Yael Bartana lässt in ihrer Videoarbeit "Malka Germania" einen Messias in Berlin einziehen. Weiß und blond konterkariert er nationalistische Träume aber mit Queerness und hebräischem Namen.

Foto: Yael Bartana

Der Messias kommt auf einem Esel. So steht es in der Bibel, so glauben es Juden und Christen gleichermaßen. Im Jüdischen Museum Berlin kann man seit einer Woche eine Videoarbeit sehen, die dem Messias auf einem Esel neue Bedeutung verleiht. In Malka Germania (Königin Germania) von Yael Bartana wird Berlin zum neuen Jerusalem. Der Messias ist eine Gestalt mit männlichen und weiblichen Zügen, offensichtlich soll dieses Wesen die Geschlechterdifferenz aufheben. Deutlicher noch aber verkörpert dieser Messias eine Klischeevorstellung: Er oder sie oder etwas dazwischen ist weiß. Weiße Hautfarbe, weißes Gewand, blondes Haar. Germania halt, die Verkörperung des deutschen Wesens. Der feuchte Traum aller Nationalisten sieht hier aber recht queer aus und trägt einen hebräischen Namen.

Umdeutung mit Pop

In der zeitgenössischen Kunst ist Yael Bartana vor allem mit Videoarbeiten bekannt geworden, in denen sie jüdische Vorstellungen mit populärer Kultur verband. Das kann man im Jüdischen Museum Berlin nun noch einmal in Ruhe nachschauen, denn die Ausstellung Redemption Now (Erlösung Jetzt) bietet neben dem Höhepunkt mit dem Drei-Kanal-Video Malka Germania auch eine Werkschau der 1970 in Israel geborenen Künstlerin, die heute in Tel Aviv und Berlin lebt. Sie beginnt mit dem fünf Minuten langen Film Entartete Kunst lebt (2010), in dem sie das Gemälde Kriegskrüppel von Otto Dix von 1920 wiederbelebte – die Parade der vom Krieg der europäischen Nationalisten gezeichneten Figuren hat bereits Aspekte der motivischen Umwidmung, mit der Bartana bevorzugt arbeitet. Auch ihr bisher wahrscheinlich berühmtestes Werk ist im Jüdischen Museum Berlin zu sehen: die dreiteilige Videoarbeit And Europe Will Be Stunned, in der Bartana von einem Jewish Renaissance Movement erzählt, das Juden dazu aufruft, nach Polen zurückzukehren. Der betont realistisch durchgespielte Plan eines umgekehrten Zionismus stellt eine brillante geschichtspolitische Provokation dar.

Verzichtet haben die beiden Kuratoren Shelley Harten und Gregor H. Lersch hingegen auf Inferno (2013), eine weitere Schlüsselarbeit: Mit einer Computertechnik, die dem Mainstreamkino entlehnt war, imaginierte sie damals einen neuen, dritten Tempel – ein Endzeitbild, das sie in einen Katastrophenfilm umschlagen ließ. In Inferno wurde ein Hang zur Monumentalität deutlich, der nun in Malka Germania zu einer Szene führt, in der Bartana es geradezu mit James Cameron, dem größten Spektakelmacher in Hollywood, aufnimmt. Der ließ in seinem Film The Abyss eine ganze Zivilisation vom Meeresgrund auftauchen. In Malka Germania ist es das Berlin der tausendjährigen Nazi-Träume, das aus dem Wannsee auftaucht.

Keine Scheu vor komplizierten Lagen

Für das Jüdische Museum Berlin stellt Redemption Now einen Neubeginn dar. Es ist die erste Einzelausstellung unter der neuen Direktorin Hetty Berg, die Peter Schäfer nachfolgte. Der renommierte Wissenschafter musste nach Kontroversen vor allem um eine Ausstellung über Jerusalem zurücktreten, der Parteinahme für die palästinensische Sache unterstellt wurde.

Das Jüdische Museum kann den komplexen Debatten über Israelkritik und deutsche Vergangenheitsbewältigung nicht entkommen. Bartana stellt ein Signal dar: Sie scheut vor komplizierten Motivlagen nicht zurück, im Gegenteil, sie sucht sie geradezu, und überhöht sie zu einer neuen Mythologie. (Bert Rebhandl aus Berlin, 14.6.2021)