Die meisten Madeirer haben das Schwimmen in einem Freibad wie dem Barreirinha-Komplex gelernt.

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Obwohl es auf Porto Santo auch herrliche Sandstrände gibt.

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Klippen bei Ponta de Sao Lourenco: die Steilküste ist die östlichste Spitze der Insel Madeira.

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Vulkanische Felsformationen: Landschaftlich macht Madeira einiges her.

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Originale wie Brosam gibt es in jedem Freibad. Sie sind mehr als Stammgäste, sie gehören zum Inventar. Natürlich ist ihre Haut schon zu Beginn der Schwimmsaison tiefengebräunt, als ob es keinen Winter gegeben hätte. Wie machen sie das bloß?

Okay, in der autonomen portugiesischen Region Madeira, die auf der Höhe von Marokko liegt, ist das verhältnismäßig einfach. Winter bedeutet auf der üppigen Blumeninsel noch immer eine Wassertemperatur von rund 17 Grad und jede Menge Sonne. "Ich wohne nur zehn Minuten von hier entfernt", erzählt der 63-jährige Madeirer, der jeden Tag zumindest auf einen Sprung im Praia de Barreirinha vorbeischaut.

Sonnenbaden das ganz Jahr über

Geschlossen hat das historische Freibad in der Hauptstadt Funchal nur an einem Tag, nämlich zu Weihnachten. Sonst kann man das ganze Jahr über Sonnenbaden. Brosam knallt sich natürlich in die Mittagssonne. Wenn schon, denn schon.

Das Meer ist ruhig an diesem herrlich sonnigen Tag im Frühling, die altmodische Badeanlage ist mäßig gefüllt. Ein paar Teenager hängen an der Brüstung, die freien Blick auf den Atlantik bietet. Eine ältere Dame, die eindeutig auch zu den Stammgästen gehört, breitet ihr Tuch auf dem Liegestuhl aus. 5,25 Euro kostet der Eintritt, für einen Euro mehr bekommt man auch eine Plastikliege zur Verfügung gestellt.

"Leider spreche ich kein Englisch", sagt sie und schiebt ihre altmodische Sonnenbrille kurz herunter. Sie staunt, dass sich eine Touristin für die Architektur in ihrem Bad interessiert.

Hingucker

Vom Meer aus ist die Barreirinha-Beach ein echter Hingucker, sie sieht wie ein Schiff aus, das an den Felsen gestrandet ist. Die vorgelagerte Anlage passt sich fantastisch der rauen Landschaft an. Das künstliche Plateau ist ideal zum Sonnenbaden, Treppen führen bequem ins Meer. Und zwei Bademeister passen auf. Sollten die Wellen hoch werden, fühlt man sich trotzdem sicher.

Madeira ist durch einen Vulkan am Meeresboden entstanden. Das merkt man gerade an den kleinen Stränden noch immer, schwarze Basaltsteine ragen da dramatisch aus dem Wasser. Es gibt schroffe Küsten auf Madeira, die wie Fjorde aussehen, wie man sie eigentlich im Norden von Europa erwartet.

Dementsprechend wild und schwer zugänglich sind auch die Badeplätze. Bei Influencern aus aller Welt haben sich die Lava-Pools im Norden der Insel zwar schon als Foto-Hotspots herumgesprochen, aber in Funchal ist es noch idyllisch ruhig.

Alte Badeanstalten

Complexo Balnear nennen die Einheimischen die Schwimmanlagen auf den felsigen Küstenabschnitten. Im Unterschied zu den berühmten historischen Freibädern in Triest, über die man in jedem Reiseführer lesen kann, wissen nicht einmal die Stammgäste im Praia de Barreirinha, wie alt die Anlage ist. Sehr, sehr alt, sagt Brosam, der schon als Kind hier schwimmen gegangen ist.

Bademeister Pedro kann nur zustimmen. Für einen Plausch hat er aber keine Zeit, es vergeht keine Minute, ohne dass ihn irgendwer ins Gespräch verwickelt. Bademeister scheinen hier auch Therapeuten zu sein. Nur auf eine Frage antwortet er schnell: "Nein, ertrunken ist hier noch keiner. Eigentlich ist das Meer ruhig und angenehm."

In den 1930er-Jahren wurden die Badeanstalten von Funchal gebaut. Schwimmen wurde gerade modern. Wir gehen an den Strand, das bedeutete damals, dass man die sichere Infrastruktur nutzte, um sich nicht an den rutschigen Basaltsteinen zu verletzen. Ganz Funchal hat in den öffentlichen Badeanstalten schwimmen gelernt. Wahrscheinlich haben viele auch deshalb eine emotionale Bindung zu ihren Freibädern, die sie schon als Kinder besucht haben.

Architektonische Überraschungen

Am anderen Ende der Stadt, in den reicheren Vierteln, ist der berühmte Lido Complex, der ein beeindruckendes 50-Meter-Becken mit Salzwasser und kleine Becken für Kinder hat. 2010 wurde die Anlage von einer Flut zerstört, seit 2015 ist sie wieder geöffnet und strahlt in hellem Blau.

