigung zur Zuteilung erheblicher finanzieller Mittel aus der Finanzierungsfazilität könnte der Rat Zuckerbrot und Peitsche nutzen, um eine Pandemiebereitschaft auf nationaler Ebene sicherzustellen, und würde über eine globale Kreditkarte zur Reaktion auf künftige Gesundheitskrisen verfügen.

Zentral bei diesem Modell ist die Kombination aus Bereitschaft und schneller Reaktion – die beide von einem geeinten globalen Rat reguliert, von einer integrierten Fazilität gesteuert und mittels eines einzigen Instruments finanziert würden. Diese Struktur stellt sicher, dass, sobald ein Seuchenausbruch erkannt wird, Finanzmittel zur Seuchenbekämpfung nahtlos von demselben Gremium eingesetzt werden können, das für die Planung, Überwachung und anderweitige Aufrechterhaltung der Bereitschaft zuständig ist. Beide Bemühungen durch ein einziges Instrument zu finanzieren, würde die Menge der ungenutzten Geldmittel minimieren und ein laufendes Engagement der Politik zwischen Krisen sicherstellen.

Steuerungsversagen eingestehen

Um überhaupt eine Chance zu haben, Resilienz gegen künftige Bedrohungen durch Pandemien aufzubauen, müssen die Staats- und Regierungschefs der G7 zunächst einmal das kollektive Steuerungsversagen während der Anfangstage der Covid-19-Krise eingestehen, das weitgehend durch unzureichende Investitionen in die Bereitschaft verursacht wurde. Anschließend müssen sie sich ihren Titel als Führer und Führerinnen der Welt verdienen, indem sie sich zu einem Plan verpflichten, der die Zuständigkeit für Regulierung, Steuerung und Finanzierung der Pandemiebereitschaft und der schnellen Reaktion auf Krisensituationen in eine Hand legt. Andernfalls haben sie nicht genug getan, um künftige Seuchenausbrüche einzudämmen, bevor auch sie sich zu katastrophalen Pandemien auswachsen. (David Miliband, Elizabeth Radin, Christopher Eleftheriades, Übersetzung: Jan Doolan, Copyright: Project Syndicate, 12.6.2021)