Der Ball ist bei der EM zum ersten Mal im Tor. Domenico Berardi dreht jubelnd ab, Eigentorschütze Merih Demiral versinkt kopfüber im Rasen.

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Jubel, weil gut gespielt und gewonnen.

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Rom – Ein ansprechendes, wenn auch nicht hochklassiges Spiel eröffnete am Freitagabend in Rom die 16. Fußball-Europameisterschaft. Italien beherrschte die Türkei im Schlager der Gruppe A völlig, 21:3-Torschüsse standen am Ende zu Buche. Die Azzurri können sich auf ihre beiden weiteren Vorrundenauftritte gegen die Schweiz und Wales in Rom freuen.

"Keiner schlafe", hatte Startenor Andrea Bocelli im kurzen Vorprogramm den knapp 17.000 Zusehern im Stadio Olimpico empfohlen. Die Gefahr hielt sich aber ohnehin in Grenzen. Nachdem DJ Martin Garrix sowie die U2-Legenden Bono und The Edge den EM-Song "We are the people" präsentiert hatten, sorgten die Italiener mit ihrem "Fratelli d’Italia" für den gesanglichen Höhepunkt dieses ersten EM-Abends. Und die Hausherren waren auch von Beginn an gewillt, spielerische Höhepunkte folgen zu lassen.

Türkei-Keeper Ugurcan Cakir hatte alle Hände voll zu tun.
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Doch die Mannschaft von Roberto Mancini, zuletzt in 27 Spielen en suite ungeschlagen, musste sich schnell damit abfinden, dass die Türken gar nicht gewillt waren, die guten Gastgeber zu mimen, die sie kurioserweise nominell in Rom waren. Coach Senol Günes, mit 69 Jahren der älteste Trainer der EM, der gleichwohl den jüngsten Kader zusammengestellt hatte, ließ seine Truppe vorsichtig, ganz auf schnelle Gegenzüge erpicht beginnen.

Türkische Mauer

Nicht gerade Catenaccio, aber doch konzentrierte Abwehrarbeit wurde da geboten, gegen Italiener, die nach einer Viertelstunde alles voll im Griff hatten. Chancen ergaben sich begreiflichwerweise kaum, zumal die Gegenstöße der Türken über Kapitän und Stürmerstar Burak Yilmaz vom französischen Meister Lille zu fehlerhaft ausfielen. Auf der Gegenseite fehlte es dem Trio Lorenzo Insigne, Ciro Immobile und Domenico Berardi an Durchschlagskraft, aber auch oft an verwertbaren Vorlagen. Neun Versuche der Italiener standen zur Halbzeit genau keinem der Türken gegenüber, aber nur drei gingen aufs Tor. Einmal hatte der türkische Goalie Ugurcan Cakir einen starken Kopfball des aufgerückten Verteidiger-Urgesteins Giorgio Chiellini über die Latte zu drehen (22.).

Referee Danny Makkelie ließ sich von den Reklamationen der Italiener nicht beirren und ahndete das Handspiel von Verteidiger Zeki Celik nicht.
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Gefährlicher noch war die erste Anforderung an VAR bei einer EM. Die Videoassistenten im fernen Nyon begutachteten, ob Verteidiger Zeki Celik bei einer Hereingabe von Insigne den Ball im Strafraum absichtlich mit der Hand gespielt hatte (45.). Die neue Regel, wonach unabsichtliches Handspiel nicht zu ahnden ist, wurde in der Szene wohl mit Bauchweh zugunsten des Türken ausgelegt, Referee Danny Makkelie aus den Niederlanden war sich allerdings gleich sicher gewesen. Die Italiener wurden für mehr als 60 Prozent Ballbesitz nicht belohnt.

Nach Seitenwechsel schossen die Türken zunächst einmal durch den eingewechselten Cengiz Under aufs italienische Tor. Und ins Tor trafen sie wenig später auch, allerdings ins eigene.

Türkischer Öffner

Berardi hatte sich an der Grundlinie durchgesetzt, seine harte Hereingabe fälsche Juventus-Verteidiger Merih Demiral zur Führung der Squadra Azzurra ab (53.). Der Treffer öffnete das Spiel, darauf hatten die Italiener gewartet. Plötzlich war es um die humorlose Präzision der türkischen Abwehr geschehen. Italien kamen viele gute Ideen.

Konnte Torhüter Cakir bei einem Schuss von Manuel Locatelli noch retten (58.), brachte er einen weiteren Versuch von Leonardo Spinazzola nur vor Immobiles Beine, der zur Entscheidung netzte (66.). Den Sieg in verdientem Ausmaß stellte Insigne nach Pass von Immobile sicher (79.). Italien blieb zum neunten Mal en suite ohne Gegentor,. Zwei Rekorde schauten am Ende auch heraus: Nie zuvor erzielten die Italiener in einem EM-Spiel drei Tore, nie zuvor gab es in einem EM-Auftaktspiel einen klareren Sieg. (Sigi Lützow, 11.6.2021)

Fußball-EM – Gruppe A, 1. Runde:

Türkei – Italien 0:3 (0:0).
Rom, Stadio Olimpico, 16.000, SR Makkelie/NED.

Tore:
0:1 (53.) Demiral (Eigentor)
0:2 (66.) Immobile
0:3 (79.) Insigne

Türkei: Cakir – Celik, Demiral, Söyüncü, Meras – Yokuslu (65. Kahveci) – Karaman (76. Dervisoglu), Tufan (64. Ayhan), Yazici (46. Ünder), Calhanoglu – B. Yilmaz

Italien: Donnarumma – Florenzi (46. Di Lorenzo), Bonucci, Chiellini, Spinazzola – Barella, Jorginho, Locatelli (74. Cristante) – Berardi (85. Bernardeschi), Immobile (81. Belotti), L. Insigne (81. Chiesa)

Gelbe Karten: Söyüncü, Dervisoglu bzw. keine