Am Bargeld hängen die Menschen in China nicht. Wer beim Friseur mit Scheinen bezahlt, erntet eher genervte Blicke. Für die Einführung einer digitalen Währung also gute Voraussetzungen.

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Wahrscheinlich war es kein Zufall, dass die Regierung in Peking ausgerechnet jetzt gegen Bitcoin-Mining in den Provinzen Xinjiang, Innere Mongolei und Qinghai vorging. Die freie und anonyme Kryptowährung in Bitcoin ist der kontrollsüchtigen Kommunistischen Partei eigentlich ein Gräuel. Trotzdem ließ man jahrelang Miner gewähren, die mit staatlich subventionierter Energie Bitcoins schürften. Damit ist jetzt Schluss. Die Bitcoin-Miner verlassen das Land. Dies geschieht in einer Zeit, in der China der Einführung des digitalen Yuan immer näher rückt. Denn bis zu den Olympischen Winterspielen in Peking im kommenden Jahr soll die digitale Währung voll etabliert sein.

Zum Konsum genötigt

In den vergangenen Monaten hatte Peking diverse Pilotprojekte gestartet. So wurden zum Beispiel in der südchinesischen Stadt Shenzhen sowie in Chengdu und Suzhou digitale Yuan durch eine Lotterie verlost. Die Gewinner erhielten ihr Geld in Form von Konsumgutscheinen. Transaktionen im Wert von 300 Millionen Dollar sollen so bereits stattgefunden haben. Das Geld hatte ein Verfallsdatum, um die Menschen dazu zu animieren, es möglichst schnell auszugeben.

Daran kann man auch sehen, warum digitale Währungen für Regierungen so attraktiv werden: Sie erlauben eine Feinsteuerung wirtschaftlicher Prozesse. Trotz diverser geldpolitischer Maßnahmen seit der großen Finanzkrise, wie Negativzinsen und Quantitative Easing, bleibt die Inflation niedrig, und die Wirtschaft kommt nicht in Fahrt. Mit digitalen Währungen können Bürger unter anderem zum Konsum genötigt werden, um die gewünschten Effekte zu erreichen.

Kein Widerstand

Mit Widerstand aus der Bevölkerung rechnet man nicht. Bargeldloses Bezahlen gehört in China bereits seit Jahren zum Alltag. Bisher findet das über die Apps von zwei der Regierung nahestehenden Großkonzernen statt: Alipay von Alibaba und WeChat-Pay von Tencent. In den chinesischen Städten sind mitunter bereits Bettler gesichtet worden, die hinter einem Schild mit QR-Code sitzen und um Almosen ersuchen.

Wer im Restaurant, beim Friseur oder im Taxi mit Geldscheinen bezahlen will, erntet meist genervte Blicke – Wechselgeld hat kaum einer mehr. Der digitale Yuan soll auch die letzten Reste Bargeld überflüssig machen. Für die an Durchleuchtung und Überwachung gewöhnten Chinesen wird der digitale Yuan also wenig Veränderungen bringen.

Inwieweit die Einführung des digitalen Yuan die Konzerne Tencent und Alibaba betrifft, ist noch unklar. Es gibt Stimmen, wonach die Digitalwährungen die Apps der beiden Anbieten überflüssig machen werden.

Kampf gegen Dollar

Andere wiederum gehen eher von einer Integration der neuen Währung in bestehende Systeme aus. Auch welche Rolle die traditionellen Banken in dem neuen System spielen werden, ist unklar. Vermutlich läuft es auf einen Bedeutungsverlust hinaus, da die Zentralbank künftig direkt mit den Konsumenten kommuniziert.

Für Peking hat die digitale Währung aber noch einen weiteren geopolitischen Vorteil. Seit Jahren arbeitet die Kommunistische Partei Chinas nämlich daran, die Vormachtstellung des US-Dollars zu brechen. 90 Prozent der internationalen Transaktionen finden in der US-amerikanischen Währung statt, während die US-Wirtschaft nur für knapp 20 Prozent der Weltwirtschaftsleistung steht.

Viele Länder müssen deswegen – ob sie das wollen oder nicht – US-Dollars besitzen, um international Handel treiben zu können. Seit Jahren will das Reich der Mitte den US-Dollar als weltweite Leitwährung durch ein System verschiedener Währungen ersetzen und Exporte sowie Importe auch in der eigenen Landeswährung abwickeln. Pilotprojekte mit der Zentralbank von Thailand, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Hongkong haben diese Möglichkeiten bereits ausgelotet. (Philipp Mattheis, 14.6.2021)