Werner Kogler hatte ja eine gute Stunde Zeit, um in Hemdsärmel- und Headset-Adjustierung ein Plädoyer zum Verbleib in der Regierung auszubreiten.

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Wir sind eben anders: Mit diesem Selbstlob haben sich die Grünen oft getröstet, wenn die Medien interne Streitereien ausgeschlachtet haben. Während in anderen Parteien Kritiker niedergebügelt und Debatten erstickt würden, zähle in den eigenen Reihen das freie Wort.

Das wird man ihnen seit Sonntag nicht mehr so leicht abnehmen. Beim Bundeskongress in Linz wollten sich die Grünen genauso lange im Scheinwerferlicht der Kameras sonnen, wie die Bühne der herzerwärmenden Inszenierung der Chefetage – wir haben uns lieb und kämpfen für das Gute – gehörte. Doch bevor am Nachmittag dann das – wie sich beim Einspruch gegen die von oben angestoßene Parteireform zeigte – nicht steuerbare Fußvolk der Partei an die Reihe kam, sollten die Journalisten rausbugsiert werden. Erst als der Schuss nach hinten losging, weil Medien dies thematisierten, machten die grünen Zeremonienmeister einen (späten) Rückzieher.

Plädoyer zum Verbleib in der Regierung

Für eine Partei, deren Chef in seiner Rede Selbstbewusstsein eingemahnt hat, ist das ziemlich hasenfüßig. Werner Kogler hatte ja eh eine gute Stunde Zeit, um in Hemdsärmel- und Headset-Adjustierung ein Plädoyer zum Verbleib in der Regierung auszubreiten. Und da halten es die Grünen nicht aus, wenn coram publico auch ein paar kritische Worte ertönen?

"Fürchtet euch nicht!", rief Kogler den Delegierten in Linz zu: "Regieren ist nichts für Lulus." Dann sollten sich die Grünen beim Bundeskongress aber auch nicht so benehmen. (Gerald John, 13.6.2021)