Der deutsche Bildhauer Walter Kalot hat 1981 ein Wandrelief für das Bad gestaltet, das sich "Die Woge" nennt und die Jahre unbeschadet überstanden hat. Bademeister Josef hat dort deutlich mehr zu tun als sein Kollege an der Praia de Barreirinha: "Ich muss ständig Menschen retten, sie überschätzen sich, und dann bekommen sie Panik in den Wellen."

Architektonisch hat das beschauliche Funchal einige Überraschungen zu bieten: Der brasilianische Stararchitekt Oscar Niemeyer hat in den 1970er-Jahren das Kasino in Form einer Dornenkrone entworfen.

Daneben steht das Pestana Casino Park Hotel, ein wuchtiger Betonbau auf Stelzen, der damals für heftige Diskussionen gesorgt hat. Heute ist das Gebäude auch deshalb ein beliebtes Fotomotiv, weil davor eine Statue der österreichischen Kaiserin Sisi steht, die hier im Winter 1860 auf Kur weilte. Sie wusste eben, wo es sich gut abschalten lässt.

Bilderbuchstrand

Manchmal haben die Einwohner von Madeira auch Lust auf einen klassischen Sandstrand. Dann nehmen sie einfach eine Fähre nach Porto Santo, zu einer kargen Insel mit einem neun Kilometer langen Bilderbuchstrand. Im Sommer ist es übervoll, auch weil Direktflüge aus England und Deutschland ankommen. In der Nebensaison aber kann man genießen, wie unverbaut die Insel ist. Bis auf das gigantische Vila Baleira Resort gibt es keine Hotelburgen, nichts darf höher als drei Stockwerke sein.

Das Porto Santo Hotel & Spa etwa stammt aus den 1960er-Jahren und wirkt fast, als hätte der Däne Arne Jacobsen hier gebaut. Viel Holz, große Fenster, vor allem die Villen strahlen historischen Charme aus, der Rest wurde zeitgemäß renoviert. Am Strand sind keine Liegen, nichts ist abgegrenzt, es dominieren Weite und Wellen.

Fjordartige Schluchten

Die Fremdenführerin Ruth Bachofner kommt aus der Schweiz, lebt aber schon lange auf Porto Santo. Sie entschuldigt sich, dass es so grün ist. "Es hat in den letzten Wochen überraschend viel geregnet", sagt sie: "Normalerweise ist es viel karger hier." Sie nimmt uns auf eine Tour über die Insel mit, auch weil sie findet, man sollte Porto Santo nicht auf seinen Strand reduzieren.

Wir fahren durch fjordartige Schluchten, in denen man sich einsam wie am Ende der Welt fühlt. "Früher haben in diesem Tal 200 Menschen gelebt", erzählt Ruth: "Heute wohnt hier nur mehr die verrückte Ingrid aus München." Besser, man kommt ihrem Haus nicht zu nahe, sonst holt sie zur Abschreckung schon mal das Luftdruckgewehr hervor. Auf Porto Santo kennt jeder jeden, und wer wie Ingrid im Supermarkt keinen grüßt, der wird schnell zur Einsiedlerlegende.

Weitblick beim Wandern

Ähnlich wie auf Madeira gibt es im Hinterland atemberaubende Wanderrouten nach unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden. Weitblick ist auf jeder garantiert, und spätestens am Nachmittag liegt man wieder entspannt am Strand und genießt den Sonnenuntergang. In nur zweieinhalb Stunden ist man mit der Fähre wieder retour in Funchal, mit dem Flieger ist es ohnehin nur ein Sprung.

In Funchal steht noch ein Geheimtipp auf der Liste: Eine Fahrt mit der Drahtseilbahn über die Steilküste zum Faja dos Padres, einer sehr grünen, üppigen Landzunge direkt am Meer. 300 Meter geht es bergab.

Nelio ist der Herr der Gondeln und Tierliebhaber. Zwei Streunerkatzen füttert er regelmäßig. Die kleine rote Katze begleitet ihn schon seit zehn Jahren, erzählt er: "Damals gab es noch keine Seilbahn, nur einen Lastenzug." Ein verrostetes Ding, das irgendwann im freien Fall zwanzig Meter in die Tiefe gerast ist. Zehn Euro zahlt man für die bequeme und sichere Fahrt mit der neuen Gondel – und landet im Paradies.

Paradies

Mangos, Avocados, Bananen, Papayas wachsen am Wegesrand, alle aus biologischem Anbau. Das Restaurant liegt direkt am Meer, von den einfachen Plastikstühlen darf man sich nicht täuschen lassen. Das Essen ist fantastisch. Der berühmte Espada, der schwarze Degenfisch aus der Tiefsee, der mit frittierter Banane serviert wird, liegt hier auf frischem, noch bissfestem Biogemüse.

Man kann auch simple Bungalows mit Meerblick mieten. Der Strand hat schwarze Kieselsteine und kristallklares Wasser. Direkt beim Restaurant wurde eine Betonterrasse mit Liegestühlen angelegt – für typisches Baden auf Madeira-Art. Man könnte süchtig danach werden. (Karin Cerny, RONDO, 21.6.2021)