Im Rahmen von "New Pay" sollten laut der Gehaltsexpertin Martina Ernst möglichst viele Mitarbeitende in die Diskussion um Gehälter eingebunden werden.
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Im letzten Jahrzehnt wurde der Ruf nach "New Work" immer lauter – viele Unternehmen haben erkannt, dass traditionell-hierarchische Organisationsformen nicht mehr die geeigneten Antworten auf die Herausforderungen unserer komplexen und schnelllebigen Arbeitswelt liefern können, und setzen zunehmend – zumindest pilothaft – auf agile Arbeitsmethoden und den Abbau von Hierarchien hin zu Netzwerkstrukturen.

Doch was bedeutet das für die einzelnen Mitarbeitenden? In der Idealversion ist man kein austauschbares Rädchen in einer großen Maschinerie mehr, sondern arbeitet in Teams, die relativ selbstständig Marktchancen ergreifen und mit den Kunden gemeinsam die entsprechenden Lösungen entwickeln können. Wunderbar, denn das deckt sich auch mit den Wünschen der Beschäftigten. Neun von zehn der befragten österreichischen Arbeitnehmer ist es wichtig, dass ihre Arbeit Sinn hat, ergab eine Umfrage des beruflichen Netzwerks Xing bereits 2018. Leider sind derzeit in Europa laut einer Gallup-Umfrage vom Juli 2020 nur 20 Prozent bei ihrer Arbeit mit dem Herzen dabei.

Und wenn Mitarbeitende in der neuen Arbeitswelt viel selbstbestimmter agieren können und wollen, dann muss man natürlich auch die klassischen Gehalts- und Vergütungsmodelle hinterfragen. Und so entstand der Ruf nach New Pay. Nadine Nobile, Stefanie Hornung und Sven Franke, die Autoren des gleichnamigen Buches "New Pay", fanden heraus, dass sieben Prinzipien New Pay gut beschreiben, die wiederum eng mit den Ideen von New Work verknüpft sind: Fairness, Transparenz, Selbstverantwortung, Partizipation, Flexibilität, Wir-Denken und Permanent-Beta.

Wunsch nach Transparenz

Eine Online-Befragung, die das Marktforschungsinstitut Marketagent im Auftrag von Xing im Februar 2021 durchgeführt hat, ergab, dass zwar rund zwei Drittel der 1.000 befragten deutschen und sogar 70 Prozent der 500 befragten österreichischen Erwerbstätigen mit ihrem Gehalt zufrieden sind, aber mehr als die Hälfte wünscht sich mehr Transparenz im Hinblick auf die Gehaltsstrukturen innerhalb ihrer Unternehmen – in beiden Ländern herrscht bei rund einem Drittel der Befragten nach wie vor die Überzeugung, dass Männer mehr Gehalt verdienen und bessere Karrierechancen hätten als Frauen.

Rund 55 Prozent sprechen sich dafür aus, dass nicht nur reine Arbeitszeit, sondern Leistung ebenso berücksichtigt werden sollen wie Kollegialität und gute Zusammenarbeit. Und Leistung soll laut den Befragten nicht nur anhand von Zielerreichung beurteilt werden, sondern Kreativität und Ideenreichtum sollen mit in die Gesamtbeurteilung einfließen und damit die Gesamtvergütung mitbeeinflussen.

Schon 2019 rangierten Wertschätzung und faires Gehalt bei einer Befragung der Jobplattform Karriere.at von österreichischen Studierenden ganz oben, und eine aktuelle PwC-Umfrage vom Juni 2021 zeigt, dass flexible Gestaltung von Arbeitszeit und -ort neben gutem Gehalt auf der Wunschliste junger Beschäftigter ganz oben stehen. Der Ruf nach New Pay ist also nicht zu überhören.

Was bedeutet fair?

Aber was heißt fair, gerade wenn wir von Gehalt und Leistung sprechen? Und wie viel Transparenz können Mitarbeitende aushalten? Stephan Fischer, Direktor des Instituts für Personalforschung an der Hochschule Pforzheim, spricht in diesem Zusammenhang von Verteilungs- und Verfahrensgerechtigkeit. Das heißt: Die Beschäftigten empfinden Gehälter tendenziell dann als fair, wenn vergleichbare Positionen innerhalb und außerhalb des Unternehmens die gleiche Vergütung beziehen.

Wenn aber jemand, der nie mehr macht als nötig, genauso viel verdient wie jemand, der gerne das Team unterstützt, fragen sich viele, ob das noch fair ist. Wer soll die höheren Boni bekommen: die, die den Verkauf abgeschlossen haben, oder die, die im Hintergrund den dafür nötigen Support geliefert haben?

Das Gerechtigkeitsempfinden von Personen ist extrem unterschiedlich, und daher muss laut Fischer und Franke jede Organisation im Rahmen von New Pay möglichst viele Mitarbeitende in die Diskussion einbinden, anstatt starre Gehaltsstrukturen vorzugeben.
Generell gilt: je nachvollziehbarer, klarer und konsistenter die Verteilung und je transparenter und partizipativer das Verfahren, nach dem in einem Unternehmen Gehälter, Boni und Sozialleistungen gezahlt werden, desto fairer oder gefühlt gerechter empfinden Beschäftigte ihr Gehalt.

New Pay umsetzen

Einige Konzerne, wie zum Beispiel Xing, legen Gehaltsbänder für die jeweiligen Positionen offen, manche Firmen wie Morningstar oder Elbdudler lassen ihre Angestellten sogar selbst über ihr Gehalt entscheiden, und andere wie Einhorn oder Ministry Group lassen über die Gehälter im Team demokratisch abstimmen. Deloitte rät zum Beispiel zu Mitarbeiterumfragen, um herauszufinden, welche Sozialleistungen wirklich einen gefühlten Mehrwert darstellen. So bietet ein Bereich der Deutschen Bahn auf Wunsch der Belegschaft die Wahlmöglichkeit zwischen Urlaubstagen, höherem Gehalt oder kürzerer Arbeitszeit.

Sprechen wir hier von sozialromantischen Fantasien? Nein, ganz und gar nicht – es geht schlichtweg um Arbeitgeberattraktivität und um den vielzitierten "war of talents", damit die Aufgaben der Zukunft mit den richtigen Mitarbeitenden gemeistert werden können. (Martina Ernst, 15.6.2021)