Kogler beim vergangenen Grünen-Bundeskongress im Jänner 2020 – noch vor der Pandemie.

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Linz – Kein Umarmen, kein Drücken, kein Herzen. Dabei wäre man am Sonntag in den Reihen der Grünen so gerne sichtbar näher zusammengerückt. Galt es doch aus Sicht der Partei, in koalitionär durchaus schwierigen Zeiten ein klares Zeichen des inneren Parteifriedens zu setzen. Doch in Pandemiezeiten müssen eben Worte reichen. Und diesbezüglich schöpfte man beim Bundeskongress der Grünen ordentlich aus dem Schmalztopf. Von einem "unglaublichen Wow-Gefühl" gepaart mit "geballter Power" sprach da etwa die Linzer Stadträtin Eva Schobesberger. Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein verspürte "große Freude", an seinem ersten Bundeskongress teilnehmen zu können, für Oberösterreichs Landeschef Stefan Kaineder war es überhaupt ein "erwärmender Tag".

Wo soll da also noch Kritik Platz finden? Offensichtlich nicht bei Nachfragen von Journalisten zur aktuellen türkis-grünen Stimmungslage. Wolfgang Mückstein durfte sich offiziell zwar über seine Teilnahme freuen, weitere Fragen zur Regierung wurden von der Pressebegleitung des Ressortchefs jedoch rigoros unterbunden.

Jeder Widerspruch ließ sich damit dennoch nicht unter der Decke halten, wie der Ausklang des Nachmittags zeigte. Doch erst einmal war Harmonie angesagt.

Zugeknöpfte Planung

Ungewöhnlich zugeknöpft zeigte sich die Partei, die sich gerne Transparenz und Basisdemokratie auf die Parteifahne heftet, bereits bei der Planung des Events. Zugelassen waren Medienvertreter nämlich laut ursprünglichem Plan nur bei den offiziellen Reden. Wortmeldungen, Debatten über den Leitantrag, die Abstimmung über eine künftige Urwahl des Bundessprechers und die Präsentation des Abstimmungsergebnisses sollten ab 13 Uhr hinter verschlossenen Türen stattfinden. Am frühen Nachmittag schwenkte man dann doch um und lud auch Medienvertreter zum Delegiertenaustausch.

Abseits der Diskussion, wer jetzt eigentlich wann wo zuhören darf, erklomm Oberösterreichs Grünen-Chef Stefan Kaineder, angekündigt als der "Rockstar" aus Oberösterreich, die Bühne. Der Grüne spannte den weiten Bogen von seiner "Omi auf der Mühlviertler Sonnenbank" bis hin zum aktuellen "riesigen, historischen Auftrag", dieses Land klimaneutral zu machen. Kaineder räumte aber durchaus auch ein, dass er sich in den letzten Wochen manchmal gefragt habe, "wo sind wir denn da hineingeraten, wenn ungustiöse Chats durchs Land purzeln". Aber: "Das Motto muss sein: rudern statt sudern. Wir können uns das Land nicht schönreden, wir werden es schön machen." Und zum Abschluss dann noch eine Mühlviertler Weisheit: "Beim Wandern kommt der Wind auch nicht immer von hinten. So ist es beim Regieren auch manchmal, aber wir marschieren weiter."

Diesen Ball griff dann auch gleich der grüne Bundesparteichef Werner Kogler auf: "Mit Gegenwind, Seitenwind, Rückenwind. Regieren ist nix für Lulus." Das Motto müsse sein: "locker bleiben – und immer mit den Füßen am Boden". Eigentlich habe er sich, so Kogler, ja vorgenommen, dem Koalitionspartner nichts ausrichten zu wollen. Aber: "Ich bin mir nicht ganz sicher, ob man sich beim Regierungspartner im Moment bewusst ist, wer Kurs hält und navigiert in diesem Land." Die Antwort hatte Kogler für den Koalitionspartner natürlich parat: "Wir halten Kurs und navigieren in diesem Land." Die Ziele und Visionen hätten sich mit der Regierungsfunktion nicht geändert, aber die Hebel seien eben andere, meinte der Vizekanzler und fügte hinzu: "Wir müssen uns aber für nichts entschuldigen, nur weil wir regieren." Besser "die Richtigen" würden regieren als "die Falschen". Fürchtet euch ni•cht, ermutigte Kogler seine Parteikollegen: "Es funktioniert, es gelingt."

Wohlüberlegte Einigkeit

Ähnlich wie schon beim Bundeskongress im Jänner des Vorjahres in Salzburg, wo die heikle Abstimmung über die Regierungsbeteiligung anstand, setzte Kogler auf eine bewährte Taktik. Bereits am Samstag lud er die Delegierten zu einem Symposium. Schwerpunkt: die bislang geleistete Regierungsarbeit.

Nach den vom STANDARD unter den Delegierten gesammelten Eindrücken zu schließen, zeigte das Briefing durchaus Wirkung. "Es ist wirklich beeindruckend, was alles geleistet wurde", sagt etwa Benjamin Kaspar von Jungen Grünen in Linz: "Ich sitze heute mit einem guten Gefühl hier." Es sei ja immer klar, dass der Weg mit der ÖVP kein leichter sei, aber jetzt alles aufzukündigen würde nichts bringen: "Es ist eben türkise Parteitaktik, uns Grüne zu provozieren. Man will von den eigenen Problemen ablenken und uns in den Mittelpunkt rücken. Aber wir halten das aus."

Auch für Barbara Gasner, Delegierte aus Niederösterreich, steht die Regierungsbeteiligung im Vordergrund: "Insbesondere im Justizbereich". Ob es nicht eine rote Linie für die Grünen gebe? "Das kann ich schwer sagen. Die rote Linie sehe ich aber im Moment noch nicht."

Kein Durchgriff für Parteichefs

Entzündet hat sich Kritik dafür an einer anderen Frage: Auf Geheiß der Parteispitze rund um Kogler war geplant, eine wichtige Änderung in den Statuten der Partei vorzunehmen. Demnach hätte die Bundesprecherin oder der Bundessprecher – sprich: Parteichefin oder Parteichef – künftig nicht mehr von den rund 380 Delegierten, sondern von allen 7000 Mitgliedern der Landesparteien in einer Urwahl gekürt werden sollen. Außerdem hätte die Person an der Spitze das Recht bekommen sollen, nach Gutdünken über zwei vordere Listenplätze für Bundeswahlen zu bestimmen – eine lange gewälzte Forderung, um attraktiven Quereinsteigern die Rutsche legen zu können.

Doch der Plan fiel durch: Beim Bundeskongress stimmten nur 62,7 Prozent dafür – zu wenig für die erforderliche Zweidrittelmehrheit.

Kogler gab sich nach dem Dämpfer sportlich. Er habe durchaus Verständnis für das Nein, zumal der Bundeskongress Einfluss abgegeben hätte müssen. Die Kritik soll nun einfließen, um einen neuen Vorschlag zu formulieren. Versöhnliches Schlusswort: "No hard feelings." (Markus Rohrhofer aus Linz, Gerald John13.6.2021)